Wein oder Liebe? Beides!

Winzer-Paare

Text: Alice Gundlach, Fotos: gettyimages/oxinoxi, gettyimages/stocknshares, David Maurer, z.V.g.

Die Liebe, sagt man, versetze Berge. Weinberge jedoch vermag sie nicht zu versetzen. Kommen zwei Liebende mit je einem Weingut aus derselben Region, wird nach der Hochzeit einfach fusioniert. Heutzutage zieht es Winzer in ihrer Ausbildung aber in die weite Welt hinaus, und das bleibt nicht ohne Folgen. Wer seine bessere Hälfte dann in einem anderen Anbaugebiet findet, muss neu denken. Vier Winzer-Paare erzählen von ihren Fernbeziehungen – entweder mit dem Partner oder mit dem eigenen Weingut.

 


EVA CLÜSSERATH | Mosel & PHILIPP WITTMANN | Rheinhessen

Terroir gibt's nur vor Ort

Als Philipp Wittmann und Eva Clüsserath im Jahr 2000 ihr Studium an der Wein-Hochschule Geisenheim beendeten, stand für sie beide schon fest: Die gemeinsame Zukunft wird überwiegend in Rheinhessen stattfinden. Das hatte auch mit der Grösse der Betriebe zu tun: Das VDP-Weingut Wittmann in Westhofen hat 40 Hektar Rebfläche, das Weingut Ansgar Clüsserath in Trittenheim gerade einmal fünf. «Am Anfang hatte ich sogar vorgeschlagen, dass wir den Mosel- Keller nach Westhofen verlegen. Heute bin ich froh, dass Eva sich dagegen gewehrt hat», gibt der 45-Jährige zu. Schliesslich finden es beide wichtig, dass ihre Weine Terroir-Prägung haben – und dazu gehört eben auch der Ausbau vor Ort.

Jedes zweite Wochenende fahren sie zusammen mit den sechs- und zehnjährigen Kindern nach Trittenheim, in der Zwischenzeit kümmern sich Evas Eltern darum, dass es an der Mosel läuft. «Unsere Kinder unterhalten sich jetzt schon darüber, wer einmal welches Weingut übernimmt», schmunzelt Philipp. Seit Eva die Verantwortung im elterlichen Weingut hat, erhöhte sie den – für Moselverhältnisse schon vorher hohen – Anteil an trockenen Weinen noch einmal. «Ich mag es richtig trocken, also nicht ‹moseltrocken›, was eigentlich feinherb ist», erklärt die 43-Jährige. Ihr Mann produziert sogar zu 98 Prozent trockene Weine, denn: «Je trockener, desto mehr Herkunftsprägung.» Im Finetuning unterscheiden sich ihre Ansätze allerdings: Während er Wert auf besonders klare und kühle Weine legt, arbeitet sie mit einer längeren Gärung, die den Weinen Schmelz verleiht. Beide vergären aber alle Weine spontan und sorgen für eine akkurate Laubarbeit und Traubenselektion.

Dass die beiden Weingüter unterschiedliche Hauptarbeitszeiten haben – in Rheinhessen beginnen Lese, Gärung und Abfüllung jeweils einige Wochen früher –, ist überwiegend von Vorteil. So können etwa Erntehelfer aus Rheinhessen auch einige Wochen an der Mosel anpacken, oder der Kellermeister aus Westhofen hilft in Trittenheim bei der Filtration. Aber: Man muss auch zwei Zeitpläne im Kopf behalten. «Philipp schlug einmal vor, im Januar in Urlaub zu fahren», erinnert sich Eva. «Ich sah ihn irritiert an und sagte: Dann ist an der Mosel die Hauptgärzeit!»

Obwohl die beiden grossen Wert darauf legen, dass ihre Betriebe eigenständig sind, konnten sie im letzten Jahr zu einem Partner- Experiment überredet werden. Carsten Henn, Chefredakteur von VINUM Deutschland, liess sie für seine «Deutsche Weinentdeckungsgesellschaft» www.weinentdeckungsgesellschaft.de den «Wechselstrom» produzieren. Dabei handelt es sich um eine Riesling-Cuvée aus keinen geringeren Lagen als Westhofener Morstein und Trittenheimer Apotheke.

