Dös got net
Ein Roter namens Granat
Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 29. August 2019
DEUTSCHLAND (Korb) – Wein und Mineralität ist eine Paarung, die im Gegensatz zu früher heute ein heisses Thema in der Weinszene ist, das kontrovers diskutiert wird und beispielsweise dann, wenn die schreibende Zunft lapidar notiert: „… ein mineralischer Wein …“. Es ist nicht so einfach. Dass, was im Wein als mineralisch verstanden wird, bezieht sich stets auf den Boden, in dem die Reben wurzeln. Man muss hierbei differenzieren: Minerale und Mineralstoffe, beide unterscheiden sich erheblich. Ein Mineral, wie beispielsweise Granat – auf diese Bezeichnung gehe ich gleich genauer ein – aber auch Alabaster oder Kiesel, sind kristalline Verbindungen, die durch geologische Prozesse in Millionen von Jahren entstehen. Anorganische Nährstoffe, also die Gruppe der Mineralstoffe, dazu gehören beispielsweise Calcium, Quarz, Kiesel oder Feldspat (Mengenelemente) oder Eisen und Zink (Makroelemente), benötigt jeder Organismus entweder in Mengen oder zu mindestens in kleinen Dosen, egal ob Mensch, Tier oder Pflanze, zum Überleben. Mineralstoffe finden sich im Boden, aber auch in der Nahrung, die aus dem Boden wächst und sich vom Boden ernährt. Bekannt ist, dass die Lebensmittelindustrie Mineralstoffe künstlich herstellt und Nahrungsmitteln zufügt, aber das wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen.
Eine Rotwein-Geschichte aus Württemberg
So weit, so gut. Kommen wir zum eigentlichen Thema und Auslöser des Intros, dem „Roten Granat“ von Albrecht Schwegler aus Korb und seiner Geschichte. Es war die Zeit zur Geburt seines Sohns Aaron, Ende der 80er Jahre, als Schwegler den „Granat“ auflegte. Jüngst, drei Jahrzehnte später, präsentierte Aaron Schwegler eine beeindruckende Vertikale in kleinem Kreis. Aaron, der heute die Verantwortung hat, hatte 22 Weine zur Präsentation vorbereitet, deren Qualität durchgehend als ausgezeichnet testiert werden musste. Es waren Tropfen, die keine Schwächen zeigten aber mit einer Reihe an Höhepunkten aufwarteten, die die Leistungsfähigkeit der Weine des Remstals bezeugen, wenn man das Potenzial der Region zu nutzen weiss.
Die dunkle „granat-rote“ Farbe im Glas ließ nicht auf das Alter des Weins schließen. Sanfte Aromen in der Nase führten zu einem eleganten, vielschichtigen Gesamteindruck. Dieses Cuvée von Lemberger und Zweigelt hatte Tiefgang und, hätte man sie blind verkostet, einem Jahrgang Mitte letzter Dekade zugeordnet. Von wegen. Der „Granat“ war Jahrgang 1990, stammte von Trauben, deren Reben damals auf 0,66 Hektar kultiviert waren, mit denen Albrecht Schwegler in Korb gemeinsam mit seiner Frau Andrea als Garagenwinzer startete.
Die Cuvée, die Albrecht Schwegler seinerzeit „Granat“ nannte – bezogen auf das gleichnamige Mineral, dass bereits Bestandteil von Schmuckstücken in der Antike war – entwickelte sich schnell zu seinem großen Wurf. Und der selbstbewusste Preis von damals 44 D-Mark wurde zu Schweglers Markenzeichen. Die Reaktion seiner Kollegen war bezeichnend: „dös got net“. Die Einschätzungen beliefen sich auf höchstens 20 D-Mark, obwohl das damals für Wein aus Württemberg schon extrem hoch war. Aber Albrecht Schwegler blieb selbstbewusst, was ihm Anerkennung brachte, auch weil er in Weinmedien sympathisch erschien. Heute ist Schweglers Granat, der nur in Jahrgängen, in denen „alles zusammenpasst“, erhältlich ist, bei 56 Euro angelangt – ein eher „moderater Preis“ meint Albrecht Schwegler, da es „eine Reihe deutscher Kollegen gäbe“, die für ihre Top-Rotweine noch mehr verlangen.
