World of Champagne 2023 • Kreativität und Fortschrittsdenken

Champagnerhaus Ruinart

Mit Frédéric Panaïotis, Fotos: z.V.g.

Mit dem Landart-Werk des Künstlers Nils-Udo mitten in naturnah bestellten Rebparzellen setzt das Champagnerhaus Ruinart sich für die Umwelt ein und vermittelt kreativ Nachhaltigkeit und Schutz der Artenvielfalt.

Ruinart ist ein Theaterstück in zwei Akten. Alles begann mit der Gründung im Jahr 1729 durch Nicolas Ruinart, den Neffen des Benediktinermönchs Dom Thierry Ruinart, dem unsere legendäre Jahrgangscuvée gewidmet ist. Die Ruinarts waren eine besonders erfindungsreiche Familie. Im 18. Jahrhundert erwarben sie die alten Stollen in Reims, die seit der Römerzeit in den kreidehaltigen Untergrund gehauen wurden, um Baumaterial zu gewinnen, und begründeten damit die Tradition, den Champagner unter der Erde ruhen zu lassen. Die längere Flaschenreife bei gleichbleibender Temperatur und im Dunkeln führte zu einer deutlichen Verbesserung des Champagners. Ruinart besitzt stolze acht Kilometer dieser Stollen, wahre Kathedralen des Weins. Sie reichen auf zwei Niveaus bis 40 Meter unter die Erde und sind bis heute in Betrieb. Unsere Keller sind die einzigen in Reims, die als historische Stätte zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurden. Bereits 1764 hat Ruinart auch seinen ersten Rosé ausgeliefert. Der Rosé ist und bleibt eine Besonderheit für Ruinart. Unser Markenzeichen sind Champagner auf Chardonnay-Basis. Nur der Rosé folgt dieser Regel nicht. Er besteht aus rund 55 Prozent Pinot Noir. Davon werden etwas weniger als 20 Prozent als Rotwein vinifiziert.

Ihre Verdienste rund um den Champagner brachten der Familie Ruinart 1817 das Adelspatent ein. Als Ruinart de Brimont bestimmten sie die Geschicke des Hauses bis zum Ersten Weltkrieg. Die schwierigen Jahre, die folgten, bremsten den Elan, doch Ruinart überlebte. Nach dem Zweiten Weltkrieg feierten Ruinart-Champagner hingegen sehr rasch wieder Erfolge, dank Bertrand Mure, dem letzten Vertreter der Familie. Mit der Devise «Ruinart, un champagne qu’on peut boire de neuf heures du matin à neuf heures du matin le lendemain!». setzte er sich erfolgreich für zugänglichere, luftige, elegante Champagner ein. Der Chardonnay wurde zur Basis der Ruinart-Weine.

Respekt vor Tradition und Geschichte, durchmischt mit Erfindergeist und zeitgemässem Denken: Das entspricht exakt dem Geist von Ruinart. Draussen im Hof stehen zwei Statuen. Eine stellt Dom Ruinart dar, in Bronze gegossen. Die andere stammt vom katalonischen Künstler Jaume Plensa und ist resolut modern. Die zahlreichen Besucher aus aller Welt, die unsere historischen Kreidekeller besuchen wollen, werden schon bald in einem postmodernen Gebäude empfangen, das von einem japanischen Architekten entworfen wurde. Unsere Flaschen haben eine traditionelle Form, doch verpackt werden sie in einem kreativen Papierkleid, das symbolisiert, woher sie letztlich stammen: aus der Kreide. Wenn ich etwas nicht missen möchte an Ruinart, ist es die Mischung aus Traditionsbewusstsein und Fortschrittsdenken.

«Die neuen Verpackungen aus voll recycle- barer Zellulose aus umweltgerecht verwalteten Wäldern passen auf unsere Blanc de Blancs wie eine zweite Haut!»

Frédéric Panaïotis

Wir haben einiges erreicht in den bald 300 Jahren unseres Bestehens. Maison Ruinart besitzt einen hervorragenden Ruf, unsere Weine finden grossen Anklang. Doch man kann immer etwas verbessern. Die grüne Revolution ist ausgebrochen, die Umwelt ist in den Fokus gerückt, auch bei Ruinart. Wir pflanzen Bäume und Hecken, begrünen unsere Böden und stützen uns dabei nicht nur auf unsere eigene Erfahrung, sondern auch auf den Austausch mit Partnern in der ganzen Welt.

