I tre tenori

Legenden der Toskana

Fotos: gettyimages / AlexLinch, Bruno Bruchi, z.V.g.

Weinbau ist Männersache: Das war für Generationen klar. In immer mehr italienischen Regionen nehmen aber die Frauen inzwischen die Dinge in die Hand. Nicht nur als Erbinnen von Familienimperien, sondern als Innovatorinnen mit viel Fantasie und Fachwissen. Wir besuchten drei Aushängeschilder des toskanischen Weinbaus im Inland und an der Küste.

Albiera Antinori: 600 Jahre Wein im Blut

Seit einigen Jahren steht sie gemeinsam mit dem Önologen Renzo Cotarella an der Spitze des Familienimperiums: Albiera Antinori, die älteste Tochter von Marchese Piero Antinori. Ihre Arbeit ist geprägt von Umsicht und Fachwissen.

Diese Eigenschaften zeichnen sie auch in ihrem Parttime-Job als Präsidentin des Konsortiums Bolgheri DOC aus. In dieser Funktion hat sie Anfang September zum zweiten Mal Bolgheri Divino mitorganisiert. Bei diesem einzigartigen En-Primeur-Event waren 1000 Gäste aus aller Welt auf die Zypressenallee, dem Wahrzeichen der Ursprungsbezeichnung an der toskanischen Küste, geladen, um an einem lauen Spätsommerabend zu speisen und die Weine von Bolgheri zu verkosten. Bolgheri und der Antinori-Familienbesitz Guado al Tasso sind dabei seit längerer Zeit ein wichtiger Lebensmittelpunkt von Albiera, ihren Schwestern Allegra und Alessia, aber auch von Vater Piero und Onkel Lodovico - gerade auch in Zeiten des Lockdowns.

Aber begonnen hat alles in Florenz. Dort widmet sich die Familie Antinori seit 26 Generationen dem Wein: seit dem Jahre 1385, um genau zu sein, als Giovanni di Piero Antinori in die Florentiner Zunft der Winzer und Weinhändler eintrat. Heute ist das Unternehmen zwar eine Stiftung, wird aber von Pieros Töchtern Albiera, Allegra und Alessia und dem Önologen Renzo Cotarella geleitet. Natürlich immer noch mit der tatkräftigen Hilfe von Vater Piero, inzwischen 83  Jahre, der sich zwar offiziell aus dem Unternehmen zurückgezogen hat, aber immer noch eine gewichtige Stimme bei Entscheidungen hat.

Antinori umfasst zahlreiche Weingüter und Kellereien, und das nicht nur in der Toskana (mit einer Gesamt-Rebfläche von rund 1700 Hektar). Zu den Weingütern gehören Betriebe im Chianti Classico, Guado al Tasso in Bolgheri, Le Mortelle in der Maremma, La Braccesca in Montepulciano, Pian delle Vigne in Montalcino, Castello della Sala in Umbrien, Prunotto im Piemont, Tormaresca in Apulien und seit kurzem auch Jermann im Friaul. Nicht zu vergessen die vielen Kellereien im Ausland, einige im Besitz, andere in Joint Ventures: Antike im Napa Valley, Tuzko in Ungarn oder Meridiana in Malta, aber auch Güter in Chile, Washington State und Rumänien.

All diese Betriebe kennt Albiera Antinori wie ihre Westentasche: Bereits 1986 begann sie im Familienunternehmen zu arbeiten. Marketing, Kommunikation, Önologie und Weinbau wuchsen ihr bald ans Herz. Aber immer mit der Prämisse, das Haus Antinori auch für die nächsten Generationen der Familie zu erhalten. «Frauen können viel bewirken», sagte die Mutter zweier Kinder einmal, «nicht mehr als Männer, aber auch nicht weniger.»

Die Antinori Schwestern unterscheiden sich stark in Bezug auf Charakter, Leidenschaften und persönliche Interessen. Albiera Antinori: «Wir überschneiden uns nicht, sondern unterstützen uns gegenseitig.» Die Rollen innerhalb des Unternehmens sind klar verteilt: Albiera ist Präsidentin von Antinori, Alessia leitet das Art Project, während Allegra sich um ihre Restaurants wie Cantinetta Antinori kümmert. Teamplay alla feminile könnte man sagen.

