Subtiler Geschmack ist der Schlüssel zum Weinmarkt in China

07.04.2014 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Peking) - Während internationale Weinmarken immer noch an der Feinabstimmung ihrer Strategien für die Vermarktung in China feilen, versuchen inländische Erzeuger immer mehr Anteile am Markt abzugreifen. Aber der Druck ausländischer Weinnationen wächst und ihre Lobby auch. Libin Gao wirbelt einen Vintage Bordeaux im Glas, nimmt einen gemessenen Schluck, überlegt und schreibt seine Notizen in ein Formular. Er bemüht sich gewissenhaft zu reflektieren was er sieht, riecht und schmeckt.

 

Es ist ein Samstagnachmittag in Peking. Wir befinden uns im 8. Stock eines unscheinbaren Bürohochhausens im Meer der Gebäude dieses urbanen Molochs. Gao und seine 11 weiteren Kollegen sitzen in einer Art Klassenzimmer. Vor sich Weingläser, Wasserflaschen und ein Formular. Sie alle wollen vermeintlich chinesische Weingeschichte schreiben und nehmen an einem Weinkurs der Wine & Spirit Education Trust (WSET) teil.

Wie seine Kollegen ist Gao ein Mitglied eines Pilotprogramms. Die Weinstudenten werden in Mandarin unterrichtet - das Konzept ist aber britisch. Es ist der Level-3 der WSET und alle wollen unbedingt das Weinzertifikat erhalten. Nach erfolgreichem Abschluss des Kurses können sich die Kandidaten zu den ranghöchsten Weinexperten Chinas zählen. Was aber Gao und seine Kollegen nicht ahnen - sie werden zukünftig nicht ihren heimischen Weinen einen breiteren Weg auf dem Inlandsmarkt bereiten, sondern mehr oder weniger unbewusst internationale Marken und deren Geschmacksprofil propagieren.

Insider der Weinszene wissen längst, dass die großen Weinhändler und Weinagenturen alle Mittel in Bewegung setzen und immense Summen investieren, um auf lukrativen Märkten wie in China ihren Weingeschmack durchzusetzen. Am Rande der ProWein sagte uns ein in China stark engagierter Negociant aus Bordeaux: "Wir wollen keinen China-Geschmack, wir wollen einen internationalen Geschmack in China etablieren. Um dies zu erreichen sind Ausbildungen wie die der WSET ideal."

Beruflich ist Gao im Management bei Joyvio, ein Tochterunternehmen von Lenovo, spezialisiert auf Ernährung und Agrarwirtschaft, engagiert. Eine Zertifizierung von der WSET würde ihm alle Türen in Chinas lukrativsten Branchen öffnen. "Ich möchte mich nach dem Abschluss auf die Verpackung von Wein konzentrieren", sagt Gao während einer kurzen Seminarpause und fügt noch an: "Ich will erreichen, dass Verpackung und Inhalt einer Weinflasche eine einheitliche Aussage haben."

Für Gao ist der Weinkurs eine Chance, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Aber für die internationalen Weinerzeuger und Weinhändler ist es eine Notwendigkeit, chinesischen Weinexperten die eigene Wahrnehmung zu vermitteln, um ihrerseits im turbulenten Wandel des chinesischen Marktes auf Dauer zu bestehen. 

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