Tutto Sangiovese

Castiglion del Bosco, Montalcino

Text: Christian Eder, Fotos: z.V.g.

(Fast) Ganz dem Sangiovese hat man sich in einem der historischen Weingüter Montalcinos verschrieben: Auf Castiglion del Bosco werden nicht nur elegante Brunello gekeltert, sondern Weinmacherin Cecilia Leoneschi widmet sich auch dem Rosso di Montalcino mit drei Crus.

«Unsere Rosso di Montalcino sollen eine eigenständige Interpretation des Terroirs sein», sagt Cecilia Leoneschi, seit 2003 die Önologin des Gutes. «Sie haben zwar nicht die Langlebigkeit eines Brunello, aber dafür überzeugen sie mit Fruchtigkeit, Eleganz und Harmonie.» Cecilias Arbeitsplatz, wo alle diese Weine entstehen, sind die Rebberge und der moderne Keller des kleinen Borgo Castiglion del Bosco, einem Weiler im Nordwesten Montalcinos. Das Borgo ist rund um eine mittelalterliche Burg aus der Zeit um 1100 entstanden, von der heute noch Reste zu sehen sind, und liegt nahe dem Pilgerweg Via Francigena, der von Canterbury nach Rom führt. Nachdem das Dorf jahrhundertelang im Besitz Sieneser Familien war, gehörte es ab 2003 der toskanischen Modeschöpferfamilie Ferragamo, seit 2022 ist es Teil einer internationalen Privatgesellschaft.

Auf Castiglion del Bosco produzierten die Bauern schon vor Jahrhunderten Wein für den Eigengebrauch. Heute ist das Borgo ein Fünf-Sterne-Luxusresort mit Suiten und Villen, und längst wird der Wein aus den Trauben verkauft: Einzellagen-Brunello-di-Montalcino wie der Campo del Drago, die Riserva Millecento, die limitierte Edition Zodiaco oder der klassische mit schwarzem Etikett versehene Brunello, eine Selektion der besten Rebberge, gehören ebenso dazu wie drei Einzellagen-Rosso-di-Montalcino.

«Wir wollen Weine von grosser Integrität produzieren, gebietsgetreu, komplex und langlebig.»

Neben dem zu Rosewood gehörenden Hotel, dem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant und einem von Tom Weiskopf designten 18-Loch-Golfplatz ist der Weinbau heute fundamentaler Teil des 2000 Hektar grossen Besitzes: 62 Hektar sind heute mit Reben bestockt, 48 davon für Brunello di Montalcino, verteilt auf zwei Grosslagen, erzählt Cecilia Leoneschi: Auf Capanna befinden sich 40 Hektar, auf Podere Gauggiole 22.

Bereits auf Capanna im Norden Montalcinos gibt es unterschiedlichste Terroirs, sagt die Weinmacherin: Die Parzelle Campo del Drago – die Basis des bekanntesten Brunello von Castiglion del Bosco – sticht aufgrund ihrer Meereshöhe von 450 Metern und ihrer einzigartigen Kombination aus Galestro-Böden und Südwest-Lage hervor; die Parzelle Millecento – die Basis der gleichnamigen Riserva – hat zwar die gleichen Böden, ist aber in Richtung Osten beziehungsweise Westen orientiert, im Zusammenspiel mit der Bodenstruktur liefert sie die Trauben für einen sehr langlebigen Brunello; die Parzelle Vigna dei Massi – Basis eines Rosso di Montalcino – hingegen verfügt über durchlässigere Böden, wenn diese auch felsig und tief sind. Ganz andere Charakteristiken besitzt hingegen das Gebiet der Podere Gauggiole durch Hügel mit kalkig-lehmhaltigen Böden in einer Meereshöhe von 300 Metern. Hier entstehen zwei weitere Rosso di Montalcino: Gauggiole und L’America.

Und weil sie auf Brunello und Rosso gleichermassen Wert legt, gibt es auch keinen Flaggschiffwein für Castiglion del Bosco: «Campo del Drago, Millecento oder die Einzellagen-Rosso stehen gleichermassen für die leidenschaftliche Suche nach dem Ausdruck jedes einzelnen Rebbergs», sagt Cecilia. Und der in einer Auflage von 180 000 Flaschen produzierte Brunello di Montalcino mit dem schwarzen Etikett drückt die Eleganz und Finesse eines grossen Terroirs aus.