Doch auch privat sind die Schwestern eng verbandelt. Man trifft sich allerdings meist nicht im Palazzo Antinori in Florenz, sondern in Bolgheri. Hier haben neben Albiera auch ihre Schwestern Allegra und Alessia ein Haus. Und in den ausgedehnten Wäldern geht Albiera gerne auf die Jagd: Diese Leidenschaft teilt sie sich mit ihrem Vater Piero, Onkel Lodovico und Renzo Cotarella.

Donatella Cinelli Colombini: Die Grande Dame des Brunello

Der Wein liegt Donatella Cinelli Colombini im Blut, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Sie wurde hineingeboren in eine toskanische Winzerfamilie in Montalcino, deren Wurzeln bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen.

Heute produziert sie Weine auf zwei Gütern in zwei unterschiedlichen Zonen der Toskana: Casato Prime Donne in Montalcino und Fattoria del Colle bei Trequanda im Orciatal. In beiden Zonen steht Sangiovese im Mittelpunkt. Beide sind aber auch Besitzungen mit langer Geschichte - nicht nur im Weinbau: Casato Prime Donne war noch vor 100 Jahren ein Jagdrevier der Ahnen von Donatella. Und auch Fattoria del Colle wurde einst als Jagdschloss genutzt, es beherbergte auch Peter Leopold von Habsburg (1747–1792), Grossherzog der Toskana, der sich dort mit Contessina Isabella für romantische Nächte traf. Ihr Schlafzimmer mit seinen Deckenfresken wird heute für die Flitterwochen von Paaren genutzt, die in der Fattoria del Colle ihre Hochzeit feiern. Denn die Fattoria del Colle (106 Betten in Appartements, Zimmern und der Villa) dient heute mit Restaurant, Kochschule, drei Gärten und einem Fitnesscenter auch der Gastlichkeit. Donatella Cinelli Colombini liegt der Önotourismus seit jeher am Herzen: Sie hat das Movimento Turismo del Vino und die Cantine Aperte in Italien mitbegründet und Bücher über Marketing im Weintourismus geschrieben.

Donatella Cinelli Colombini tritt aber auch seit Jahren - unter anderem als Präsidentin des Winzerkonsortiums Vino Orcia - für die Weine der Anbaugebiete ein. So war sie auch lange Jahre federführend im Winzerkonsortium des Brunello di Montalcino und wurde 1986 zur Präsidentin der italienischen Donne del Vino gewählt.

Das hat natürlich auch mit der Qualität ihrer Weine zu tun: Casato Prime Donne in Montalcino umfasst 40 Hektar, von denen 17 Hektar mit Sangiovese bepflanzt sind: Eine Idee hinter dem Gut ist, dem Wein wieder die Eigenschaften zu verleihen, die Donatella in jungen Jahren in den Weinen ihres Grossvaters Giovanni Colombini, einer der Pioniere des Brunello di Montalcino, entdeckte: elegante Weine, die vertikal und frisch sind sowie eine starke territoriale Prägung und lange Lagerfähigkeit besitzen.

Eng damit verknüpft sind der Fokus auf Handarbeit und alte Traditionen, wie die Verwendung von Betontanks für die Gärung. Der Brunello reift mindestens zwei Jahre in französischen Eichenfässern von fünf und sieben Hektolitern, danach wird er in 15 bis 40 Hektoliter-Fässer umgefüllt und durchläuft schliesslich eine weitere Reifezeit in Flaschen. Das Besondere an Casato Prime Donne ist jedoch, dass die Weine nur von Frauen gemacht werden: wie der Primo Donne, die Brunello-Selektion von Donatella. Dieser Fokus auf die Weiblichkeit findet seinen Ausdruck auch in der Premio Internazionale Prime Donne, der jedes Jahr an eine von einer Jury ausgewählten Frau für ihre Leistungen vergeben wird.

Nur in den besten Jahren wird die Brunello di Montalcino Riserva IOsonoDONATELLA produziert: Die Flasche ist mit Sternen besetzt, die im Licht leuchten, und in der Mitte werden sie zu einem Frauenring mit einem goldenen Siegel im Inneren. Das hat auch eine Bedeutung: Donatella  hat, bevor sie Weinproduzentin wurde, mittelalterliche Kunstgeschichte studiert. Ihr Fokus lag dabei auf der Goldverarbeitung im Mittelalter. 

