Die waadtländer Winzer setzen auch mit roten Spezialitäten starke Akzente: wie dem Plant Robert und dem Servagnin

Von Profis verkostet: Rote Spezialitäten aus der Waadt

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Lukas Lienhard

Waadtland ist Chasselas-Land. Doch die Winzer setzen auch mit roten Spezialitäten starke Akzente. Etwa mit dem im Lavaux heimischen Plant Robert, einer lokalen Gamay-Selektion. Und dem Servagnin aus der Region von Morges, dem wohl ältesten Pinot-Noir-Klon in der Schweiz. Beide Urgewächse sind Garanten für eigenständige Weine.

Wer im Internet nach Informationen zu dem Gamay-Biotyp Plant Robert sucht, stösst zuallererst auf den Rockmusiker Robert Plant, der von 1968 bis 1980 der Leadsänger der britischen Hardrockband Led Zeppelin war. Wie der Musiker zu seinem Namen kam, wissen wir nicht, der Name der Gamay-Selektion soll jedoch vom französischen Verb «dérober» abstammen, das sich mit «stehlen» oder «entwenden» übersetzen lässt. Wer die Rebe nun wann und wo gestohlen haben soll, liegt (noch) im Dunkeln. Sicher ist, dass sich die Sorte Gamay im Lavaux, besonders im Umkreis der Dörfer Epesses und Cully, über die Jahrhunderte den lokalen Gegebenheiten angepasst hat und auf natürliche Weise eine genetische Evolution durchlaufen hat, so dass eine eigenständige Population entstanden ist, eben der Plant Robert. Dieser wäre beinahe wieder verschwunden, weil den Winzern andere rote Gewächse als pflegeleichter und ertragsreicher erschienen.



Als die letzte mit Plant Robert bepflanzte Parzelle, die dem Winzer Pierre Paley in Epesses gehörte, Mitte der 60er Jahre gerodet werden musste, weil an gleicher Stelle das Autobahnviadukt gebaut wurde, schnitt der Rebzüchter Robert Monnier aus Cully im letztmöglichen Moment einige Triebe von ausgewählten Stöcken und vermehrte sie. Die ersten reinen Plant-Robert-Weine wurden – marketingtechnisch geschickt – in den 70er Jahren in der legendären L’Auberge du Raisin in Cully ausgeschenkt. Und wie erhofft machte die Kunde vom wiederauferstandenen lokalen Urgamay schnell die Runde. Heute wird der Biotyp Plant Robert im Lavaux wieder von 14 Winzern auf 5,4 Hektar angebaut, was eine Produktion von rund 30 000 Flaschen pro Jahr ergibt. Für den An- und Ausbau gilt ein strenges Reglement. Noch selektionieren die Winzer neues Pflanzmaterial aus ihren eigenen Mutter-Parzellen nach dem Prinzip der «Selection massale».

Ein detailliertes Pflichtenheft, dessen Einhaltung von der Organisme Intercantonal de Certification (OIC) kontrolliert wird, garantiert, dass in den Flaschen, welche die offizielle rotsilberne Banderole tragen, auch tatsächlich Wein drin ist, der aus dem Biotyp Plant Robert gekeltert worden ist. Bald wird für die Winzer im Lavaux das Anpflanzen neuer Plant-Robert-Parzellen wesentlich einfacher. 2011 begann  die Forschungsstation Agroscope Pully mit der Züchtung eines stabilen und qualitativ hochstehenden Plant-Robert-Klons. Nach Abschluss der Zertifizierung wird dieser Klon mit der Nummer RAC 55 nun vermehrt. Der Spitzenwinzer Blaise Duboux, dessen Plant Robez (wie das Gewächs im Dorf Epesses genannt wird) an unserem Profipanel die höchste Bewertung erhielt, engagiert sich für den Gamay-Typ nicht nur, weil sie zum Weinkulturerbe des Lavaux gehört, sondern vor allem auch, weil er ein Garant für eigenständige Weine ist. «Ein typischer Plant Robert zeigt Aromen von Schwarzkirschen, Pfeffer und Rauch. In der Jugend wirkt er auf positive Weise etwas rustikal. Es sind lebendige, aber nicht tanninbetonte, sondern eher geschmeidige Weine, die ein erstaunliches Entwicklungspotenzial aufweisen.»

Ein einziger Stock blieb übrig...

