Bundesweinprämierung: Die DLG auf Irritationskurs

04.11.2010 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Frankfurt) - Im einleitenden Absatz der Presseinformation der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) zum Ergebnis der Bundesweinprämierung ist gleich dreimal das Wort „Spitze“ zu finden. Damit soll offenbar deutlich gemacht werden, welch großartige Produzenten sich an diesem Wettbewerb wieder einmal beteiligten und wie hoch das Niveau der Weine ist. Auch Weinbaupräsident Norbert Weber war voll des Lobes und erklärte bei der Siegerehrung in Heilbronn: „Diesen Erzeugern haben wir es zu verdanken, dass der deutsche Wein wieder weltweit geschätzt wird.“ Mit Verlaub, Herr Präsident, mit dieser Einschätzung liegen sie weit daneben.

 

Man darf davon ausgehen, dass nur sehr wenig der Betriebe, die in der „Top 100“-Liste der besten Weinerzeuger der DLG stehen, über Deutschland hinaus bekannt sind. Denn die deutsche Elite, die in der Tat für eine hohe Reputation des deutschen Weines auf internationalem Feld gesorgt hat, ignoriert diesen angeblich bedeutenden Wettbewerb weitgehend. Die Rede ist vom Verband der Prädikatsweingüter (VDP) und seinen rund 200 Mitgliedern. Hier gibt es zwar auch einige, die nichts in diesem Club verloren haben, aber doch viele, die erstklassige Weine machen. Und von denen ist kaum jemand in der 100er-Aufstellung mit dem Top-Versprechen zu finden.

Nur vier VDPler sind hier vertreten (die Franken Horst Sauer, Juliusspital, der Badener Andreas Laible und aus dem Rheingau die Georg-Müller-Stiftung). Selbst wenn man alle Anstellungen in Augenschein nimmt, kommen unter dem Strich nicht mal zehn Güter zusammen, die zum VDP gehören. Macht bei 384 teilnehmenden Betrieben gerade mal etwas über zwei Prozent. Die DLG argumentiert, es handle sich um einen freien Wettbewerb, zu dem jeder anstellen könne, aber nicht müsse. Stimmt. Aber früher ließen sich in den Ergebnislisten der Bundesprämierung wenigstens noch 25 Prozent Erzeuger finden, die dem Nobelclub angehören.

Da ist es schon keck, wenn die DLG von einer „führenden Qualitätsprüfung für deutsche Weinerzeuger“ und einem „konkurrenzlosen Gradmesser für deutsche Weinqualitäten“ spricht. Sicherlich läuft bei den Verkostungen alles ordnungsgemäß ab und wird nirgendwo gemauschelt. Aber es ist auch offenkundig, dass die Verkoster überwiegend recht genügsam sind und reihenweise schlichte, einfache Weine mit Gold, Silber und Bronze dekorieren. Selbst bei einem „Gold Extra“ ist man nicht vor einer negativen Überraschung gefeit. Hin und wieder darf man sich wundern, weshalb ein exzellenter Wein die gleiche Wertschätzung der Jury erfuhr wie ein banaler Langweiler. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum die meisten Erzeuger von Spitzenweinen nicht oder nicht mehr mitmachen.

An eine gründliche Selektion traut man sich offenbar nicht heran und hat vermutlich auch nicht die kritischen Juroren dafür. 5300 Weine und Sekte wurden angestellt, 4338 Medaillen vergeben. Das ist eindeutig zu viel, dient aber der Zufriedenheit der Ansteller, die für ihre Gebühren eine stolz machende Gegenleistung bekommen. Den Auszeichnungen, die auf den Flaschen prangen, sollen sogar die Verbraucher vertrauen. Das hätten Untersuchungen ergeben, versichert man bei der DLG. Doch wer fragt die kundigen Verbraucher, die automatisch um eine DLG-Medaille einen weiten Bogen machen (und ihn um ein Wapperl von einer Landesprämierung noch erweitern)?

Was sollen kritische Konsumenten von einer Auszeichnung wie dem „Winzer des Jahres“ halten, der sich im DLG-Ranking in diesem Jahr von 73. auf den 65. Rang „vorgearbeitet“ hat, aber für seine betriebliche Gesamtleistung über einen längeren Zeitraum hinweg einen Bundesehrenpreis in Gold erhielt? Der Pfälzer VDP wird sich gewiss nicht überlegen, diesem Weingut der Brüder Anselmann die Mitgliedschaft anzutragen. Und der Gault Millau wird die Ehrung ebenfalls nicht zum Anlass nehmen, die Anselmanns von Kategorie sechs „weiter empfehlenswert“ in die Traubenklasse aufsteigen zu lassen. So gehört der DLG-Winzer des Jahres hier nicht mal zu den besten rund 650 Erzeugern, die zumindest Traubenstatus haben.

Irritiert von einem DLG-Ergebnis kann auch sein, wer dem Titel „Bester Jungwinzer Deutschlands“ vertraut, der im Zusammenhang mit der Weinprämierung separat vergeben wird und eigentlich eine gute Sache ist, weil damit der Nachwuchs auf sich aufmerksam machen kann. Man muss schon den Pressetext sehr genau lesen, um zu erfahren, dass sich nicht die Weinqualität auf dem Prüfstand befand, sondern das Fachwissen und die Weinsensorik der Bewerber. Die Siegerin, die 25-jährige Ilonka Scheuring aus Franken, verspricht zwar „Weine mit Anziehungs- und Ausstrahlungskraft“. Aber wenn die Qualität bei der Preisvergabe eine Rolle gespielt hätte, wäre sie deutlich hinter dem Zweiten (Gerd Bogert aus Rheinhessen) und dem Dritten (Boris Birkert aus Württemberg) gelandet. Letzterer, der eine stattliche Kollektion vorweisen kann und seinen vor einem Jahr erfolgten Aufstieg in die Trauben-Kategorie im Gault Millau damit locker bestätigt, ist freilich mit seinen 35 Jahren und seiner gut zehn Jahre zurück liegenden Studienzeit nicht unbedingt das, was man unter „Jungwinzer“ versteht…