Guide Kroatien: Vom Billig-Image zur begehrten Weinregion

Weckt die Lust auf Neues!

Degustation: Eva Dülligen, Ivan Barbic, Ursula Geiger; Text: Eva Dülligen, Foto: VINUM

Inzwischen betreut Star-Önologe Michel Rolland hier neue Wein-Projekte (Saints Hills) oder man hat in Jo Ahearne die erste in Kroatien lebende Master of Wine MW. Auf Hvar produziert die Engländerin neben einer Handvoll anderer Boutique-Weine Gewächse, die die kleine Adria-Insel auf die Weinlandkarte geholt haben. Dass die Erfolgskurve insbesondere istrischer und dalmatinischer Weine steil nach oben zeigt, hat mehrere Ursachen: gut ausgebildete Winzer ohne Bammel vor alternativen Stilen wie Orange Wine – teils mit beachtlichen Resultaten. Die stilistische Spannbreite vom federleichten Sommerwein über dicht gewobene Terroirweine bis hin zur in slawonischer Eiche vinifizierten Cuvée. Und vielfältige Böden, Standorte, Interpretationen und Ausbaumethoden, die reinsortige Herkunftsweine zu unterscheidbaren Charaktertypen machen. Malvazija Istarska oder Teran zurren den enormen Rebsorten-Spiegel fest, so dass Liebhaber dieser Paradesorten sich auch an unbekanntere lokale Varietäten wagen. Dass die Region zwischen Zagreb und Dubrovnik samt weinproduzierender Trauminseln wie Pag oder Krk längst zum touristischen Trendziel avanciert ist, treibt die kroatische Wein-Branche nicht weniger nach vorn: Einen in der Barrique gereiften Malvazija an der istrischen Küste mit Blick auf smaragdgrünes Meer oder einen feinwürzigen Plavac Mali auf der Hotelterrasse mitten im Hochgebirge Dalmatiens zu geniessen, bleibt im Weingedächtnis haften. Umso länger, wenn sie mit kalt gepresstem Olivenöl und schwarzen Trüffeln verfeinerter kroatischer Cuisine auf die Tische kommen. Wer allerdings erwartet, hiesige Topgewächse seien zum Schnäppchenpreis zu haben, wird enttäuscht. Kroatische Qualitätswinzer wissen um den Wert ihrer Weine und bedienen nicht das Klischee des bescheidenen Balkanesen, der froh ist, ins Ausland exportieren zu dürfen.

Resultate, Analysen, Statements

Vom Schaumwein bis zum gehaltvollen Tiefgänger spannte sich der Bogen der Weine aus ganz Kroatien. Im Brennpunkt der Blindverkostung standen autochthone Sorten, deren Aromenspektrum teils an ein Kaleidoskop erinnerte. Bedient wurden alle Segmente, ob frisch vegetativ, steinfruchtig, karamellisiert oder rauchig. In der istrischen weissen Paradesorte Malvazija liessen sich etwa Anflüge von zerriebenen Minzblättern bis hin zu gebackener Apfelfrucht ausmachen. Vor allem die in Eiche Vinifizierten verrieten hohes Reifepotenzial: eben ohne den Verdacht, in den kommenden Jahren an Frische zu verlieren. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die lokale Sorte ihre Kindheit in Barriques aus ungarischer, amerikanischer oder slawonischer Eiche verbracht hatte. Die rote Sorte Babic bestach mit ihrer Frische, selbst dann, wenn sie aus extrem heissen Jahrgängen (2012, 2016) hervorging, und sorgte als Partner in Cuvées für Süsse-Säure-Balance. Es gab allerdings auch jene, deren Trinkreife jetzt ansteht, respektive deren Zenit bereits überschritten war und durch oxidative Noten oder verwässerte Rückaromatik für gelangweilte Mienen sorgte. Zum Plavac Mali: Kaum ein weinaffiner Kroatien-Urlauber ist noch nicht in den Genuss des mitunter tintenschwarzen Sortenvertreters gekommen, dessen Namen «Kleiner Blauer» bedeutet. Umso spannender für uns, derart viele dieses Typs nebeneinander zu analysieren: maskuline, elegante, unkomplizierte und verspielte Charaktere schälten sich aus den Gläsern. Bei einigen hatte man das Gefühl, das Jod aus dem adriatischen Meer atme aus dem Glas. Unter dem Strich ein qualitativ breites Mittelfeld, das von grossen Gewächsen flankiert wurde.

Die kroatischen Weine bieten eine seltene Vielfalt auf hohem Qualitätsniveau. Neben gelungenen Beispielen der internationalen Rebsorten gibt es vor allem autochthone, unbedingt empfehlenswerte Entdeckungen. Dazu kommt die Sorte Graševina, im deutschsprachigen Raum als Welschriesling bekannt, die nirgendwo anders diese Ausbreitung hat und in dieser Qualitätsdichte angebaut wird. Die Rotweine der in Dalmatien vorherrschenden Sorte Plavac Mali besitzen ein imposantes Tanningerüst und auch die Weine aus überreif geernteten Trauben sind dank ihres Säuregehaltes ausgewogen und mit einem schönen Alterungspotenzial ausgestattet. Die besten Weine besitzen eine Amarone-Stilistik, die im Unterschied zu diesem schon ab Rebstock erhalten wird. Diese typische Charakteristik hat die Sorte seinem berühmten internationalen Nachfahren, dem Primitivo respektive Zinfandel, vererbt. Aus der in Istrien vorherrschenden Sorte Istarska Malvazija entstehen Weissweine mit intensiven Aromen von reifen Äpfeln und Birnen, bei guter Fülle und frischer, gut eingebundener Säure. Die Graševina ergibt in Slawonien kräftige, körperreiche Weissweine, die dank ihres Säuregehalts sehr ausgewogen sind und bei den besten Weinen eine überaus attraktive aromatische Komplexität nach Zitrusfrüchten, Lindenblüten und – dank einem Botrytisanteil – Dörraprikosen haben. Auch Posip, eine weitere autochthone, weisse Sorte, überzeugt qualitativ. Für seine Herkunft aus dem mediterranen Klima von den dalmatinischen Inseln bringt er erstaunlich aromatische, betont würzige und sehr ausbalancierte Weissweine hervor, die hervorragend zu den typischen Fischgerichten der Region passen.

Die Verkostung

Das Gros der Weine für diese Verkostung forderten wir beim Handel an. Teils kamen die Musterflaschen auch direkt aus Kroatien. Alle Weine wurden während zweier Tagen in der Redaktion in Zürich verdeckt verkostet. Alle Bewertungen finden Sie hier unter dem Stichwort «Guide: Kroatische Weine» ein.

Top 3 dieser Verkostung:

RangBeschreibung
1
17,5/ 20
Punkte
Dalmatien, Kroatien
Bibich
2
17,5/ 20
Punkte
Istrien, Kroatien
Villa Dobravac
3
17,5/ 20
Punkte
Dalmatien, Kroatien
Tomić Bastijana

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