World of Champagne 2023 • Emmanuel und Charles Fourny haben in den letzten 30 Jahren Champagnergeschichte geschrieben

Champagner-Talk mit Veuve Fourny

Interview: Barbara Schroeder, Fotos: Rolf Bichsel und Barbara Schroeder

Mit ihren beeindruckenden Weinen haben Emmanuel (oben Mitte) und Charles Fourny (rechts) in den letzten 30 Jahren Champagnergeschichte geschrieben. Barbara Schroeder traf sie zum spannenden Austausch.

B.S.: Wir kennen uns seit fast 30 Jahren. Ihr habt euch kaum verändert. Ihr gleicht immer noch den beiden netten Jungen von nebenan, denen man gar nicht recht zutraut, erfolgreich eine Bude zu leiten. Doch wenn man eure Weine verkostet, verpufft dieses Bild und macht einem anderen Platz: dem von zwei absoluten Könnern, zwei meisterhaften Champagner-Schöpfern, deren Weine seit langem zu den besten Schäumern der Welt gehören.

Charles: Wenn ich das richtig verstehe, müssen wir grimmig dreinblicken, wollen wir ernst genommen werden! B.S.: Oder gestehen, dass ihr im Keller ein Weinmachendes Heinzelmännchen als Geisel festhaltet.

Emmanuel: Bin ich damit gemeint? Aber ganz im Ernst: Es gibt keine Zaubertricks und schon gar nicht im Keller. Unsere Eltern haben uns erstklassige Reblagen vermacht. Neu war vor 20 oder 30 Jahren, dass wir uns dessen bewusst wurden und dies auch kommunizierten, bereits früh von Lagen, Crus, Stil und Terroireinfluss sprachen.

Charles: «Traditionelle» Weinhändler kannten das nicht. Champagner war eine Assemblage, ein Markenstil. Ausdrücke wie Eigencharakter oder Kleinlage waren negativ vorbelastet. «Weinige» Champagner galten als Merkmal und Schwäche der Winzer. Nur die Grossen hatten gemäss dieser Philosophie die Möglichkeit, Jahr für Jahr in Riesenauflage stilistisch identische Schaumweine auf den Markt zu bringen.

B.S.: Das hat sich heute total geändert. Kleinlagencuvées und Spezialabfüllungen sind in, auch bei den grössten Marken, und alle sprechen sie von Terroir!

Emmanuel: In der Champagne herrscht ein Paradox, das vielleicht gerade ihren Erfolg erklärt. Nehmen wir Bordeaux. Da gibt es Grands Crus, denen es gut geht, die weltweiten Erfolg haben mit ihren exklusiven, teuren Weinen. Doch die restlichen über 90 Prozent der Bordeaux-Winzer nagen am Hungertuch. Hier haben heute sowohl die Produzenten Erfolg, die einfache, festliche Champagner für jeden anbieten, und die Produzenten, die echte Terroirweine schaffen, egal, ob es sich dabei um Winzer, Genossenschaften oder grosse Marken handelt. Gerade letztere haben oft beides auf Lager. Charles: Wir hingegen adressieren uns ganz klar an den Geniesser, der den Wein im Champagner sucht. Weil wir beide den Wein im Champagner mögen.

Emmanuel: Wir haben damit begonnen, Champagner zu produzieren, wie wir sie mögen. Erst danach haben wir Kunden gesucht, die sich dafür interessierten.
Charles: Die erstklassigen Rebberge unserer Familie hier in Vertus haben uns dabei eindeutig geholfen.

B.S.: Vertus ist aus historischen Gründen ein Premier Cru, doch mit Rebbergen auf Grand-Cru-Niveau...

Charles: Richtig. Es gibt hier grosse Chardonnay-Lagen wie im Rest der Côte des Blancs, aber ebenfalls grosse Pinot-Noir-Terroirs. Doch unsere Pinots besitzen einen ausgeprägteren Charakter, mehr Biss als die Pinots der Montagne de Reims. Das gefällt den einen ganz besonders und den anderen gar nicht.