Die Geschichte des Servagnins in der Region von Morges verlief ähnlich wie jene des Plant Robert. Der Servagnin ist ein Biotyp des Pinot Noirs. Nur ist es den Winzern von Morges gelungen, ihrer Spezialität mittels einer cleveren Legendenbildung etwas mehr Glamour zu verleihen. So soll es keine andere als Marie von Burgund gewesen sein, welche Anfang des 15. Jahrhunderts höchstpersönlich entsprechende Setzlinge nach Saint-Prex bei Morges gebracht haben soll. Das Pflanzmaterial war gemäss Überlieferung ein Geschenk, weil die Adelige, die sich mit ihren Kindern auf der Flucht vor der im Burgund wütenden Pest befunden haben soll, in Morges so wohlwollend aufgenommen worden war. Sinnigerweise war Marie von Burgund eine Tochter von Philipp dem Kühnen (1342 bis 1404), also jenem burgundischen Herzog, der den Anbau des Gamay per Bannschrift im Burgund verbieten liess. Deutlich mehr zugeneigt war die Familie offenbar dem Pinot Noir, dessen Verbreitung sie förderte, bis an den Genfersee. Allerdings fiel auch der Servagnin in den folgenden Jahrhunderten bei den Winzern in Morges in Ungnade, weil pflegeleichtere und produktivere Sorten in Mode kamen. Es war schliesslich der Winzer Pierre-Alain Tardy, der sich in den 60er Jahren auf die Suche nach dem verschwundenen Pinot-Biotyp machte. Schliesslich stiess er auf einen Baggerfahrer, der beim Roden eines Weinberges in Saint-Prex einige der letzten noch verbliebenen Servagnin-Stöcke ausgrub und bei sich zuhause einpflanzte. Nur einer überlebte. Von diesem allerletzten Vertreter seiner Spezies zog Tardy dann Setzlinge und sicherte so das Überleben des Servagnins.

Auch in Morges haben sich die Winzer zusammengetan, um dem vermeintlich ältesten in der Schweiz bekannten Pinot-Biotyp wieder zur alten Grösse zu verhelfen. Hilfreich ist, dass die rund 20 Winzerinnen und  Winzer, die heute wieder Servagnin produzieren, ihren Wein mit einem einheitlichen Label in den Verkauf bringen. Das Label ist gleichzeitig die Garantie dafür, dass die Weine nach strengen Qualitätsrichtlinien produziert worden sind und dass sie effektiv aus Reben dieses Pinot-Typs gekeltert worden sind. Inzwischen ist der Servagnin ein etablierter Pinot-Klon, der von diversen Rebschulen angeboten wird. Doch Top-Produzenten wie die Domaine Henri Cruchon setzen auch immer noch teilweise auf die «Selection massale».

Die Servagnin-Weine im VINUM-Profipanel kosten zwischen 20 und 25 Franken und sind damit deutlich günstiger als die helvetischen Topcrus aus der Sorte Pinot Noir. Auch im Hause Cruchon kostet der Flaggschiff-Pinot-Noir «Champanel» doppelt so viel wie der Servagnin. «Wir sehen den Servagnin als Gemeinschaftsprojekt und wollen nicht, dass die Preisdifferenz zwischen den Produzenten zu stark auseinanderklafft. Zudem sind 20 oder 25 Franken für einen Rotwein in Morges bereits ein stolzer Preis», sagt Catherine Cruchon, die ihren Servagnin zu den Vorzeigegewächsen des Hauses zählt. Dass die Cruchons vom Potenzial des Servagnin-Klons überzeugt sind, beweist auch die Tatsache, dass auch ihre Top-Pinots «Champanel» oder «Raissennaz» einen gewissen Prozentsatz Servagnin enthalten. Für Rodrigo Banto, den Kellermeister vom Cave de la Côte, bestechen die Servagnin-Gewächse aus Morges weniger mit Kraft und Fülle, dafür mit Finesse und subtiler Frucht. Das Problem ist aber, dass die Trauben früh ausreifen. «In warmen Jahren wie 2018 sind die Winzer gefordert. Ansonsten schnellen die Zuckerwerte in die Höhe, und der Servagnin verliert seine Qualitäten», betont Rodrigo Banto. Allenfalls könnte bei Neuanpflanzung in etwas höheren Hügellagen die frühe Reife etwas gebremst werden.

Potenzial für noch mehr Qualität

Das VINUM-Profipanel beweist, dass die Waadtländer Winzer mit Plant Robert und Servagnin starke Akzente setzen können. Beide Sorten ergeben eigenständige Weine, die mit ihrer elegant fruchtbetonten Art dem Stil entsprechen, wie sie vor allem die neue Gastronomie sucht. Die Verkoster waren sich aber auch einig, dass das Qualitätspotenzial der zwei wiederentdeckten Urgewächse noch nicht gänzlich ausgeschöpft scheint.

