Krebs aus Weinbergen - Entwickelt sich ein Sturm? (Teil-2)

15.10.2015 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und insbesondere im Weinbau ist in Frankreich ein sehr umstrittenes Thema, vor allem auch in Bordeaux. Dies belegt eine aktuelle Studie französischer Gesundheitsbehörden (ARS und InVS) hinsichtlich des Einsatzes von Pestiziden im Weingebiet Sauternes in Verbindung mit einer überdurchschnittlichen Erkrankung von Kindern an Krebs, die Reaktion darauf und der Umgang damit, wie in Teil-1 "Krebs aus Weinbergen - Einzelfall oder beunruhigender Trend?" aufgezeigt wurde.

 

Die Tochter eines Winzers aus dem Entre-Deux-Mers hat den Krebstod ihres Vaters diesen Sommer als "fahrlässige Tötung" angeklagt und einen Antrag auf rechtliche Schritte gestellt. Der Winzer hatte 40 Jahre lang seine Rebflächen mit Pestiziden behandelt, einschließlich Natriumarsenit, dass mittlerweile als Karzinogen, eine Substanz, ein Organismus oder eine Strahlung, die Krebs erzeugen oder die Krebserzeugung fördern kann, verboten wurde. Die Jungwinzerin steht mit ihrer Forderung nach Transparenz hinsichtlich der Risikofaktoren im Weinbau nicht allein. Geschlossen hinter ihr steht die Mehrweit der jungen Generation französischer Winzer.

Jean-Pierre Manceau, ehemaliger Bürgermeister von Preignag, war der Erste, der gegenüber den Gesundheitsbehörden Bedenken über die Krebsrate seiner Bürger berichtete. Manceau war zwei Jahrzehnte technischer Direktor sowie Gesundheits- und Sicherheitsingenieur an der Universität in Bordeaux, bevor er das Bürgermeisteramt übernahm. Im Jahr 2012 wies ihn ein Lehrer der Schule in Preignag auf die Fälle an Krebs erkrankter Kinder hin.

Manceau ärgerte sich zu dieser Zeit schon längst über die Winzer, die seine Anrufe mit der Bitte missachteten, nicht während der Schulzeit in der Nähe der Schule zu spritzen. Statt sich weiter zu streiten, kontaktierte Manceau die Behörde ARS. "Ich bat dort um eine Untersuchung", erzählt Manceau. Es kam in der Folge zu einer Sitzung mit der ARS und der InVS, die im März 2013 stattfand. Daraus resultierte ein erster Bericht im Oktober 2013. Aber es dauerte weitere 22 Monate, bevor der Abschlussbericht veröffentlich wurde, zu einer Zeit im August 2015, wo die 'Grande Nation' in Urlaub waren.

Mittlerweile hat der Abschlussbericht begonnen zu zirkulieren, aber eine Reaktion der lokalen Winzerschaft und auch das Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux (CIVB), bleibt aus. Bezeichnend für die "zögerliche" Verbreitung des Abschlussberichtes der Studie ist die Reaktion einer Mutter aus Preignag. Deren Sohn war 1999 verstorben, nachdem Leukämie diagnostiziert wurde. Die Mutter hat nun Strafanzeige wegen Gefährdung gestellt. "Ich habe von dem Bericht aus der Zeitung erfahren. Niemand hat uns informiert", sagt die aufgebrachte Mutter.

"Ich glaube, meine Aktion hat mich die Wiederwahl gekostet", sagt Manceau. "Die CIVB reagiert überhaupt nicht. Sie wollen das Thema ebenso wie die Hersteller der Pflazenschutzmittel am liebsten begraben. Und die Winzer machen es ebenso. Aber nachdem mein Engagement bekannt wurde und sich die ARS und die InVS dem Thema angenommen haben, können wir feststellen, dass Winzer oder deren Arbeiter nur noch in Schutzkleidung gesichtet werden, wenn Sie mit Pflanzenschutzmittel hantieren."

Bernard Farges, Präsident der CIVB, weist jüngste Vorhaltungen vehement zurück, die seiner Behörde eine Ignoranz des Themas vorwerfen. "Wenn die Schlussfolgerungen der Studie eine direkte Kausalität zuließen, würden Sie dann glauben die Regierung würde den Beruf des Winzers hinsichtlich der Anwendung und auch die Produktion solcher Produkte zulassen?", erwidert Farges die Anschuldigungen. "Denken Sie daran, die Pflanzenschutzmittel sind vom Staat zur Anwendung in den Rebflächen gesetzlich autorisiert."

"Es gibt nur wenige Vorschriften zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, diese zu ändern ist schwer", sagt Nadine Lauverjat von Generations Futures, einer Anti-Pestizid-Watch-Gruppe. "Beispielsweise sollten die Winzer nicht sprühen, wenn die Windgeschwindigkeit mehr als 19 Kilometer pro Stunde weht." Gerade hat der französische Gesetzgeber eine weitere Maßnahme verabschiedet, das Sprühen nur noch unter Verwendung von Richtungsdüsen vorzunehmen, um die Ausbreitung von Molekülen in der Luft zu reduzieren. "Das Sprühen im Umkreis von 150 Metern von Schulen und Kindergärten ist verboten worden. Aber Studien haben bewiesen, dass Moleküle in der Luft längst nicht nach 150 Metern halt machen", sagt Lauverjat.

Franck Dubourdieu, Önologe und Cousin des weltweit anerkannten Önologen Denis Dubourdieu, wuchs in der Nachbarregion von Sauternes in Barsac auf. Sein Vater war Winzer. Dieser erkrankte an Parkinson und verstarb. "Mein Vater hat 30 Jahre lang mit Pflanzenschutzmitteln seine Rebflächen behandelt. Als er erkrankte, hatten wir noch keine Ahnung, dass Pflanzenschutzmittel der Grund dafür sein könnten. Aber mit dem heutigen Wissen, sehen wir durchaus eine Kausalität", sagt Dubourdieu. "Viele aus der Weinbranche verlangen weiterhin Beweise für eine Kausalität und verwerfen die Möglichkeit, dass Pflanzenschutzmittel krank machen können. Sie sagen, es wäre möglich, aber es sei nicht sicher. Es bedarf leider erst Gesetzen, bis sich was ändert."

Wie ein Teil der Winzer in Bordeaux auf den Bericht reagiert und gleichzeitig kontrovers diskutiert, das lesen Sie morgen im Folgebeitrag: Teil-3 - "Krebs aus Weinbergen - Erste Reaktionen in Bordeaux".