Urbaner Weinstil in China – Dialog und abenteuerliche Reise zugleich

10.08.2010 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Shanghai) – Die Chinesen sind verrückt nach Wein. Im „Haagen Dazs Café“ im angesagten Bezirk Xintiandi von Shanghai entscheiden sich betuchte Städter zwischen „Rum Raisin Cookies ´n Cream“ oder dem „Late Harvest Sauvignon Blanc“ – und immer mehr entscheiden sich für einen Wein. Dabei lieben die Chinesen den urbanen Lebensstil mit einem Weinglas in der Hand, einerseits berechnend andererseits schrullige Begeisterung.

 

Die meisten Weintrinker leben in großen Städten wie Shanghei, Beijing, Tianjin, Shenzen und Guangzhou, aber schon schwappt die Weinwelle über auf die „kleineren“ Städte mit Einwohnern unter 5 Millionen. Sogar in den kleinen „Towns“ mit knapp 1 Millionen und weniger Bewohnern macht sich langsam eine „Weinkultur“ mit komischen Anklängen breit.

„Gerade haben die Chinesen im TV einen Werbespot über Wein gesehen und schon stehen Sie bei mir am Tresen und wollen den Wein kaufen“, sagt Thomas Julien einem in Hong Kong ansässigen Weinhändler. Importierte Weine mit kräftigen Einfuhrabgaben sind allerdings außerhalb der Reichweite des durchschnittlichen Verbrauchers. So konsumieren weit mehr als 90 Prozent der 1,2 Milliarden Chinesen Weine beispielsweise vom inländischen Händler Torres oder von heimischen Erzeugern wie Great Wall oder Dynasty.

Im „Inland“ konsumiert man Weine bestehend aus einer kreativen Mischung aus Rebsäften verschiedenster Regionen Chinas mit Beimischungen billigst importierten Rebsäften aus dem Ausland. Wer hier auch noch nach dem Jahrgang fragt, wird darauf verwiesen, dass doch kein Jahrgang auf dem Etikett steht – warum auch, wen interessiert das. Ganz anders die wohlhabenden Konsumenten – sie sind markenbewusst und begierig mehr über Weine zu lernen. Sie bevölkern in Herden die immer mehr angebotenen Degustationen, treffen sich in hippen Weinbars oder nehmen an privaten Verkostungen mit „Schulungscharakter“ teil.

Was die Chinesen eigentlich mögen ist für die Winzer aus den klassischen Weinbaunationen kaum zu erahnen und Alptraum zugleich. "Es gibt keine konkrete Definition für den asiatischen Gaumen. Es ist ein Dialog, eine abenteuerliche Reise, es ist ein Begriff, der noch nicht definiert ist", sagte Jeannie Cho Lee, eine in Hongkong ansässige Weinkritikerin und Autorin.

„Die populären Weine sind leicht, nicht zu alkoholreich, nicht sauer, ohne schwere Tannine," bringt es die chinesische Winzerin Emma Gao Yuan auf den Punkt, die an der renommierten Universität Bordeaux Önologie studiert hat. "Aber besser ausgebildete Chinesen schätzen guten Wein und haben sogar den gleichen Geschmack wie die Franzosen oder die Amerikaner“, erklärt Emma und führt an: “Es ist eine Frage der Erziehung. Es ist wie bei meinem französischen Mann- wenn ich ihm einen wirklich hochwertigen Tee zu trinken reiche, kann er ihn nicht schätzen. "

„Was ist die Definition eines Grand Vin?“ fragt Michel Rolland, anerkannter internationalen Weinberater in einer Diskussion mit chinesischen Journalisten. „Es ist unsere eigene Definition, die wir im Westen geschaffen haben. Und was bedeutet unsere Definition den Chinesen? Warum sollte unser Geschmack im Westen der universelle Geschmack sein? Das ist ein wenig arrogant.“

„Das wichtigste Image des Weins entnehmen meine Landsleute aus dem Kino oder aus der Werbung“, sagt Emma Gao Yuan. „Eine Flasche Wein mit einem schönen Mädchen genießen, eine Romanze, eine Komödie, ein Liebesfilm – alles das symbolisiert Luxus und es ist vor allem ein wirklich guter Weg, um einen Abend zu beginnen - das ist die Botschaft.“