Klein, aber fein!

Champagne J. Vignier, Cramant

Text: Barbara Schroeder, Fotos: Rolf Bichsel

Klein, aber fein – das trifft sowohl auf Nathalie Vignier-Lebrun zu, eine Art Madame 10 000 Volt, nie müde, nie schlecht gelaunt und meist überall gleichzeit anzutreffen, und ihre Kreation: Champagne J. Vignier, exklusiven Kleinauflagen-Champagner, Kennern vorbehalten.

Eigentlich ist alles einer deutsch-französischen Freundschaft zu verdanken. Da war Rudolf Reck, der deutsche Kriegsgefangene, der auf einem Weinbaubetrieb in Chouilly arbeitete und sich mit Paul Lebrun, dem Sohn einer alten Winzerfamilie aus dem Nachbardorf Cramant, anfreundete. Rudolf kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück, doch die beiden Familien blieben in Kontakt. Damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Denn wie zufällig ist Sebastian Nickel, der Grossneffe von Rudolf Reck, Weinfachmann geworden und lebt heut im Süden Frankreichs. Und wie zufällig ist die Enkelin von Paul Lebrun nicht nur mit diesem befreundet, sondern heute auch für den Familienbetrieb zuständig. Nathalie Vignier-Lebrun: «Eigentlich wollte ich mich nicht einfach in ein gemachtes Bett legen und habe eine Zeitlang im Ausland gearbeitet. Doch als mein Vater mich bat, ihm zur Seite zu stehen, habe ich nicht lange gezögert und es auch nie bereut. Dennoch wollte ich mehr, mir fehlte das kleine, feine Abenteuer!»

Mehr? Das Unternehmen darf sich doch wohl sehen lassen. Über 16 Hektar erstklassige Reblagen, teils im Grand-Cru-Dorf Cramant in der bekannten Côte de Blancs im Süden von Épernay sowie im immer beliebter werdenden Sézannais. Ein hypermoderner, erstklassig eingerichteter, geräumiger und blitzsauberer Keller, um den man Nathalie nur beneiden kann. Eine gut gehende Marke (Paul Lebrun, nach dem Grossvater benannt) mit einer treuen Stammkundschaft. «Ja, sagt Nathalie, «ich wollte mehr. Etwas Eigenes, ganz Besonderes, eine kleine; feine Spitzenmarke, auf Lagen-Cuvées spezialisiert, auf Champagner für Kenner.» Heute produziert sie daher zwei Marken: Champagne Paul Lebrun (nach dem Grossvater benannt) ist die qualitativ tadellose, aber eher traditionelle Linie für die Kunden geblieben, die diesen Stil schätzen. J. Vignier ist besonderen, charaktervollen Gross- und Kleinlagen-Cuvées vorbehalten. Sebastian Nickel unterstützt Nathalie tatkräftig beim Projekt J. Vignier, als Berater, in Kommunikation und Verkauf. Nathalies Grossvater hatte als kleiner Junge die Winzerunruhen von 1911 miterlebt, als die Winzer (vor der Schaffung der heutigen geschützten Herkunftsgebiete) unter der einseitigen Abhängigkeit vom Handel litten. Wer überleben wollte, trat einer Genossenschaft bei oder wurde selbstkelternder Winzer wie Paul Lebrun, einer der ersten unabhängigen sogenannten «Récoltants-Manipulants» von Cramant. Nathalies Vater, der in seine Fussstapfen trat, stammte aus der Region von Sézannes, etwa 50 Kilometer von Cramant entfernt. Als Winzer mit Leib und Seele pflanzte er 1962 seine ersten Reben im Sézannais und leistete damit echte Pionierarbeit. Die Parzelle «aux Bercottes» wurde mit massal vermehrten Reben bepflanzt, die aus der Lage «au Bateau» in Cramant stammen.

Echte Terroirweine

Besucher bestaunen beeindruckt die modernen Gärtanks im Keller, verfolgen das hektische Treiben während der Ernte, stibitzen wohl auch süsse und knackige Traubenbeeren aus den aufeinandergestapelten Plastikkästen. Doch in die Reben wagen sie sich selten. Das ist schade, denn die mitunter sehr steilen Lagen wirken gepflegt wie ein Garten, mit lebendigen, atmenden Böden. Nathalie hat vor einigen Jahren einen vergnüglichen Wettstreit gewonnen, in dem es darum ging, einen Slip im Boden zu verbuddeln, nach gemessener Zeit wieder auszugraben und der Jury einzureichen, die kontrollierte, wie viel davon noch übrig war (möglichst wenig natürlich), ein guter Gradmesser für die biologische Aktivität eines Bodens!

Alle J.-Vignier-Weine besitzen daher einen geradezu puristischen Terroir-Ausdruck. Sie werden grundsätzlich im Tank ausgebaut und nur schwach dosiert. Neben Cuvées wie Aux Origines oder Silexus Sezannensis produziert J. Vignier regelmässig auch Kleinlagen-Cuvées in Miniauflage von weniger als 1000 Flaschen. Eine solche Rarität ist Les Abbesses (der Name einer ein Hektar grossen Parzelle), die besonders lange in der Flasche reifte.

Weine im Clubpaket

Aux Origines
Blanc de Blancs Extra Brut

2022 bis 2024

Verführerisches Bouquet des perfekt gemachten Blanc de Blancs, mit Noten von Zitrusfrüchten, Vanille und Haselnuss; eleganter Auftakt, feingliedrige, luftige Entwicklung, doch auch Sehnigkeit und Länge; wirkt perfekt abgerundet und abgeklärt, stilvoll, hat Klasse.

Silexus Sezannensis
Blanc de Blancs Extra Brut

2022 bis 2025

Interessantes Bouquet mit Noten frischer Kräuter und fruchtigen Akzenten von grünem Apfel, Stachelbeere auch; saftiger Auftakt, entwickelt besondere Rasse, Knackigkeit und Spannkraft, spürbare Mineralität im langen Ausklang; illustriert perfekt das Terroir des Sézannais.

Les Abbesses
Blanc de Blancs Extra Brut Diskrete

2022 bis 2025

Kräuternoten; glasklarer Auftakt, sehnige Entwicklung, grosse Rasse, langer, fruchtig-mineralischer Ausklang; absolut schnörkelloser, eigenständiger Terroirwein, den man zu Süsswasserfisch wählen mag, auf jeden Fall Speisen, die Mineralität mögen.