Wunderdroge: Können Polyphenole in Rotwein Alzheimer ausbremsen?

Von Arthur Wirtzfeld

  • Hohe Dosen an Resveratrol zur Bekämpfung der Alzheimer sind passe. Dr. Nady Braidy und sein Team haben eine effektivere und weniger dosierte Lösung parat. (© Leah-Anne Thompson)
  • Dr. Nady Braidy, der zu Wissenschaftlern in Deutschland und Südafrika im kollegialen Kontakt steht, ist einer der führenden Forscher der Alzheimer's Australia Dementia Research...

Resveratrol, eine Polyphenol-Verbindung in Rotwein, Schokolade, Beeren und anderen Lebensmitteln steht kurz davor, den Ruf als Wunderdroge zu bewahrheiten. Das Potenzial von Resveratrol, ein Phytoalexin mit antioxidativen Eigenschaften, das zu den Polyphenolen zählt und zur Behandlung von verschiedenen Krankheiten Verwendung findet, hat die Wissenschaft nachgewiesen, aber es gibt unerwünschte Nebenwirkungen, auch weil es in extrem hohen Dosen verabreicht werden muss. Jetzt hat ein wissenschaftliches Team in Australien vielversprechende Laborergebnisse erreicht, die Alzheimer mittels Resveratrol in Kombination mit weiteren Stoffen im Rotwein ausbremsen könnten.

Eine bereits in 2015 veröffentlichte Studie der Georgetown University in Washington zeigt die typischen Fallstricke der Forschung, die auch bei Verwendung von Resveratrol der Wissenschaft Kopfzerbrechen bereitet. Diese US-Studie weist nach, das große Mengen von einem Resveratrol-Äquivalent in der Quantität von 1.000 Flaschen Wein, die Symptome der Alzheimer bei Menschen verlangsamt und so die Lebensqualität aufrecht erhalten kann. Diese hohe Konzentration, die positiv hinsichtlich Alzheimer vom menschlichen Körper verarbeitet wird, lässt sich nur mit einem Medikament verabreichen. Und hierin liegt die Crux, also der Knackpunkt, denn solche extremen Dosen können zu gefährlichen Kombinationen und somit zu Nebenwirkungen führen wie Übelkeit, Durchfall bis hin zu schweren Dehydration. Die Kardinalfrage ist also: Wie reagieren verschiedene Polypheole im menschlichen Körper und welche Wirkungen sind zu erwarten? Das konnte die US-Studie noch nicht beantworten.

Die neue in Australien jetzt in der Fachzeitschrift Current Topics in Medicinal Chemistry veröffentlichte Studie hat zwar die Idee, Resveratrol mittels Medikation in Tablettenform zu verabreichen, aufgegriffen, aber dieses Mal mit einem anderen Ansatz. Angeführt vom Neurowissenschaftler Dr. Nady Braidy, Forscher am Australien University of New South Wales, wurden Versuche unternommen, die ultrahohen Dosen an Resveratrol und die damit verbundenen Probleme zu vermeiden. Basis der Ergebnisse ist eine Kombination mit Resveratrol aus lediglich 13 Flaschen Rotwein mit jeweils anderen natürlichen Verbindungen, ebenfalls aus Rotwein – ein Antioxidans im Zusammenwirken mit chelatischen Verbindungen, die unerwünschte Nebenwirkungen weitgehend reduzieren. Rotwein enthält eine Menge beider natürlicher Substanzen. 

Anm. d. Red.: Antioxidans ist eine chemische Verbindung, die eine Oxidation anderer Substanzen verlangsamt oder gänzlich verhindert. Diese wird in der Medizin in Zusammenhang gebracht mit dem Alterungsprozess und der Entstehung einer Reihe weiterer Krankheiten. Chelatische Verbindungen (Chelatkomplexe) bringen einen Stabilisierungseffekt.

Die Forscher um Dr. Braidy vermuten, dass eine Kombination aus Antioxidans und Chelatkomplexe ohne die schädlichen Nebenwirkungen auskommt, die ansonsten die hohen Dosen Resveratrol aus Rotwein mit sich bringen. Das australische Team hat zuerst eine Behandlung mit 30 Patienten durchgeführt – mit viel versprechenden Ergebnissen. Insbesondere hat sich die Aktivität von NAD+ erhöht, eine wichtige Reaktion des Stoffwechsels in lebenden Zellen, die im positiven Sinne mit der Behandlung von altersbedingten neurodegenerierten Erkrankungen in Verbindung gebracht wird – Alzheimer gehört dazu. Aufgrund der positiven Ergebnisse sollen jetzt eine weit größere Gruppe von Patienten getestet werden.

Für Rotweinliebhaber soll dies allerdings kein Freibrief sein. Aber irgendwie ist es doch beruhigend zu wissen, dass solche gesundheitsfördernden und auch wissenschaftlich nachgewiesenen Substanzen in Rotweinen enthalten sind und medizinisch nutzbar gemacht werden können. Aber Sie wissen ja, das Maß ist der Schlüssel jeder Wirkung.