Vitiforst

Herter Wein, Hettlingen

Text und Fotos: Kaspar Keller

Es gibt Menschen, die bleiben stehen, wenn ihnen das Schicksal Steine in den Weg legt. Nicht so Stephan Herter. Aus den Steinen würde er wohl erstmal eine Trockenmauer bauen, um die Biodiversität zu fördern. Danach würde er vermutlich dank eines Geistesblitzes noch einen Weg finden, um sein Weingut am Taggenberg im Winterthurer Weinland weiterzubringen.

So geschehen im Jahr 2016, als im Frühling die Temperaturen drastisch gesunken sind. «Der Frost hat etwa drei Viertel unserer Ernte vernichtet – und das hätte auch unser Ende sein können», sagt der 44-Jährige. Doch er gibt nicht auf. Er startet ein Crowdfunding, kauft mit dem Geld Trauben ein und kreiert daraus die Linie Väterchen Frost – die sofort auf Anklang stösst. «Zwei Jahre danach hätten wir wieder genügend eigene Trauben gehabt. Aber aus der Gastronomie kam der Wunsch, die Linie weiterzuführen», sagt Stephan Herter. Vier von fünf Flaschen verkauft er an die Gastronomie, weshalb er von der Pandemie besonders betroffen war.

Er baut einen Onlineshop auf und damit eine Kundschaft, die noch heute direkt bestellt. Und er behält die Hoffnung noch dann, als im Juni 2021 der Hagel nicht nur alle Trauben samt Blattwerk zerstört, sondern auf einem Teil der Parzelle sogar die alten Rebstöcke beschädigt. Er sieht es sogar als Chance. «Ich bin in meinen 40er-Jahren. Ich kann nun Reben pflanzen, die ich noch selber ernten kann.» Alles hätten er und sein Team hinterfragt. «Wir haben drei, nein zwölf Schritte zurückgemacht und ein Konzept geschrieben, bei dem das Thema Vitiforst eine Rolle spielt.» Schon zuvor hatte Stephan Herter Apfel-, Birnen- und Quittenbäume in die Reihen gepflanzt.

Doch statt jeweils eine einzelne Rebe durch einen Baum zu ersetzen, hat er nun ganze Reihen ausgerissen, um Platz für eine Hecke zu machen. «Wir haben 30 Prozent des Rebbergs der Biodiversität – nicht geopfert – übergeben», sagt der Winzer. Neu sind die Pfähle aus unbehandeltem Robinienholz. «Die Zinkbeschichtung von Stahlpfählen wird vom Regen abgewaschen und fliesst direkt in die Töss», so Herter. «Wir machen uns vielleicht ein bisschen zu viele Gedanken über alles.

«Wir haben 30 Prozent des Rebbergs der Biodiversität – nicht geopfert – übergeben.»

Stephan Herter

Aber das ist doch unser Leben, und wir dürfen ruhig etwas weiterdenken.» Das Weingut würde die Bestimmungen von Bio Suisse locker erfüllen, Labels sucht man auf den Flaschen jedochvergebens. «Bio Suisse hat die Idee des organischen Landbaus völlig verwässert und das Demeter-Label ist fest-gefahren, auch wenn ich die ganzheitliche Herangehensweise hier gross­artig finde – aber deswegen fange ich nicht gleich an, meinen Namen zu tanzen», sagt Stephan Herter.

herterwein.ch

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren