Private Selection

Liliac, die vinophile Fledermaus

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 18. Mai 2020


RUMÄNIEN (Batos) – Aus Transsilvanien, einst das Land der „Siebenbürgener Sachsen“, stammt dieser aussergewöhnliche Rote, der mich beeindruckt hat und über den ich erzählen möchte. Schon seine dunkle Farbe im Glas ist auffällig anders. In der Nase pflaumige Noten, Tabak und Sandelholz. Am Gaumen, samtig, wuchtig, untermalt von zarten Tanninen, mit pfeffriger Länge. Über allem ist er dennoch leise, in rauer Natur geboren und mit markantem Echo ausgestattet. Was erstaunt: Er ist ein Pinot Noir, aber derart eigenständig, kaum etwas erinnert an die so typischen Aromen und Geschmack dieser Burgundersorte. Sein Name: wie das Weingut, das eher einer Boutique-Winery gleicht, Liliac (rumänisch Fledermaus). Sein Gehalt: „Stolze 14,5 Volumenprozent“. Sein Status: „Private Selection“. Sein Eindruck: „Stark, nachhaltig, besonders!“

Die Geschichte einer Vision

Es war Anfang der letzten Dekade, als der Wiener Architekt und Immobilienmakler Alfred Michael Beck sein Abenteuer in Rumänien suchte. Mitten in einer wilden Landschaft, im Schutz des Karpatenbogens liegend, platzierte er ein Weingut. Seine Idee: Wein billig zu produzieren und von hier aus zu exportieren. Aber das wäre wahrscheinlich gründlich schiefgegangen, weil er mit dieser Vision eher auf dem Holzweg gewesen wäre. Hier im menschenleeren Norden Rumäniens, wo seit Jahrhunderten Wein kultiviert wird, schlummern allerdings Potenziale, die Beck anfänglich nicht sofort erkannte. Erst Miron Radic, ein bosnischer Serbe, aufgewachsen in Österreich, brachte Beck auf die Spur, seine Vision zu überdenken – im Ergebnis heute die Basis besonderer und eigenständiger Weine von Liliac mit ungeahntem Erfolg.

Wie es der Zufall wollte, hatte sich Radic für seine Bachelorarbeit über Weinmarketing just das Weingut von Beck ausgesucht. Er erkannte schnell, dass in Rumänen jeder Billigwein produziert. Hier tummeln sich auch Gestalten, die in große Rebflächen investieren, aber keine Ahnung haben was sie da machen und wo sie ihre Weine verkaufen sollen. Außerdem befindet sich der größte Teil der etwas über 200 000 Hektar Rebflächen des Landes im Besitz von großen Kellereien und Genossenschaften. Allesamt bringen solche Produzenten in Rumänien billige Massenweine auf den Markt, die außerhalb des Landes keine Rolle spielen.

Als Radic sich in den letzten Zügen seiner Bachelorarbeit befand, versuchte er Beck zu überzeugen, Qualitätsweine statt Billigweine zu machen. Weine, die nach Radics Überzeugung zu einem jungen Publikum passen würden, die fruchtig frisch daher kämen, trocken und modern sein sollen. Bei Beck, der selbst merkte, dass er den richtigen Weg noch nicht gefunden hatte, kam diese Idee gut an. Ohne große Überlegung bot er Radic den Posten als Geschäftsführer an. Der überlegte nicht lange und begann die eigentliche Vision von Liliac in 2016 umzusetzen.

 

Der rasante Aufstieg von Liliac

Allein schon der dadurch geborene hohe Anspruch des „geläuterten“ Beck und des jungen ambitionierten Radic hebt das Weingut Liliac heute auf einen Level, den bisher nur wenige Weingüter in Rumänien erreichen. Mit seinen etwas über 50 Hektar ist Liliac im Land eher ein Boutique-Weingut. Im Ertrag sind weiße autochthone Sorten wie Fetească Albă und Fetească Regală, die sich beide mit reiner Frucht und schöner Frische präsentieren. Überhaupt dominieren in diesem Landstrich traditionell die Weissweine. Dies hat seinen Ursprung in der Besiedlung durch Moselaner im 12. bis 16. Jahrhundert. Damals brachten die Familien aus der Moselregion ihre Kenntnisse im Weinbau mit nach Transsilvanien.

Auch Liliac hat überwiegend Weißweine im Angebot. Einheimische Winzer trauen sich selten an die Kultivierung von roten Reben, raten auch heute noch meist davon ab. Doch das spornte Radic erst recht an. Er ließ Reben der Sorten Fetească Neagră, Merlot und Pinot Noir anbauen. Was wir aus deren Trauben heute an Roten im Glas haben, überzeugt auf ganzer Linie. Gerade die Fetească Neagră (deutsch: Mädchentraube) ist heute die Basis für den erfolgreichsten Rotwein von Liliac – die „Red Cuvée“ – mit 30 Prozent Anteil an Merlot. Ebenso erfolgreich ist der reinsortige Merlot von Liliac, der kurz nach seiner Geburt in 2015 den Titel „Bester Rotwein Rumäniens“ einheimste. Und der von mir zu anfangs besprochene Pino Noir, der nur in kleinen Mengen produziert wird, hat ohne Frage eine besondere Qualität und Charakter. Dies lässt sich Liliac auch gut bezahlen. Rund 40 Euro kostet die „Private Selection“ und ist damit einer der teuersten Rotweine Rumäniens.

Inzwischen haben Beck und Radic ihre gemeinsam geeichte und avisierte Zielgruppe im Griff. Weine von Liliac werden gerade in Rumänien geschätzt, mehr als zwei Drittel bleiben im Land, der Rest geht in den Export. Grund für den Erfolg sind in erster Linie die Qualität der Weine und in Kombination die Akzeptanz der rumänischen Konsumenten. Gerade die internationalen Sorten wie Merlot, Grauburgunder, Chardonnay, Sauvignon blanc und Pinot Noir kommen im Land gut an, insbesondere auch, weil junge Weintrinker diese Sorten den autochthonen Sorten vorziehen. Diesen haften den jungen Rumänen zu viel Patina der alten Generation an. Dennoch sind gerade Weine aus angestammten rumänischen Sorten besonders für Weintrinker außerhalb Rumäniens interessant.

Geschafft!

Und das ist die Geschichte der beiden Protagonisten Beck und Radic, die in nur wenigen Jahren einen bemerkenswerten Aufstieg mit Liliac schafften. Zu Beginn in 2012 wurden rund 12 000 Flachen gefüllt, heute sind es über 400 000. Mittlerweile wurden Rebflächen gepachtet und Trauben liefernde Winzer auf Qualitätsarbeit im Weinberg getrimmt und überwacht. Die Nachfrage im eigenen Land ist groß, der Druck genügend Weine zu liefern ebenfalls.

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