Die schnelle Gärung Teil 1 - Einsatz genmanipulierter Reinzuchthefen

05.10.2011 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND / KANADA / USA - Mit genmanipulierten Reinzuchthefen, die in den USA und Kanada bereits zugelassen sind, lässt sich bei der Weinherstellung Zeit sparen. Dieses Procedere und andere Versprechen hat Georges Desrues bezüglich Befürwortern, Vinifikation und Auswirkungen gesundheitlicher Art bei den Konsumenten kritisch unter die Lupe genommen. Nachzulesen auch in der neuesten Ausgabe des Slow Food Magazins.

 

Die Geschichten auf den Etiketten der Weinflaschen erzählen meist von Bodenbeschaffenheiten, von Klima, von Traditionen und von Naturverbundenheit. „Wein ist kein Naturprodukt. Vielmehr entsteht er aus einem drastischen, kulturellen Eingriff“, sagt der Moselwinzer Reinhard Löwenstein, „und zu bestimmen, wo die Grenze zwischen dem liebevollen Begleiten der Natur und ihrer Vergewaltigung verläuft, ist das wahre Problem.“ Ein Bereich, durch den diese Grenze mit Sicherheit verläuft, ist wohl jener der Hefe. Seit Jahrzehnten sind sich die Weinbauer dieser Welt uneinig darüber, ob die Zugabe von Hefe einer „Vergewaltigung“ des Weins gleichkomme oder sich eher im Bereich der „liebevollen Begleitung“ bewege.

Wein kann zwar auch ausschließlich aus Trauben und natürlich vorkommenden Hefen erzeugt werden - die große Mehrzahl der Weine jedoch wird durch Zugaben von Reinzuchthefen vergoren, was den Gärprozess und seine Dauer berechenbarer und die Geschmacks- und Farbentwicklung vorhersehbarer macht.

Ging es bisher also darum, ob spontane Vergärung „naturnäher“ und deswegen jener, die durch Zugaben von Reinzuchthefe eingeleitet wird, vorzuziehen sei, ist in letzter Zeit ein zusätzlicher Aspekt in der Diskussion aufgetaucht, nämlich jener der gentechnisch veränderten Hefe. Zwar befindet sich diese Art von Hefe großteils noch im Experimentier- oder Entwicklungsstadium und ist in der EU bisher auch noch nicht auf dem Markt, doch wurde in Ländern wie den USA und Kanada schon vor einigen Jahren ein Hefestamm mit dem Namen ML01 zugelassen. Dieser enthält Gene aus einem Milchsäurebakterium und ist damit in der Lage, die sauer schmeckende Apfelsäure in mildere Milchsäure umzuwandeln.

ML01 vergärt also nicht nur - wie die natürliche Weinhefe - den Fruchtzucker zu Alkohol, sondern wandelt auch gleichzeitig Apfel- in Milchsäure um, womit sie alkoholische Gärung und Säureabbau in einem Schritt kombiniert, was bei der Weinbereitung Zeit erspart.

Doch nicht nur das: Derart erzeugter Wein soll zudem einen runderen Geschmack und stabilere Farbtöne sowie einen geringeren Gehalt an Histaminen aufweisen. Denn Histamine entstehen als Nebenprodukte der Umwandlung von Apfel- in Milchsäure und werden oft für die Kopfschmerzen verantwortlich gemacht, die der Genuss von Wein bei manchen Menschen auslöst.

„Ungefähr dreißig Prozent aller Menschen weltweit reagieren allergisch auf Amine, zu denen die Histamine gehören“, sagt der Entwickler der Hefe, Professor Hendrik van Vuuren, dem kanadischen „Calgary Herald“. Dass er selbst zu den Betroffenen gehört, habe ihn zusätzlich motiviert, eine Hefe zu entwickeln, die geeignet sei, ihn selbst und alle anderen Weinliebhaber von diesen unangenehmen Nebeneffekten zu befreien, so der Wissenschaftler.

„ML01 ist der erste genetisch veränderte Organismus, der dem Konsumenten und nicht den großen Firmen zugute kommt“, sagt Professor van Vuuren. Was er dabei allerdings zu erwähnen vergisst, ist, dass es natürlich sehr wohl auch den industriellen und auf Zeitersparnis bedachten Produzenten zugute kommt, wenn ihr Wein nicht zwei, sondern nur eine einzige Gärung durchmachen muss. Und er erwähnt auch nicht, dass es bis heute kaum eine Studie gibt, die eine Verbindung zwischen Histaminen im Wein und allergischen Reaktionen bei den Konsumenten nachweislich belegt...