Top 3 Plant Robert

RangBeschreibung
1
17,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Blaise Duboux
2
17,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Jean-Daniel Porta
3
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Jean-François & Jacques Potterat

All of Plant Robert

RangBeschreibung
1
16,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Commune de Bourg-en-Lavaux
2
16,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Marc & Jean Duboux
3
16,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Cave de Corcelles
4
16,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Domaine Mermetus
5
16,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Jean-François Chevalley – Domaine de la Chenalettaz
6
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Fonjallaz SA
7
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Yves-Alain Perret

Top 3 Servagnin

RangBeschreibung
1
17,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Domaines Perey
2
17,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Domaine de La Ville de Morges
3
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Cave de la Côte

All of Servagnin

RangBeschreibung
1
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Bolle & Cie SA
2
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Domaine de La Ville de Morges
3
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Cave Jean-Daniel Coeytaux
4
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Daniel et Philippe Rossier Vignerons-Encaveurs
5
16,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Domaine de Marcelin
6
17,0/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Domaine Henri Cruchon SA
7
16,5/ 20
Punkte
Waadt, Vaud, Westschweiz, Schweiz
Les Trois Terres

Was die Verkoster sagen

«Grundsätzlich betrachte ich Plant Robert und Servagnin als zwei hervor-ragende Varietäten, mit denen sich die Waadtländer Winzer in sehr eigenständiger Weise profilieren können. Ein Lob an alle Winzer, die sich mit diesen Gewächsen beschäftigen. Trotzdem habe ich mir von dieser Probe etwas mehr erhofft. Viele Weine schienen mir etwas zu sehr auf Fruchtsüsse und Mainstream getrimmt. Vielleicht sollten diese alten Gewächse anders gekeltert werden…»

Gabriel Tinguely Weinjournalist, Bern BE

«Die Plant-Robert-Gewächse präsentierten sich aus meiner Sicht sehr heterogen. Blind von der Karte würde ich diese Sorte nicht bestellen. Und mit welchen Qualitäten sich diese Selektion vom Gamay unterscheidet, hat sich mir nicht offenbart. Im Gegensatz dazu hat mich der Servagnin sehr positiv überrascht. Das ist ein Gewächs mit Grösse und Potenzial. Die Weine haben Unterhaltungswert, denn sie sind weder zu kompliziert noch zu oberflächlich.»

Lidwina Weh Sommelière, Wohlen AG

«Eine im positiven Sinne überraschende Probe, denn ich habe mich mit beiden Varietäten bisher wenig beschäftigt. Stilistisch variieren die Weine in spannender Weise zwischen betonter, eher rotbeeriger Fruchtig- keit und warmer bis zuweilen schon pfeffrig pikanter Würze, aber auch zwischen saftigem bis eher strengem Säurespiel. Beide Gewächse ergeben Weine mit einer gewissen Verspieltheit, die sich darum sehr gut als Essensbegleiter eignen.»

Stefan Iseli Sommelier, Zürich ZH

«Mit dem Plant Robert und dem Servagnin besitzen die Waadtländer zwei wirklich spannende alte Varietäten. Nie werde ich den ersten Plant Robert vergessen, den ich vor rund 25 Jahren verkostet habe. Ich war hin und weg von diesem Wein aus dem Hause von Henri Chollet. In dieser Probe empfand ich viele Weine als eine Spur zu beliebig, auf zu modern getrimmt. Wenn man diesen Sorten gerecht werden will, sollte man ihre Persönlichkeit bewahren, mit allen Ecken und Kanten.»

Eva Zwahlen Weinjournalistin, Oberrieden ZH

Die Jury

Von links nach rechts

Gabriel Tinguely
Weinjournalist in Bern.
Sein Favorit: Villette Plant Robert 2020 von der Domaine Jean-Daniel Porta.

Eva Zwahlen
Weinjournalistin in Oberrieden.
Ihr Favorit: Pinot Noir Servagnin Morges Grand Cru 2019 vom Cave de la Côte.

Stefan Iseli
Sommelier im Restaurant «La Salle» in Zürich.
Sein Favorit: Plant Robert de Lavaux 2020 von der Domaine Patrick Fonjallaz.

Nicole Harreisser
Redaktorin VINUM in Zürich.
Ihr Favorit: Pinot Noir Servagnin Morges Grand Cru 2020 von der Domaine Perey.

Beat Caduff
Weinhändler und Consultant in Zürich.
Sein Favorit: Pinot Noir Servagnin Morges Grand Cru 2020 von der Domaine Henri Cruchon.

Miguel Zamorano
Redaktor VINUM in Zürich.
Sein Favorit: Pinot Noir Servagnin Morges Grand Cru 2020 von Daniel und Philippe Rossier.

Ingo Engelmann
Weinhändler in Zürich.
Sein Favorit: Lavaux Plant Robez 2020 von Blaise Duboux.

Lidwina Weh
Sommelière in Wohlen.
Ihr Favorit: Pinot Noir Servagnin Morges Grand Cru 2019 von der Domaine de la Ville de Morges.

Carsten Fuss
Weinhändler und Consultant in Zürich.
Sein Favorit: Pinot Noir Servagnin Morges Grand Cru 2020 von Daniel und Philippe Rossier.

Thomas Vaterlaus
Chefredaktor VINUM.
Sein Favorit: Lavaux Plant Robert de Savuit 2020 von der Domaine Yves-Alain Perret.

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