Es würde ihn nun allerdings auch reizen, gesteht Phillip Wittmann, einmal einen eigenen Wein von den Weinbergen seiner Frau zu machen, «aber sie lässt mich ja nicht». – «Ja, weil du dafür die Trauben von den 1-a-Lagen haben willst, und die brauche ich schon selbst!», entgegnet Eva Clüsserath. «Na ja, vielleicht würde ich ja auch 1-b-Lagen nehmen», murmelt ihr Gatte grinsend.

Zu den Weinen von Eva & Philipp

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MEIKE NÄKEL | Ahr & MARKUS KLUMPP | Baden

Von A nach B

«Man weiss ja um die Gefahr, wenn man in Geisenheim studiert, dass man dort jemanden kennenlernen könnte, der von woanders herkommt», sagt Meike Näkel heute. Als die 39-Jährige und ihr Mann Markus Klumpp (40) sich dort trafen, waren sie zunächst nur locker befreundet.

Gefunkt hat es letztendlich noch ferner der Heimat: in Südafrika. Während der Semesterferien arbeitete Meike im Partnerweingut des elterlichen Betriebes, Neill Ellis, in Stellenbosch. Just zur selben Zeit war Markus dort auf einer Studienexkursion. «Durch Zufall haben wir uns da in einer Studentenkneipe getroffen», erinnert er sich.

Sie wurden ein Paar, kehrten nach Deutschland zurück – dann lief es erstmal so weiter. «Wenn man studiert, muss man sich ja noch nicht so die Gedanken machen», sagt Meike. «Danach sind wir eben einfach gependelt zwischen der Ahr und Baden.» Immerhin 250 Kilometer sind das. «Aber wir wollten uns nicht in die Lage bringen, dass irgendwann einer sagt: Wegen dir habe ich damals nicht...», erklärt sie.

Bei zwei Erwachsenen ist das Pendeln noch nicht so belastend. Aber dann kommen die Kinder. «Auch mit einem Kind war die Fahrerei noch machbar – mit drei Kindern aber nicht mehr.» Deshalb einigten sich die beiden darauf, die Lasten zu verteilen: Markus ist unter der Woche in Bruchsal, nimmt drei Stunden Fahrt am Wochenanfang und -ende auf sich, und Meike bleibt in Dernau mit den Kindern.

«Das wird auch so bleiben, weil jeder in seinen eigenen Betrieb Herzblut steckt», erklärt Markus. Er und sein jüngerer Bruder Andreas hätten das elterliche Weingut «komplett gedreht». Die angegliederte Besenwirtschaft haben sie eingestellt, um sich nur noch dem Weinmachen zu widmen. Dafür wurde etwa die Anzahl der Barriques aufgestockt und das Sortiment halbiert. Dass er trotzdem noch eine Fernbeziehung mit seiner Frau und seinen Kindern führen kann, dafür seien seine eigenen Eltern unerlässlich. Markus und sein Bruder sind die zweite Generation des Familienbetriebs. Ihre Eltern hatten mit einem halben Hektar Wein und der Wirtschaft begonnen. «Meine Eltern haben es mir vorgelebt, wie man die wenige Zeit, die einem neben dem anspruchsvollen Winzerberuf bleibt, gut in die Familie investiert.»

Meike führt den Betrieb an der Ahr mit ihrer jüngeren Schwester Dörte. Ihre Eltern lernten sich beim Lehramtsstudium kennen, der Vater stieg aber nie in den Schulbetrieb ein, sondern verwandelte den 1-Hektar-Nebenbetrieb des Grossvaters in einen der renommiertesten Betriebe der Region.
Neben ihren eigenen Kollektionen haben die beiden die gemeinsame Weinlinie «Hand in Hand» kreiert, «um in Weinform rüberzubringen, wie sehr sich jeder in der Heimat des anderen wohlfühlt». Die Trauben für Spätburgunder, Grauburgunder und Rosé-Sekt kommen alle aus Baden. «Wir haben an der Ahr einfach keine zusätzlichen Flächen bekommen», erklärt Meike. Den Ausbau gestalten die beiden dann aber zusammen. Das Etikett sollte eine Geschichte erzählen: Deshalb sieht man auf der Flasche einen Weg von «A» (Ahr) nach «B» (Baden) abgebildet.

