Carlo gehört die Zukunft

Silvi Schmitt: Nach Schicksalsschlag alles im Griff

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 15. April 2020


DEUTSCHLAND (Leiwen) – Es sind die grundlegenden Fragen nach Schicksalsschlägen: weitermachen oder aufgeben? Wie zu Gloria Mathern in meinem Artikel „Gloria Mathern: Nach Schicksalsschlag alles im Griff“ geschildert, stand auch Silvi Schmitt vor dieser Entscheidung. Es war das Jahr 2010. Es war der 3. September. Es war die Zeit kurz vor der Weinernte. Winzer Heinz Schmitt, der gerade nach einer etwas schwankenden Periode mit seinen 22 Hektar wieder an alte Klasse angeknüpft hatte, stürzte mit seinem Traktor im steilen Köwericher Laurentiuslay ab. Kurz darauf erlag er seinen Verletzungen. Er wurde 49 Jahre alt. Silvi und Heinz Schmitt lebten damals getrennt. Und so stellte sich der studierten Ökotrophologin, die in Köwerich eine Kindertagesstätte betreute und ihre Tochter Senta und Sohn Carlo versorgte, die Frage: Das Weingut retten? Zuerst aber einmal die Ernte in den Keller bringen.

Solch eine Anstrengung geht aber nicht ohne Hilfe. Eingreifende Winzer und deren Teams retteten den Jahrgang 2010. Silvi blieb aber nichts weiter übrig, als einen Großteil der Ernte im Moststadium zu verkaufen. Nur ein Teil der Ernte wurde unter Obhut des bereits 75-jährigen Kellermeisters Erich Clüsserath vindiziert und 9000 Flaschen konnten so gefüllt werden. Der noch rüstige und im Keller erfahrene Rentner wusste zu der Zeit nicht, dass er noch jahrelang gefragt sein würde. Erst nach dem Schock, erst nachdem die Ernte im Keller war, konnte Silvi aufatmen, sich Gedanken über sich selbst und ihre Kinder, das Weingut und über die Zukunft machen. Ihr Entschluss war mutig, sie entschied sich als Seiteneinsteigerin das Gut zu retten, anstatt es der Aufteilung oder Insolvenz zu überlassen.

Silvi entschloss sich aufzuräumen, ungeklärte Finanzen zu klären, sich der unbekannten Bürokratie zu stellen und sie fragte sich, wohin mit 220.000 Flaschen edelsüßer Weine? Ein Freund aus Luxemburg vermittelte einen Teil zum Verkauf. Die so dringend benötigten Finanzmittel halfen vorerst. Als nächstes reduzierte Silvi die Rebflächen, was gelang, weil Heinz Schmitt viel auf Pachtfläche gearbeitet hatte. Die Verpächter hatten ein Einsehen, der Rücknahme von Ertragsflächen stimmten sie problemlos zu.

Carlo gehört die Zukunft

Was dann von 22 Hektar übrig blieb, waren kaum mehr als zwei Hektar in steilen Toplagen wie Neumagener Rosengärtchen, Klüsserather Bruderschaft und Laurentiuslay – ein Kleinod an alten, wurzelechten Reben, in die Carlo Schmitt schon als Jugendlicher viel Arbeit investiert hatte. Ab und an musste Silvi ihren Sohn anhalten, diese Parzellen und die darin kultivierten Reben nicht zu vernachlässigen. Viel früher, als Carlo die Schulbank drückte, war schon klar, dass er eines Tages das Gut des Vaters übernehmen würde. „Sobald ich laufen konnte, war ich im Weinberg und im Keller unterwegs.“ Der heute 22-Jährige machte eine dreijährige Lehre im angesehenen örtlichen Weingut Werner. Dann absolvierte er ein Gesellenjahr in Luxemburg. Inzwischen drückt er in Weinsberg die Schulbank, um zum Weinbautechniker ausgebildet zu werden.

Carlos erster, weitgehend selbstständig verantworteter Jahrgang, war 2017. Er entschied sich für Spontangärung und ein langes Hefelager. „Wein braucht Zeit, um sich zu entwickeln“, sagt der selbstbewusste Jungwinzer. Gelegentlich öffnet er Weine, die sein Vater vinifiziert hat. Vorräte aus der Zeit vor 2010 gibt es noch. Und so lassen sich beispielsweise Auslesen aus 2001 heute zu Schnäppchenpreisen erwerben, nur mal so als Tipp. Gemeinsam mit Glora Mathern und deren Sohn Henning – siehe mein Beitrag „Gloria Mathern: Nach Schicksalsschlag alles im Griff“ – haben Silvi und Sohn Carlo noch Raritäten in ihrem Keller lagern.

Senta und Carlo sind Teamplayer

So wie die Nahe-Seiteneinsteigerin Gloria sich einst dem Handball hingab, so begeistern sich die jungen Moselaner aus dem Weingut Heinz Schmitt Erben für Fußball. Tochter Senta, die schon Weinkönigin der Region Römische Straße war, ist engagiertes Vorstandsmitglied beim Bezirksligisten SV Leiwen-Köwerich. Außerdem sitzt sie im Vorstand des örtlichen Festausschusses und rockt schon mal moderierend eine große Weinprobe. Bruder Carlo tut es ihr nach und kickt im gleichen Verein, in dem seine Schwester sich engagiert. Als Fan des 1. FC Köln eifert Carlo seinem Vorbild Nationalspieler Jonas Hector nach und fühlt sich auf dem grünen Rasen auch am wohlsten auf dessen Position in der Abwehr oder im Mittelfeld. Gerade kuriert er einen Kreuzbandriss, der ihn durch ein grobes Foul aber nur marginal ausbremst. Seine Krücken, die er mittlerweile wieder in die Ecke stellen konnte, trübten seine Ausbildung zum Weinbautechniker in der Weinbaulehranstalt Weinsberg in keiner Weise.

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