Interview

Nachgefragt bei Linnéa Hauenstein

Text und Fotos: Kaspar Keller

Für ihre Masterarbeit an der Uni Hohenheim in Stuttgart hat sich die Winzerin Linnéa Hauenstein mit dem Thema Vitiforst beschäftigt. Heute betreut sie am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im aargauischen Frick zwei Forschungsprojekte zum Einfluss von ­Bäumen auf das System Weinberg.

 

Linnéa Hauenstein, welchen Einfluss haben Bäume im Rebberg?

Ich habe vor etwa vier Jahren begonnen, mich mit Vitiforst auseinanderzusetzen.Es interessieren sich immer mehr Winzer für das Thema, aber es gibt erst wenige Forschungsergebnisse zum Thema Agro-forst und eigentlich gar keine bei Dauer-kulturen wie dem Weinbau.

Das wollen Sie ändern…

Genau. Wir untersuchen einerseits den Einfluss auf die Traubenqualität und das Mikroklima, das sich durch die Beschattung verändert. Andererseits analysieren wir Parameter der Bodenqualität.

Was verspricht man sich im Weinbau denn für Vorteile von Vitiforst?

Dass man etwa das unterirdische Netzwerk positiv beeinflussen kann. Dies passiert etwa durch sogenannte Mykorrhizen, Symbiosen zwischen den Wurzeln von Pflanzen und dem Myzel von Pilzen. Diese können die Wasser- und Nährstoffversorgung der Rebe verbessern.

Wie nah müssen denn die Bäume gepflanzt werden, um einen Effekt zu erzielen, und welche Sorten würden Sie empfehlen?

Zu anderen Agroforstsystemen oder zu einzelnen Reben gibt es schon viel Forschung. Aber betrachtet man Vitiforst als Gesamtsystem, so leistet jeder Betrieb, der Bäume pflanzt, ein bisschen Pionierarbeit. Ich halte mich immer etwas zurück mit konkreten Empfehlungen. Wichtig ist, dass ein Winzer weiss, was er für einen Effekt erzielen möchte.

Was für Effekte meinen Sie genau?

Geht es dem Betrieb vielleicht um Produktdiversifizierung, so kommen vielleicht Äpfel in Frage, aus denen man einen Cidre keltern kann. Doch vielleicht geht es eher um einen Blühstreifen zur Förderung der Biodiversität oder eine Reihe Baum-Hasel, die dank ihrer hohen Krone gut für die Beschattung ist. Beim Weingut Märxli wurden ja Karelische Birken gepflanzt, die ein sehr wertvolles Holz haben. Interessant ist, dass der Baum nach etwa 30 Jahren das Optimum erreicht hat, um gefällt zu werden. Eine Reblage wird im besten Fall natürlich älter, aber vom Mehrwert her betrachtet wäre es spannend, die Lage dann gleichzeitig neu zu bestocken. Aber wer weiss, ob es funktioniert.

Gibt es auch negative Effekte, die man beachten muss?

Schwarzen Holunder würde ich nicht empfehlen, weil das die Kirschessigfliege anziehen könnte. Und je nachdem, wo man eine Hecke pflanzt, kann dies den Luftabzug behindern. Ich kenne einen Winzer im Elsass, der Probleme mit Echtem Mehltau hat, seit er sich mit Büschen quasi eine Luftsperre ein-gepflanzt hat. Das kann auch bei kalter Luft, respektive Frost, ein Problem werden.

Entweder wird ein Baum in eine Reihe Reben gepflanzt oder es werden zwischen den Reihen Hecken angebaut. Was sind die Vor- und Nachteile dieser Methoden?

Beim Baum mitten in den Reben hat man wohl die grössten Chancen auf Symbiosen, auch was den Schattenwurf betrifft. Gleichzeitig muss man bedenken, dass Bäume die Bearbeitung mit den Maschinen behindern können.

Wie sieht es mit der Konkurrenz zwischen Baum und Rebe aus?

Das darf man nicht ausklammern. Wir konnten beobachten, dass junge Reben, die unmittelbar neben Bäumen mit einem Alter von 20 Jahren aufwärts gepflanzt werden, zu kämpfen haben. Daher ist es nicht optimal, wenn man Reben in einen bestehenden Baum-bestand pflanzt. Besser ist es, wenn man Reben und Bäume gleichzeitig setzt oder die Bäume erst später pflanzt.

Der Einfluss des Baums auf die Rebe ist das eine, wie sieht es aber mit dem Einfluss auf den Wein aus?

Viele Weinregionen kämpfen mit steigenden Temperaturen, was sich in höheren Alko-hol- und niedrigeren Säuregehalten zeigt. Ein Ziel ist, mit der Beschattung eine Konservierung der Säuren zu erreichen. Gewisse Aromakomponenten werden während der Reifephase durch Licht gebildet, andere wiederum abgebaut, wie im Fall von gelbfruchtigen Aromen. Weiter untersuchen wir den Stickstoffgehalt im Traubensaft, der für die Vergärung sehr wichtig ist. Bei trockenen Böden sowie im Bio-Weinbau, wo keine chemischen Dünger erlaubt sind, ist das oft ein Problem. Von Bäumen erhofft man sich eine bessere Wasserverfügbarkeit oder, etwa durch den Laubfall, eine bessere Stofffreisetzung.