Emmanuel: Du hast die Wahl: Du lässt deinem Wein den Terroircharakter, du unterdrückst ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln oder du lässt ihm den Charakter und machst Weine für Kenner. Im ersten Fall wird der Wein verbindlicher, gefälliger und kommt so vielleicht bei einer grösseren Menge an. Wir haben uns klar für die zweite Möglichkeit entschieden.

Charles: Wir verzichten zum Beispiel auf eine mechanische Filtrierung der Grundweine. Sie werden einzig «geklärt». Wir dosieren möglichst wenig, haben aber im Gegenzug den Stock unserer so genannten Reserveweine, die länger reifen und so einer Assemblage mehr Schliff und Pfiff verleihen, ausgebaut, aber nicht auf Kosten von Konsistenz, Weinigkeit, Ausdruck oder Mineralität.

Emmanuel: Ein gutes Beispiel sind unsere Rosés. Als wir hier unsere Arbeit aufnahmen, feierten Chardonnay und Rotwein die Scheidung vor der Hochzeit! Sie spielten überhaupt nicht zusammen. Wir haben daraufhin lange an unseren Rosés gefeilt. Heute verwenden wir Blanc de Noirs (aus Vertus-Pinot-Noir) ergänzt durch gereifte Chardonnay-Reserveweine, die sich viel besser mit dem Rotwein vermählen, als Basis.

«Kenntnis der Terroirs ist eine Sache. Doch sie nützt wenig, wenn am Tag der Ernte doch alle Trauben in den gleichen grossen Tank kommen.»

Emmanuel Fourny

B.S.: Jetzt verstehe ich erst recht, warum Fourny-Rosés zu den besten der Champagne zählen! Aber erzählt doch mal, wie das alles begonnen hat.

Charles: Wir haben unsere Arbeit hier in der schlimmsten Epoche aufgenommen, in den 1990er Jahren, als die Champagne in der Krise steckte. Uns war klar, dass wir nur dann Erfolg haben würden, wenn wir Produkte anbieten konnten, die keinen anderen glichen. Statt uns mit unseren Schwächen herumzuschlagen (kleiner Familienbetrieb, nur in einem Premier Cru angesiedelt) –...

Emmanuel: ...hier ist einzufügen, dass damals niemand von Premiers Crus sprach oder auf dem Etikett erwähnte. Einzig die Grand-Cru-Dörfer zählten –...
Charles: ...nahmen wir ein weisses Blatt Papier zur Hand und notierten Schritt für Schritt unsere Stärken. Zum Auslöser wurde das Clos hier gleich vor dem Haus (Clos du Faubourg Notre-Dame).

Emmanuel: Es zeigte sich, dass die Eltern die Grundweine dieser Parzelle Jahr für Jahr für den Millesimé-Champagner verwendeten. Wir wollten wissen, warum, und liessen Boden und Untergrund analysieren. Das führte dazu, dass wir immer mehr Löcher gruben und so unsere Böden immer besser kannten. Wir konnten so etwa belegen, dass es hier Kreidelagen gab, die exakt denen von Le Mesnil entsprechen. Natürlich spielte dabei auch die Tatsache mit, dass ich vorher in anderen Regionen gearbeitet hatte, wo der Terroirausdruck stärker in der Mentalität verankert war als hier. Hier sprach man höchstens vom Stil der Dörfer.

B.S.: Doch gerade Vertus belegt, wie unsinnig das ist!

Emmanuel: Die Bodenanalyse und Kenntnis der Terroirs ist eine Sache. Doch sie nützt wenig, wenn dann am Tag der Ernte doch alles in den gleichen Tank kommt. Erst als wir uns einen für damalige Verhältnisse luxuriösen Keller voller kleiner Tanks leisteten, konnten wir die Theorie zur Praxis machen. Plötzlich hatten wir ganz ähnlich wie die grossen Häuser Elemente zur Verfügung, mit den wir spielen, unsere Cuvées komponieren konnten.

Charles: Ja, vorher galten wir als kleine Produzenten, die gar nichts anderes konnten, als «kleine Champagner» zu produzieren.

B.S.: Ihr habt nicht nur bewiesen, dass auch Kleinbetriebe grosse Champagner keltern können, sondern auch dafür gesorgt, dass auch die Grossbetriebe diese Tatsache anerkennen. Dafür verdient ihr eine virtuelle Medaille!