Zu den Weinen von Meike & Markus

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JULIA BERTRAM | Ahr & BENEDIKT BALTES | Franken

Egal wo, Hauptsache, Spätburgunder

«Hätte sich jeder von uns jemanden von der Mosel genommen – es wäre einfacher gewesen», scherzt Benedikt Baltes. Dabei stammt der 34-Jährige, ebenso wie seine Frau Julia Baltes (29), geborene Bertram, von der Ahr. Kennengelernt haben sie sich, lange bevor sie ein Paar wurden, in der Jungwinzervereinigung SchlAhrVino. Benedikt stammt jedoch aus einem Betrieb, der nur Trauben verkauft. Er wollte aber schon immer sein eigenes Weingut. «Doch an der Ahr werden alle Weingüter von den Kindern übernommen.»

Dann wurde das Weingut der Stadt Klingenberg frei – in Franken, 230 Kilometer von zu Hause entfernt. «Aber es passte, weil das Weingut, da in Churfranken, auch den Spätburgunder-Schwerpunkt hat.» Ihn reizte zudem, dass das Traditionsweingut, VDP-Mitglied überdies, alte Reben und beste Lagen anzubieten hatte.

Verliebt hat er sich dann aber doch an der Ahr. Schon am Anfang, im Jahr 2012, wurde ihrer Beziehung einiges abverlangt: Julia war gerade Deutsche Weinkönigin geworden und jettete ein Jahr lang durch die Welt. «Wenn ich einmal frei hatte, habe ich meist in Klingenberg übernachtet – das ist viel näher am Frankfurter Flughafen als Dernau», sagt sie grinsend. Und auch danach verbrachten die beiden ihre meiste Zeit in Franken, obwohl Julia sich gleichzeitig einen Namen mit ihrem eigenen Weingut an der Ahr machte, das sie aus dem Familienbetrieb heraus gründete.

«Was wir damals in Klingenberg gemacht haben, dafür wären wir heute zu vernünftig», meint Benedikt. «Wir haben von heute auf morgen alles umgekrempelt, die ganze Stammkundschaft vor den Kopf gestossen. Wir haben die Grossen Gewächse jedes Jahr um zehn Euro teurer gemacht und auf Biodynamik umgestellt. Es konnte nicht schnell genug gehen. Da passieren dann aber auch wichtige Fehler, die man machen muss.» Dass er sich trotzdem mit seinen Ideen durchsetzen konnte, dafür war der Abstand zur alten Heimat offenbar förderlich – so konnte keiner reinreden. «Benedikts Eltern haben den Wahnsinn immer erst dann mitbekommen, wenn wir’s schon gemacht hatten», lacht Julia. Seit zwei Jahren heisst das Klingenberger Weingut offiziell «Weingut Benedikt Baltes».

Dann kam vor eineinhalb Jahren Sohn Anton auf die Welt. Seitdem ist Julia wieder mehr an der Ahr, wo die Grosseltern nah sind. Die nächsten Projekte planen die beiden auch dort: Zum einen wollen sie ein neues Weingutsgebäude am Ortsrand von Dernau bauen. Zum anderen planen sie, dort einen Weinberg in Bäumchen-Reberziehung zu bepflanzen, also ohne Draht und Stöcke.

Beim An- und Ausbau der Weine machen sie vieles gleich: spontane Vergärung, Holzfässer aus dem Spessart, nachhaltiges Wirtschaften, um Rebanlagen lange zu erhalten. «Die Unterschiede kommen nur durch die jeweiligen Böden.» Julias Weine sind geprägt von Schiefer und Grauwacke, Benedikts Weinberge erstrecken sich überwiegend auf Buntsandstein. «Wir sehen uns als einen Betrieb mit zwei Standorten.» Auch beim Weintrinken hätten sie den gleichen Geschmack, berichtet Julia: «So sehr, dass unsere Eltern manchmal schon die Augen verdrehen.»

