Traditionsreiches Schillern im Glas

Dahaam bei Veltliners

Text: Mathias Mangold, Foto: ÖWM

Der Grüne Veltliner ist ohne Zweifel Österreichs weisses Aushängeschild in Sachen Wein. Aber wussten Sie, dass es mehr als nur eine Farbe gibt? Eine kurze Annäherung an die (fast) kunterbunte Veltliner-Welt.

Vielleicht nähern wir uns zunächst mal durch ein Farbenspiel der Lieblingsrebsorte Österreichs an. Wenn man von Veltliner spricht, meint man eigentlich damit immer den Grünen Veltliner. Er hat mit seinen Namensgenossen Roter Veltliner oder auch Brauner Veltliner und dem Frühroten Veltliner im Grunde nichts zu tun, dennoch lohnt ein Blick darauf, immerhin profitieren sie von der Bekanntheit der Leitrebsorte.

Zunächst der Blick auf den Roten Veltliner, er ist der Älteste von den dreien. Seine Herkunft ist vermutlich das Veltlin, die Region in der lombardischen Provinz Sandrio an der italienisch-schweizerischen Grenze. Die genetische Abstammung ist ungeklärt, er gilt als eigenständige autochthone Sorte. Der Name ist etwas irreführend, denn beim Roten Veltliner handelt es sich um eine weisse Rebsorte. Seine früher sehr willkommene Stärke ist der ausgesprochen hohe Ertrag. Die Geschichte des Roten Veltliners ist in Österreich stark mit dem Namen Franz Hietl verbunden, der ab den 1920er Jahren intensiv an der Weiterentwicklung und Selektion arbeitete. Sein Kollege Josef Mantler sorgte dafür, dass – entgegen den eigentlichen Plänen – der Rote bei der Weingesetzreform 1971 doch weiterhin zugelassen wurde, trotz Massenträger und grosser Empfindlichkeit gegenüber Frost und Pilzkrankheiten. Immerhin dankt es einem die Sorte dann doch, wenn sie radikal ertragsreduziert wird, mit extraktreichen, feinwürzigen Weinen, die durchaus Lagerfähigkeit besitzen. Weine aus Wagram, dem Kremstal, Kamptal, Wien oder dem Weinviertel beweisen das.

Völlig anders zeigt sich der Frührote Veltliner. Fälschlicherweise lautet eines seiner Synonyme Malvasier, was ihn in eine Ecke dieser Mittelmeer-Familie rückt, die ihm nicht zusteht. Klar ist zumindest, dass er aus einer Kreuzung von Rotem Veltliner und Silvaner entstanden ist. Sein Aroma ist zunächst eher neutral, im Geschmack ist er oft etwas nussig und hat Anklänge von Blüten oder  Bittermandel, bei höherer Reife erinnert er auch an Honig und Gewürznelken. Seine Anbaufläche nimmt stetig ab, denn der geneigte Weinfreund sucht ausdrucksstarke Tropfen, was dieser säurearme Vertreter, der zudem alkoholarme Weine hervorbringt, nicht leisten kann. Kein Wunder, dass man ihn zumeist als Primeur- oder Schankwein ausgibt, sogar als Tafeltraube wird er vermarktet.

Die Qualitätswinzer setzen auf einen würzigen, mineralischen Stil.

Also dann doch eher der Grüne. Der nimmt immerhin mehr als ein Drittel der Rebfläche der Alpenrepublik ein. Woher er einst kam und warum er so plötzlich irgendwann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Weinliteratur vermehrt auftauchte, weiss niemand ganz genau. Man bezeichnete den Neuankömmling oft als eine Spielart des Grünen Muskateller und unterschied teilweise sogar noch in verschiedene Selektionsarten, die man «dunkelgrün» oder «gelbgrün» nannte. Auch Weißgipfler war ein häufig verwendetes Synonym. Heute ist durch DNA Analysen belegt, dass es sich beim Grünen Veltliner um ein Kind des Traminers handelt, der als uralte Rebsorte auch beim Riesling, der kompletten Burgunderfamilie und beim Sauvignon Blanc ein gewaltiges Wort mitgesprochen hat.

Es ist erstaunlich, welch positive qualitative Wendung der Grüne Veltliner in den vergangenen Jahrzehnten hingelegt hat. Der Anbau im Weinberg ist relativ stabil, die Sorte widerstandsfähig. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Nachfrage nach Wein steil anstieg, ging man sogar bei Markenweinen dazu über,  Veltliner als Hauptsorte zu verwenden. Er wurde im «Doppler», der Zwei-Liter-Flasche, äusserst beliebt und spielt so im niederösterreichischen Weinviertel und in Wien beim Heurigen auch heute noch keine unwesentliche Rolle als gefälliger, unkomplizierter und süffiger Trinkwein. Wesentlich besser sind freilich die wirklich trockenen Varianten aus ertragsreduziertem Anbau. Die Qualitätswinzer unter anderem in der Wachau setzen auf einen würzigen, mineralischen und leicht säurebetonten Stil mit einer gewissen Pfeffrigkeit, die vor allem bei jungen Weinen auch stets einen frischen Kick ins Glas bringt. Im Weinviertel weiss jeder Kellner, was zu bringen ist, wenn der Gast ein «Pfefferl» bestellt. 

Und dann gibt es da auch noch eine ganz andere Seite am Grünen Veltliner: seine süssen Varianten. Seit den späten Neunzigern wagten sich an der Donau mehr und mehr Winzer an das Risiko, einen Teil der Trauben hängen zu lassen und auf Botrytisbefall zu hoffen, der die Beerenhaut ansticht, das Wasser entweichen und die Beeren einschrumpeln lässt. Damit wurde eine neue Tür aufgestossen, die Möglichkeiten wurden expandiert. Spätestens damit war bewiesen, dass der Grüne Veltliner eine der grossen Weissweinsorten der Welt ist. Und die komplette Klaviatur von Knochentrocken bis hin zu Edelsüss spielen kann. Von versierten Winzern, versteht sich. Was lernen wir daraus? Wenn Weiss, dann Grün. Zumindest beim Veltliner.