Elisabetta Geppetti: Maremma und mehr

Sie sei die Botschafterin der Maremma und ihrer Weine. Ist ein solcher Satz einer Kommunikationsagentur oft etwas übertrieben, so trifft er auf Elisabetta Geppetti zu 100 Prozent zu.

Elisabetta Geppetti ist tief in den Traditionen der südlichen Maremma verwurzelt: Bereits 1992 wurde sie im Gründungsjahr zur ersten Präsidentin des Konsortiums Morellino di Scansano gekürt. Ihre Fattoria Le Pupille liegt auf einem der sanften Hügel zu Füssen des Monte Amiata und nahe dem Meer: 75 Hektar Weinberge werden heute gepflegt, die sich wie viele Mosaiksteine auf verschiedene Teile der Maremma verteilen. Weitere 20 Hektar sind für den Olivenanbau bestimmt, dann wechseln sich Getreide und Korkeichen mit Weiden auf insgesamt 420 Hektar Gesamtbesitz ab.

Die Kellerei selbst wurde Anfang 2000 errichtet und liegt in der Nähe von Istia d’Ombrone nahe Grosseto, sie ähnelt äusserlich eher einem Herrenhaus als einer funktionellen, modernen Kellerei, aber das ist sie in ihrem Inneren. Die Geschichte von Le Pupille begann bereits 1985, als Elisabetta die Universität verliess, um sich von nun an dem Familienweingut zu widmen. Sie pflanzte mit der Unterstützung der toskanischen Önologenlegende Giacomo Tachis Cabernet Sauvignon an und war damit unter den Pionieren eines neuen modernen Weinbaus in der Toskana.

Der Kern des Anwesens liegt rund um das Dorf Pereta, es umfasst insgesamt 25 Hektar, die heute als alte Pupille bezeichnet werden, darunter ein fünf Hektar grosser Weinberg, der die Basis des Saffredi liefert. Auf dem Rebberg Poggio Valente, 1996 erworben, wachsen auf einem sanften Hügel 280 Meter über dem Meer die Trauben für den gleichnamigen Wein. Und in der Nähe von Scansano ist ein vier Hektar grosses Grundstück mit weissen Sorten bepflanzt, während sich direkt vor den Toren von Magliano ein 20 Hektar grosser Weinberg befindet, der für die Produktion von Morellino bestimmt ist.

Längst haben ihre Weine Kultstatus - wie der Saffredi, dessen 30. Geburtstag noch vor Covid-19 mit einer Vertikale im Ten Thirty Private Club in London gefeiert wurde: Elisabetta Geppetti, Eigentümerin des Gutes Le Pupille an der toskanischen Küste, präsentierte gemeinsam mit ihren Kindern Clara Gentili und Ettore Rizzi 19 Jahrgänge von 1987 bis 2017. Die Vertikale mit 19 verkosteten Jahrgängen zeigt auch die stetige Evolution dieser Weinikone: Renommierte Önologen wie Giacomo Tachis, Riccardo Cotarella, Christian Le Sommer und seit 2011 Luca D’Attoma waren dabei vor allem eine Unterstützung.

Denn die Vision eines neuen Weins stammt vor allem von Elisabetta selbst. Und sie ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus: So kreierte sie vor wenigen Jahren den reinsortigen Syrah Le Pupille, der bereits jetzt ein Aushängeschild dieser Rebsorte in Italien ist. Und im Frühjahr 2021 hat sie ihren weissen Piemme vorgestellt: eine Abkürzung für Petit Manseng, den sie 16 Monate in 500-Liter-Tonneaux reifen lässt. Elisabetta Geppetti hat nicht nur einzigartige Weine der Toskana geschaffen und eines der wichtigsten Weingüter der Toskana aufgebaut, sondern daneben auch fünf Kinder grossgezogen, die zum Teil bereits im Betrieb arbeiten: Mit Tochter Clara und Sohn Ettore ist bereits die nächste Generation auf Le Pupille am Werk.