Ein gutes Mittel, Botschaften zu vermitteln, ist die Kunst. Wir arbeiten seit über hundert Jahren mit Künstlern zusammen, profitieren von deren Erfahrungen, ihren Reflektionen, der Auseinandersetzung mit einer Thematik. Das gilt ganz besonders für unser letztes Abenteuer gemeinsam mit dem bekannten, 1937 geborenen deutschen Landart-Künstler Nils-Udo. Er hat unsere erstklassige und herrlich gelegene historische Rebparzelle von Tassy in der Montagne de Reims zum Ort seines Werkens auserkoren. Tassy, das sind 40 Hektar einer Premier-Cru-Lage, die mit Chardonnay und Meunier bepflanzt ist, naturnah bestellt wird und mit dem HVE-Label für hohe Umweltverträglichkeit ausgezeichnet wurde. Sie stösst an die ausgedehnten Wälder von Monbré, einem grossen Reservoir der Artenvielfalt. Mitten in den Reben hat Nils-Udo drei Stämme von lokalen Eichen aufgerichtet und mit einem Aufsatz aus Rebholz versehen, einem regelrechten Vogelnest, als Symbol für unsere Anstrengungen, die Natur zurück in den Weinberg zu bringen. In die Stämme wurden Löcher gebohrt, in denen Insekten, zum Beispiel wilde Bienen, Unterschlupf finden. Das Kunstwerk ist vergänglich wie alles in der Natur, aber weil es ausschliesslich aus lokalem, natürlichen Material errichtet wurde, wird es sich von selber recyclen.

Nils-Udo nennt sein Werk «Habitats». Das symbolisiert ideal, in welche Richtung wir arbeiten wollen. Wir haben in einem Jahr bereits uüber 12 000 Bäume und Sträucher gepflanzt, fast ausschliesslich lokale Arten wie Eiche, Weissdorn, Buche, Kornellkirsche oder Eberesche. Wir setzen alles daran, unsere Böden so zu bestellen, dass sie leben, atmen und Gras und Blumen tragen. Die Karbonbilanz verbessern wir mit unseren neuen Verpackungen aus voll wiederverwertbarer Zellulose, die aus Wäldern stammt, die nach der Umweltnorm FSC verwaltet werden. Sie passen auf unsere Blanc de Blancs wie eine zweite Haut und schützen sie vor schädlichem Licht. Ähnliche Anstrengungen unternehmen wir auch im Keller. Anstatt zum Beispiel unsere Trauben herunterzukühlen, was viel Energie kostet, versuchen wir heute, möglichst fruüh am Morgen zu ernten. Und in unseren neuen Kellergebäuden aus lokalem Naturstein werden wir Erdwärme nutzen.

Die besondere Charakteristik unserer Weine ist und bleibt die aromatische Frische und Leichtigkeit, die Cremigkeit und Eleganz. Daran soll auch der Klimawandel nichts ändern, selbst, wenn wir noch härter arbeiten müssen. Der aktuell ausgelieferte Jahrgang 2010 unseres legendären Dom Ruinart ist ein gutes Beispiel. 2010 war kein ganz einfaches Jahr, besonders für die roten Sorten. Doch die Chardonnays sind ausgezeichnet geraten. Sie besitzen Frische, aber auch Grosszügigkeit. Die zwölf Jahre der Flaschenreife in unseren Kreidekellern hat dem Jahrgang gut getan. Trotzdem wirkt der 2010er noch sehr jugendlich! Wenn wir heute auch in diesem etwas atypischeren Jahr einen überwältigenden Dom Ruinart präsentieren können, ist das nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass die Flaschen (die ja erst nach dem Degorgieren endgültig verkorkt werden) vor der Kellerlegung nicht mit Kronkorken, wie sonst üblich, sondern mit Kork verschlossen wurden. Im Gegensatz zu dem, was man denken könnte, schützt der Kork den Wein besser. Provisorisches Verkorken ist weit aufwendiger, weil die Flaschen von Hand degorgiert werden müssen. Doch der Aufwand lohnt sich. Er fördert ganz besonders die aromatische Entwicklung.