Stationen der Weingeschichte

Ursprungsschützer

1756 legt der Marquês de Pombal das Anbaugebiet des oberen Douro-Tals fest und erfindet die Herkunftsbezeichnung – so die offizielle Weinhistorie. Die Wahrheit ist wie immer komplexer.

Am 12. Mai 1705 werden im Londoner Hafen 200 Fässer Haut-Brion versteigert. Nur einen Monat später kommen 230 Fässer Margose (ChâteauMargaux) unter den Hammer. Es handelt sich um Kaperbeute: Frankreich und England liegen sich wieder einmal in den Haaren. Legal darf kein französischer Wein ins Inselreich eingeführt werden. England braucht Ersatz und wird am Douro fündig.

1703 ratifizieren England und Portugal den Methuen-Vertrag, der die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern regelt. England öffnet Hafen und Keller für portugiesischen Wein, der rund ein Drittel weniger kostet als französischer. Portugal verpflichtet sich im Gegenzug, im grossen Stil englische Textilien einzuführen. So breitet sich das Pflanzfieber, das seit dem Frost von 1709 den ganzen Süden Frankreichs erfasst hat, auch im Douro aus, der wichtigsten portugiesischen Weinregion.

Um die wachsende Nachfrage zu befriedigen, wird rasch mehr «Wein» gehandelt als geerntet. Die Qualität bleibt aussen vor. Doch die verwöhnten englischen Gaumen lassen sich nicht täuschen, und als 1713 in Utrecht der Friede zwischen England und Frankreich ausgerufen wird, gelangen französische Clarets wieder ungehindert nach England. Die Preise für portugiesische Weine fallen in den tiefsten Keller, im oberen Douro-Tal bricht die Krise aus.

1756 gründet der portugiesische «Premierminister» Marquês de Pombal die «Gesellschaft für den Anbau von Wein im Alto Douro». Diese definiert das Anbaugebiet, das künftig allein Qualitätsweine erzeugen darf. Geschichtsschreiber sind sich einig: Pombal hat die garantierte Herkunftsbezeichnung erfunden. Dabei wäre es wohl auch geblieben, hätte nicht ein übereifriger Weinschreiber beim Stöbern in alten Akten in einem kleinen südfranzösischen Weindorf ein Schriftstück aus dem Jahr 1716 entdeckt, in dem zu lesen steht: «In diesen unseren Ort sind Ernten und Weine eingeführt worden, die ganz und gar dem Ruf und der Qualität der echten Weine des Ortes abträglich sind, der von gutem Ruf ist, den man unterstützen sollte und verhindern, dass Ernten und Wein in den besagten Ort eingeführt werden, damit der echte Wein von Tavel nicht seine Reputation verliert [ . . . ].»

Es folgt der Vorschlag, das Dorf Tavel solle sich den beiden Nachbardörfern Lirac und Roquemaure anschliessen, die ebenfalls die Echtheit ihrer Weine schützen wollen.

1737 wird dieser Vorstoss mit dem königlichen Siegel versehen. Künftig dürfen eine Handvoll Dörfer der Côte du Rhône die Buchstaben C.d.R. in ihre Fässer einbrennen, um die Echtheit des Inhalts zu garantieren. Ob Tavel, Roquemaure oder Portugal die garantierte Herkunft erfunden haben, ist jedoch Nebensache. Entscheidend ist, dass sich ab Mitte des 17. Jahrhunderts in den führenden Weinregionen Europas ein Bewusstsein für Ursprung und Terroir entwickelt.

Im Jahr 1677 hatte John Locke Haut-Brion besucht, staunend dessen Böden beschrieben und festgehalten, dass diese dem Wein seine Besonderheit verleihen. 50 Jahre später liegt nicht mehr anonymer French Claret in den besten englischen Kellern, sondern Crus mit Namen, die für ein Terroir stehen: Haut-Brion, Margaux, Lafite, Latour. Mitte des 18. Jahrhunderts folgen die ersten Massnahmen für einen garantierten Ursprungsschutz. Zu dessen Kontrolle braucht es ein staatliches Organ – das erst 200 Jahre später geschaffen wird.