Champagner im Pfälzer Wald

08.08.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Wilgartswiesen) - Wissen Sie, wo es die vielleicht nicht größte, aber doch zumindest außergewöhnlich umfangreichste und zugleich spannendste Winzer-Champagner-Kollektion in einem gastlichen Haus in Deutschland gibt? Hamburg, München, Frankfurt, Düsseldorf? Alles falsch. Folgen Sie uns nach Wilgartswiesen im südlichen Pfälzer Wald ins Landhaus Hirschhorn, rund 20 Kilometer von der Kreisstadt Landau entfernt.

 

Wenn man das Ortseingangsschild passiert, glaubt man sich angekommen in einem Dorf, in dem sich die sprichwörtlichen Füchse und Hase gute Nacht sagen. Wilgartswiesen hat nur etwas mehr als 1000 Einwohner und kann zwei Burgruinen sowie eine neoromanische Kirche vorweisen. Alle drei Gebäude sind nicht unser Ziel. Nach einigen hundert Metern geht es von der Hauptstraße rechts ab. Wenn nicht das Navi beharrlich den Weg weisen würde, käme schnell die Vermutung auf, dass man längst am Ziel der Wünsche vorbei gefahren ist. Aber dann, etwas oberhalb der Ortschaft, findet man doch das Hotel-Restaurant der Familie Ulses. 

Ein unternehmungslustiges Ehepaar begann hier vor 22 Jahren mit einer kleinen Pension und errichtete so nach und nach mit exakt 17 Umbauten (so die genaue Rechnung von Gabi Ulses) ein schnuckeliges Hotel mit 17 Zimmern, Wellness- und Fitness-Bereich sowie einem erstklassigen Restaurant. In letzterem wirkt Oliver Ulses als ideenreicher Küchenchef, der am liebsten mit frischen Produkten auf Wein zukocht – und auf Champagner.

Wer so gerüstet ist, wurde auch würdig für die Mitgliedschaft in der etwas französisch-lastigen Hotelvereinigung „Logis“, die mit 2400 Mitgliedern die größte Kooperation unabhängiger Hoteliers und Restaurantbesitzer in Europa ist. In Deutschland sind gerade rund ein Dutzend Häuser dabei. „Wir mit voller Zufriedenheit seit drei Jahren“, erzählt Oliver Ulses (51) und ergänzt, dass man innerhalb der Vereinigung mit der Höchstpunktzahl von drei Kaminen für das Hotel und drei Kochtöpfe für die Gastronomie schmücken darf.

Kann schon sein, dass die Bewertung auch beeinflusst wurde durch die Getränkekarten. Das ist einmal die höchst umfangreiche Weinkarte mit rund 200 Positionen, 80 Prozent davon aus der Pfalz, mit Namen wie Christmann, Rebholz, Wehrheim, Mosbacher, Bergdolt, Bürklin-Wolf und einer Reihe weiterer ambitionierter Pfälzer Winzer aus der zweiten Reihe. Große Gewächse aus den Reihen des VDP auch aus reiferen Jahrgängen sind zahlreich vertreten. „Je älter, desto besser“, ist eine Faustregel des Paares, das sich selbst ungewöhnlichen Weinen wie Pfälzer Viognier (Weingut Brenneis-Koch, Bad Dürkheim) und Grünfränkisch (eine uralte, vor einigen Jahren in einer Weißburgunder-Anlage wiederentdeckte Sorte von Heiner Sauer aus Böchingen) nicht verschließt.

Aber dann zum Champagner. Knapp ein Dutzend kleine, aber renommierte Winzer sind hier gelistet, nicht mit einem, sondern jeweils mehreren Pricklern, überwiegend aus Premier Cru-Lagen und nicht selten aus reiferen Jahrgängen. Unterschiedliche Stilistiken sind vertreten, aber letztlich sind für den betriebenen Eigenimport (Oliver und seine ihm seit 29 Jahren angetraute Gabi bereisen mehrfach im Jahr die verschiedenen Regionen der Champagne) die Qualitäten und ein eigenständiges Profil entscheidend. Eine gewisse Vorliebe ist für betont herbe Gewächse (Brut Nature oder Extra Brut) zu erkennen. „Aber kein Champagner ist mit dem anderen vergleichbar“, wird festgestellt. Abgerundet wird das Sortiment durch mehr als zwei Dutzend Produkte bekannter Champagner-Häuser wie Gosset, Krug, Ayala, Philipponnat, Louis Roederer, Lanson, Bruno Paillard und Bollinger.

Konsumentenfreundlich sind die Preise. Das Glas offener Champagner wird mit knapp 10 Euro in Rechnung gestellt. Die Flaschen für die Winzer-Champagner liegen zwischen 60 und 80 Euro; mit einem kräftigen Nachlass von durchschnittlich 40 Prozent kann man sie auch überwiegend mitnehmen. Nur die Nobel-Champagner sind davon ausgespart, weil die Mengen, die dahinter stehen, gering sind. 

Die Leidenschaft für Champagner ist bei Gabi und Oliver Ulses langsam gewachsen. Sie haben sich für ihre Einkaufstouren gründlich in speziellen Führern vorinformiert und sich dann vom eigenen Geschmack – und einem vernünftigen Preis-Wert-Verhältnis – leiten lassen. Bei der quirligen Hotelchefin hat man im Gespräch das Gefühl, dass sie längst Champagner in der Blutbahn hat. Nebenbei entfachte sie die Vorliebe für den Edelschäumer bei Tochter Nadine, die eine Sommelier-Ausbildung absolvierte, den Eltern beisteht und mit ihrem Lebensgefährten Marius Pätz (28) irgendwann für die Nachfolge Gewehr bei Fuß steht. Gemeinsam baut man derzeit für Champagner eine Internet-Plattform auf. Wichtige Kunden sind jetzt schon Winzer aus der Pfalz, die so viel Neugierde für die Produkte der „schäumenden Kollegen“ entwickelten, dass das Landhaus am Hirschhorn im Dezember bei einer Pfälzer Weinpräsentation mit Champagner dabei sein soll – was für die bodenständigen Pfälzer einen bemerkenswert großen Sprung über den eigenen Schatten bedeutet. Doch Gabi Ulses lacht: „Die schauen gern über den eigenen Tellerrand.“