Differenzierte Kombinationen
In die Reihe der Verkostung fielen weitere Weine des Hauses auf. Der „Saphir“, als Zweitwein von Schwegler eingestuft, ist ebenfalls bemerkenswert. Dazu gesellt sich noch ein äußerst seltener Kandidat namens „Solitär“, der in der bisherigen Gutsgeschichte nur dreimal nach langem jeweils sechsjährigem Lagern in Barriques in Flaschen gefüllt wurde. Der 2011er Solitär, ein Zweigelt, der 2018 in den Verkauf kam, war ratz fatz ausverkauft. Die Kunden zahlten anstandslos 180 Euro für die 0,75-l-Flasche und waren nur unzufrieden, weil es nicht genügend Flaschen gab.
Was Schweglers Rote, dazu zählt der „Granat“, der Zweitwein „Saphir“ und der Einstiegsrote „Beryll“, so unverwechselbar machen, ist deren Wechsel in der Zusammensetzung von Jahr zu Jahr. Die Weine werden einzelnen von Fass zu Fass verkostet und erhalten so ihre Einstufung. Der „Granat“ enthält immer einen Anteil an Zweigelt, aber zuweilen ergänzt nur mit Cabernet Sauvignon (Jahrgang 2016) oder mit der Kombination Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah (Jahrgang 2015) oder auch schon mal mit Cabernet Franc und der Schweizer Piwi-Kreuzung Cabertin. Letztere Sorte sei für einen Solo-Ausbau „nicht sonderlich geeignet“, aber ein „guter Cuvée-Partner“, sagt Albrecht Schwegler.
Aaron und seine Ziele
Rot ist seit einigen Jahren nicht mehr die einzige Farbe im Hause Schwegler. Inzwischen hat sich Aaron eine eigene Spielwiese geschaffen, kann einen knackigen Rosé, mineralischen Riesling und einen eleganten, geschmeidigen Chardonnay vorweisen, zu denen man ihm gratulieren darf. Seine nächste Zielsetzung: Mal mit Riesling und Pinot Noir Furore machen. An Aarons „Edel-Rotem“ Jahrgang 2017 hätte ein Pinot-Künstler, sein Schweizer Lehrmeister Daniel Gantenbein, wohl viel Freude. Es scheint, als ob der Sohn auf dem Weg ist, Gleiches zu schaffen wie der Vater es vorgemacht hat.
Rückblick
Den heutigen Erfolg hatte sich Albrecht Schwegler womöglich erträumt, vielleicht erhofft, aber es war von Beginn an kein leichtes Unterfangen. Der Opa hatte mit Weinbau begonnen, der Vater hatte es fortgeführt und für Albrecht Schwegler war schon früh klar, dass er Winzer werden wollte. Seine Lehre machte er im Schlossgut Hohenbeilstein, anschließend absolvierter er die Technikausbildung in Weinsberg. Danach folgten sechs Monate Auslandslehrzeit in der südafrikanischen Genossenschaft KWV, die vom Schwaben Willi Hacker geführt wurde. Nach einem eher kurzen Aufenthalt in Neuseeland folgten acht Jahre als Kellermeister der Remstalkellerei in Weinstadt-Beutelsbach, die in den 80er Jahren einen guten Ruf hatte.
Bis 2008 hatte Schwegler nur zwei Hektar unter Reben. Aber mit Eintritt des gut ausgebildeten Sohnes Aaron, der Stationen bei Sven Ellwanger, Joachim Heger und beim Schweizer Gantenbein durchlaufen hatte, sollte aus dem eigentlichen „Garagenbetrieb“ ein vollwertiges Weingut werden, das die Familie ernähren kann. Heute hat man zehn Hektar im Ertrag. Nächster Schritt ist der Bau eines modernen Weinguts mitten in der Natur. In Korb wurde man wegen des Grundstücks hierfür leider nicht fündig, dagegen aber in der Nachbarstadt Waiblingen, wo Vater Albrecht mit einem zweiten Standbein schon seit 2005 als Unternehmer aktiv und ansässig ist. Nach seiner Tätigkeit bei der Remstalkellerei heuerte Albrecht Schwegler als Organisator bei der FAG Kugelfischer in Waiblingen an. Als diese Niederlassung geschlossen wurde, wurden ihm die Räumlichkeiten angeboten. Er schlug ein und gründete mit einem Partner 1993 die LTK Lineartechnik, ein heute sehr erfolgreiches, mittelständisch strukturiertes Maschinenbau-Unternehmen. Es hatte sehr dazu beigetragen, dass er und Gattin Andrea mit seiner früheren kleinen Rebfläche gut leben konnten.