Basis der heutigen Arbeit war eine umfassende Neubewertung der Rebberge, die bereits vor fast 20 Jahren begann. Seit 2016 sind die 62 Hektar Rebberge, die inmitten eines grossen Waldgebietes liegen, auch biologisch zertifiziert. Die Bewahrung der Biodiversität sei dabei sehr wichtig für den Weinbau, meint die Önologin. Und natürlich liegt der Fokus auf Sangiovese: Abgesehen von einem halben Hektar mit weissen Incrocio-Manzoni-Trauben sind alle Reblagen in der Hand der grossen toskanischen Traube. Für Cecilia Leoneschi ist sie ein Hansdampf in allen Gassen, kann langlebige Kreszenzen ebenso hervorbringen wie fruchtig-frische. «Aber natürlich hängt alles vom Terroir ab», sagt sie. «Je nach Position sind die Ergebnisse auch bei identischer Lese und Vinifikation völlig unterschiedlich.»

In den vergangenen Jahren überzeugten die Jahrgänge 2015, 2016 und auch 2018 beim Brunello, letzterer ist «ein sehr ausgewogener und eleganter Jahrgang mit interessanten Nuancen, tief und vibrierend», meint Cecilia. Auchdie Jahrgänge 2019 und 2021 lassen einiges erhoffen, 2017 überzeugte vor allem beim klassischen Brunello mit dem schwarzen Etikett. 2020 war hingegen ein Jahr für Rosso di Montalcino, ergab fruchtige, früher trinkige Weine. Diese in Montalcino rare Philosophie, gleichermassen auf Brunello und Rosso zu setzen, verlangt aber auch klare Entscheidungen bei der Produktion: «Es wird kein Brunello zu einem Rosso deklassiert», sagt Cecilia. «Eher ist es wahrscheinlich, dass ein Weinberg eines Rosso mit dem zunehmenden Alter der Reben eines Tages einen grossen Brunello hervorbringen wird.»

Cecilia setzt bei Brunello und Rosso im Keller auf die Balance zwischen den einzelnen Behältnissen. Kleines und grosses Holz sorgen für die Langlebigkeit der Brunello, bei den Einzellagen-Rosso kommen hingegen je nach Etikett Stahl, Betonamphoren und Holz zum Einsatz. Aber vieles ist «Work in Progress» auf Castigliondel Bosco: «Wir wollen nichts überhasten», meint Cecilia. «Im Weinbau muss man Zeit haben.» Sie atmet tief durch, und ein breites Lächeln erhellt ihr Gesicht, während sie auf die sanfte Landschaft zeigt, in der sich Felder, Wälder, Olivenbäume und Reben abwechseln. Dahinter thronen die Berge, die sich bis zur tyrrhenischen Küste ziehen.

Dort hinten, an der toskanischen Küste bei Riparbella, liegt auch das zweit Weingut von Castiglion del Bosco: Auf der Tenuta Prima Pietra produziert das Team um Cecilia stilistisch präzise Weine im Bordelaiser Stil wie den harmonischen Toscana IGT Prima Pietra aus hoch gelegenen und gut ventilierten Lagen. «Aber an der Küste sind die Rebsorten wichtiger als das Terroir», meint Cecilia. Obwohl der Prima Pietraein Toscana IGT aus Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Petit Verdot ist, sieht sie gerade im Franc grosses Potenzial.

Aber die Säule des toskanischen Weinbaus sei und bleibe die Sangiovese, meint sie abschliessend, sie finde nur hier das Terroir, um eine so grosse Vielfalt von Weinen zu produzieren, wie es auf Castiglion del Bosco geschieht.

Weine im Clubpaket

Rosso di Montalcino DOC Vigneto Gauggiole 2020

2024 bis 2028

Die Trauben stammen aus dem gleichnamigen Rebberg im Norden des Gutes. In der Nase Noten von Roten Johannisbeeren, Blüten und Unterholz; im Mund kompakt, in Harmonie zwischen Struktur und Säure, geschmeidiger Ausklang auf Noten von Waldfrüchten.

Mariage: hervorragend zu Pasta und leichten Fleischgerichten

Rosso di Montalcino DOC Deimassi 2020

2025 bis 2030

Finessenreicher Rotwein einer Einzellage des Weinberges Capanna. Erinnert im Bouquet an Hagebutten, Himbeeren, Pflaumen und Veilchen; kräftige Textur, mit vifer Säure und spürbarem Tannin, die einzelnen Komponenten sehr gutausbalanciert, viel Kraft und Fülle.

Mariage: passt zu gebratenem Rindfleisch, aber auch zu würzigem Käse

Brunello di Montalcino DOCG 2017

2025 bis 2033

Aus einer Selektion der besten Trauben der Lage Capanna: Noten von reifen Kirschen, Veilchen, Tabak und Pfeffer; der Auftakt geschliffen, mit feinkörnigem Tannin, gut eingebundener Säure und Saftigkeit; lang und vielschichtig-fruchtig das Finale, angenehme Bittermandelnoten.

Mariage: zu Wildgerichten und einem Bistecca Fiorentina