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Besuch bei Engel Evangelos Pattas

Interview: Rudolf Knoll, Fotos: Roland Bauer

Sein Restaurant hat denkbar ungünstige Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein: Kellerlokal, wenig Tische, keinen Garten, keine Parkplätze. Aber dennoch ziert das «Délice» in Stuttgart seit 1996 ein Michelin-Stern. Daran hat sich trotz Eigentümer- und Küchenchef-Wechsel nichts geändert. Evangelos Pattas war hier zunächst Sommelier, wurde 2010 Inhaber – und ist ein Strahlemann.

Vorweg eine neugierige Frage: Mit Ihrem Namen sind Sie trotz Geburt in Belgien eindeutig als Grieche erkennbar. Gibt es da nicht gelegentlich Leute, die Sie mit Retsina, Imiglykos und Gyros in Verbindung bringen?

Über dieses Stadium bin ich lange hinaus. Wenn jemand unsere Speisekarte und dann erst die Weinkarte sieht, weiß er sofort, was bei uns Sache ist.

Dominiert beim Wein nicht doch Griechenland?

Natürlich nicht. Einige ausgewählte griechische Weine gibt es, das bin ich meiner Herkunft schuldig. Die Karte ist international ausgerichtet, mit Weinen aus den klassischen Ländern. Und natürlich habe ich Württemberg berücksichtigt. Diese Weine sind sehr wichtig in meinem Sortiment. Ich trage damit auch der erfreulichen Entwicklung im Ländle Rechnung und freue mich, dass die Genossenschaften ebenfalls Wert auf Qualität legen. Ich schätze zum Beispiel den Lemberger vom Collegium Wirtemberg, das Haus hat tolle Weine.

Was trinkt denn der Chef selbst am liebsten?

Ich lege mich hier nicht fest. Manchmal sind es Weine aus der Heimat. Ansonsten bin ich ein Fan von Riesling, Lemberger und Spätburgunder. Rote Cuvées und Syrah, auch aus Württemberg, gehören ebenfalls zu meinen Favoriten.

Trollinger ist nach wie vor eine wichtige Sorte in Württemberg. Hand aufs Herz, machen Sie um ihn einen weiten Bogen?

Aber nein! Ich mag Trollinger. Die Sorte ist eine Spezialität, die viel Berechtigung hat. Sie ist auch kulinarisch gut einsetzbar und passt nicht nur zum Vesper. Trollinger und Spargel sind zum Beispiel sehr gute Partner.

Sie sind Inhaber eines sehr kleinen Restaurants, das aber schon seit einem Vierteljahrhundert erfolgreich ist. Der Guide Michelin bescheinigt Ihnen, dass Sie ein bemerkenswerter Gastgeber mit viel Herzblut und ein Weinlexikon auf zwei Beinen sind und dass das Tonnengewölbe mit nur sechs Tischen den besonderen Charme ausmacht. Trotzdem, wie kommen Sie, noch dazu in Corona-Zeiten, überhaupt zurecht?

Der Personalaufwand ist gering. Ich schaffe das alles gemeinsam mit meinem Küchenchef Andreas Hettinger, der jetzt sechs Jahre bei mir tätig ist, aber leider in den letzten Monaten durch Corona und die Schließungen der Gastronomie kaum in seiner «Küchen-Bar» tätig werden konnte.

Was hat Ihr Küchenchef für ein Vorleben?

Er war Stellvertreter von Bernhard Diers, dem fast legendären Küchenchef in der «Zirbelstube» des Hotels am Schlossgarten in Stuttgart und dann tätig in einem sehr großen Haus ebenfalls in Stuttgart, das aber heute nicht mehr existiert. Andreas wollte schon vorher zurück zu einem Top-Restaurant. Als mein damaliger Alleinkoch Benjamin Schuster an den Tegernsee wechselte, war ich glücklich mit ihm als Nachfolger. Da wir samstags und sonntags geschlossen haben und sonst erst am Abend öffnen, bleibt für ihn auch die Zeit, das Familienleben zu pflegen.

Wie sieht denn Ihr Tagesablauf aus?

Ich komme gegen 13 Uhr ins Restaurant. Dann checke ich unsere Reservierungen und decke die Tische ein. Wir besprechen die Karte für den Abend, legen das Menü fest, und ich denke über die dazugehörigen Weinempfehlungen nach. Ab 19 Uhr kommen die Gäste und bleiben oft bis Mitternacht. Ich bin normalerweise gegen 2 Uhr morgens fertig, dann muss ich noch nach Hause ins 40 Kilometer entfernte Dettingen an der Ems fahren, wo ich mich am Morgen mit meiner Frau Ute um unseren gemeinsamen Weinhandel et cetera kümmere. Sie steht dann am Nachmittag, wenn ich in Stuttgart bin, im Laden. Hier haben wir übrigens keinen griechischen Wein im Sortiment, dafür aber ein Dutzend deutsche Weine und die Hälfte davon aus Württemberg.

Wer bestimmt im Restaurant, was und wie gekocht wird?

Da hat Andreas alle Freiheiten der Welt. Wir pflegen eine zeitlose, französisch-mediterrane Küche und schätzen beide vor allem regionale Produkte, die wir von zuverlässigen, ambitionierten Erzeugern beziehen. Etwas ungewöhnlich ist, dass auch mal Kohl und Kartoffeln Bestandteil eines Gerichts sind. Das kommt daher, dass mein Küchenchef in Kasachstan geboren wurde und bis zum elften Lebensjahr dort lebte. Der Vater ist Deutscher, die Mutter stammt aus der ehemaligen Sowjetrepublik. Sie hat ihn ein bisschen geprägt. Aber ansonsten hat er sehr viel von der Zusammenarbeit mit Bernhard Diers profitiert.

Was können Sie besonders empfehlen?

Grundsätzlich gilt für uns, dass wir keinen Firlefanz wollen. Es gibt Küchenchefs, die zaubern richtige Gemälde auf die Teller, so dass man raten muss, was man speist. Und es schmeckt dann langweilig. Ich empfehle besonders gern unsere Desserts, die haben Zwei- bis Drei-Sterne-Niveau. Andreas arbeitet oft mit Kräutern und streut manchmal sogar so etwas Ungewöhnliches wie Spinat ein. Was er macht, ist immer perfekt, nie zu süß, in wunderbarer Balance.

Was mag der Chef, neben der Sterne-Küche, besonders gern?

Ich mag zum Beispiel klassische Schmorgerichte vom Rind. Auch Linsen mit Spätzle werden nicht verachtet. Und ich liebe Schokolade.

Bleibt noch Zeit für Hobbys bei Ihrem Doppeljob Restaurantchef und Weinhändler?

Mein Beruf ist mein Hobby, aber nicht nur. Ich koche gerne, reise, so oft es möglich ist, höre viel gute Musik, lese in meiner Freizeit. Zuletzt habe ich «Dreck» regelrecht verschlungen, ein tolles Buch eines amerikanischen Journalisten über seine kulinarischen Erlebnisse in Frankreich. Ansonsten sitze ich gern mit Freunden zusammen. Um fit zu bleiben, spiele ich Tennis. Und ich freue mich, dass der VfB Stuttgart recht erfolgreich in der Bundesliga auftritt. Vorstandschef Thomas Hitzlsperger ist übrigens ein Fan unseres Restaurants.