Zu den Weinen von Julia & Benedikt

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CAROLIN WILLEMS | Saar & JÜRGEN HOFMANN | Rheinhessen

Schiefer trifft Muschelkalk

Es war im Jahr 2001, da beschloss ein Kerbejahrgang aus Appenheim (der zusammen die Kerb, Kirmes, organisiert hatte), zur Jungweinprobe nach Leiwen an der Mosel zu fahren. Mit dabei: Jürgen Hofmann, Geisenheim-Absolvent und damals angestellter Weinmacher. Dort wurde die Weinbaustudentin Carolin Willems von der Saar, angereist mit befreundeten Winzern aus ihrer Heimat, auf die Gruppe aufmerksam. Man rückte zusammen, es wurde ein lustiger Abend, und zum Schluss lud Carolin den jungen Appenheimer zum nächsten Hoffest ins elterliche Weingut ein. «Und da stand er dann vor der Tür.»

Bereits noch während des Studiums zog Carolin nach Rheinhessen, arbeitete zuerst in verschiedenen anderen Weingütern und im Vertrieb eines Weinimporteurs. 2006 wurde es dann ernst. Jürgen beschloss, das Weingut von seinem Vater zu übernehmen. Und Carolin einen Antrag zu machen. Die heute 39-Jährige erinnert sich gut an die erste Reaktion ihrer Familie: «Als wir verkündeten, dass wir heiraten wollen, sagte meine Mutter als Erstes nicht etwa ‹Wie schön!›, sondern fragte entsetzt: ‹Und unser Weingut?!›»

Dabei habe nie zur Debatte gestanden, das Weingut an der Saar aufzugeben. «Schliesslich war zu diesem Zeitpunkt die Saar auch gerade wieder im Aufschwung.» Für Jürgen Hofmann, heute 48, wäre es aber auch nicht denkbar gewesen, dorthin umzuziehen: «Ich wäre dort untergegangen. Die rheinhessische Mentalität ist eben einfach offener», findet er.

Sie arrangierten sich damit, dass sie zumindest während der Lese getrennt waren. Carolins Eltern waren ja auch noch im Betrieb tätig. Dann kam 2007 Töchterchen Johanna auf die Welt. Um beide Weingüter zu erhalten, und trotzdem eine Familie sein zu können, entschieden sich die Eheleute, an der Saar einen Betriebsleiter einzustellen. Mittlerweile haben die Hofmann-Willems drei Kinder, die Grosseltern von der Saar kommen, sooft es geht, und zwischendurch lassen sie sich von Au-pairs unterstützen. Der Sonntag ist heilig – den halten sie sich grundsätzlich als ihren Familientag frei.

Optisch sind die beiden Weingüter zusammengewachsen. Die Ausstattungen der Flaschen verweisen darauf, dass hier ein Thema in zwei Variationen gespielt wird, ebenso wie der gemeinsame Slogan «Schiefer trifft Muschelkalk». Jürgen Hofmann betont: «Beide Weingüter ergänzen sich schön.» Beide produzieren fast ausschliesslich Weisswein, in Rheinhessen trocken, an der Saar kommt der Riesling öfter feinherb in die Flasche. Sie beide tränken selbst auch sehr gerne Rotwein, «aber den kaufen wir uns dann eben». Während Carolin Spätburgunder aus Deutschland und Frankreich bevorzugt, mag Jürgen «auch gerne Freakiges, zum Beispiel von der Rhône».

Unterschiedliche Ansichten haben sie, was den Weinanbau betrifft. Carolin ist begeistert von ganzheitlichen Ansätzen, wozu für sie nicht nur nachhaltiges Arbeiten gehört, sondern auch das Zusammenspiel von Energien. «Ich bin da etwas rationaler», meint Jürgen. Dennoch sind auch seine Weinberge begrünt, und er ist von Fair’n Green zertifiziert. Carolin findet: «Man soll offen für alles Neue sein. Das sage ich auch den Kindern.»

Zu den Weinen von Carolin & Jürgen

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