Ein Insider-Wein, der nach mehr Beachtung strebt

Le Crock: Es lebe die Vielfalt

Text & Fotos: Rolf Bichsel

Isabelle Davin ist seit 22 Jahren Weinmacherin auf Château Le Crock, aber auch auf Léoville Poyferré, das ebenfalls im Besitz der Familie Cuvelier steht. Sie kennt das Gut in Saint-Estèphe folglich wie ihre Westentasche.

«Wein verweigert jede Art von Uniformität», schrieb der britische Autor Andrew Jefford. «Dieser Satz beschreibt exakt meine Weinphilosophie», sagt Isabelle Davin, «denn gerade im Herausarbeiten der Unterschiede und Facetten eines Weins liegt der Zauber des Abenteuers, das jedes Jahr neu beginnt.» Darum wird der tüchtigen Weinfachfrau nie langweilig, und darum sind 22 Jahre wie im Flug verstrichen.

Le Crock ist nicht nur eine echte Herausforderung, sondern auch eine Bereicherung ihrer Arbeit. Im Gegensatz zum verhältnismässig einheitlichen Terroir von Saint-Julien ist hier in der zweitgrössten Médoc-Weingemeinde die Geologie viel komplexer, vielfältiger. Zum Gut gehören 32 Hektar Reben, die auf drei Zonen verteilt sind, was die sprichwörtliche Vielfalt noch erhöht. 1932 wurde das alte Gut, das bis heute nur drei Familienbesitzer kannte (die Fatins bis 1788, die Mermans bis 1903 und seither die Cuveliers) als Cru Bourgeois Superieur ausgezeichnet und 2020 als Cru Bourgeois Exceptionnel.

Als Isabelle Davin, noch keine 25 Jahre alt, ihre Arbeit aufnahm, gaben ihr die Cuveliers eine klare Aufgabe: «Saint-Estèphe ist für besonders kräftige Weine bekannt. Daran fehlt es Le Crock nicht. Doch wir möchten mehr Samtheit, Ründe, Grosszügigkeit.» Heute ist Le Crock hervorragend gemacht und ausbalanciert, doch er gilt weiter als Insiderwein. «Le Crock verdient mehr Beachtung!», sagt Isabelle mit Nachdruck, und das kommt aus vollem Herzen.