Hat der Chianti ein Imageproblem?

27.08.2015 - arthur.wirtzfeld

ITALIEN (Florenz) - Haben der weltweite Ruhm im Gegensatz zu großen Mengen die Seele des Chianti beschädigt? Eine Reihe von Insidern der britischen und italienischen Weinszene diskutieren diese Frage und sind unterschiedlicher Meinung. Fakt ist: der Spitze, dem Chianti Classico Riserva, steht ein Heer von Alltags-Chianti gegenüber, die in den letzten Dekaden in der klassischen Weinregion der Toskana hergestellt wurden und die Märkte füllen. Kritiker meinen, es wäre die inkonsistente Qualität des Chianti, die der Marke nicht zuträglich ist. Selbst die "Flaschi", der Chianti mit umfassendem Bastgeflecht - in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in Mode gekommen - ist nun wieder im LEH und den Supermärkten präsent. Dagegen steht die Meinung, dass der Chianti besser ist als sein Ruf und er nur der Fürsprache bedarf.

 

Außerdem stellt sich die Frage: ist die Marke Chianti eine Subsumierung von Geografie oder Weinbau? Das Anbaugebiet des Chianti umspannt eine Reihe von lokalen Klassifikationen, einschließlich Colli Senesi, Rufina, Colline Pisane, Colli Aretini, Colli Fiorentini, Montalbano und Montespertoli. Internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot sind neben dem Sangiovese erlaubt, wenn auch in geringen Anteilen. Während Montalcino, dem jüngsten Emporkömmling der toskanischen Weinregionen, tapfer den absolutistischem Ansatz frönt und nur Sangiovese in die Flasche bringt und sonst nichts.

Also, hat der Chianti nun ein Problem oder nicht? Hören wir uns die Argumente der Ja-Fraktion an:

"Der Chianti hat seine Seele verloren, die in den 1980iger Jahren geboren wurde", sagt Sergio de Luca, verantwortlich für den Einkauf beim Weinhändler Enotria. "Während die Spitze hinsichtlich Qualität immer besser wird, verschlechtert sich die Masse darunter. Insbesondere die Abfüller sorgen sich nicht allzu sehr um Qualität. Die bringen durchschnittliche Weine auf den Markt, die vielleicht noch ein akzeptables Preis-Leistungsverhältnis haben, aber es ist längst nicht das, was die Region zu bieten hat."

"Viele Verbraucher stufen den Chianti als einen zuverlässigen und leicht zu trinkenden Wein ein", meint Hamish Anderson, verantwortlich für den Einkauf bei Tate Galleries. "Im Onlinehandel ist der Chianti - jedenfalls in Großbritannien - nicht sehr präsent. Es wurde auch in den letzten Jahren sehr wenig getan, um die Kategorie Chianti zu fördern und in den Fokus zu bringen. Zudem hat die Spitze des Chianti beim Konsumenten den Ruf, sehr teuer zu sein. Hier fehlt einfach die Aufklärung."

"Das Marketing passt nicht", sagt Alberto Antonini, Berater für Weinbau in der Toskana. "Den wirklich authentischen Chianti kennt kaum jemand. Die fruchtarmen schlechten Qualitäten beschädigen das Ansehen der Region. Dies mag auch der Grund sein, warum andere Weine den Chianti in den letzten 40 Jahren in der Gunst der Konsumenten längst überholt haben."

Hat der Chianti also wirklich ein Problem? Keinesfalls meint die Nein-Fraktion:

"Es braucht mehr als nur billige und schlecht gemachte Weine, um die Reputation einer klassischen Weinregion zu beschädigen", sagt Alex Hunt, MW und Einkaufsleiter bei Berkmann Wine Cellars. "Denken Sie an die Masse der minderen Qualitäten aus Bordeaux und der Champagne. Haben diese Regionen ein Problem? Nein. Was der Chianti braucht ist eine Fürsprache, die seine vorhandenen Qualitäten gegenüber den Basisweinen in den Vordergrund stellt."

Für Andrea Briccarello, Chefsommelier bei Galvin La Chapelle Restaurants, hat der Chianti "… den harten Kampf in den vielen Jahren gewonnen, trotz des Aufkommens populärer stereotypischer Weine." Dem pflichtet David Gleave, MW und bei Liberty Wines wirkend, zu: "Die Premium-Chianti haben sich noch nie besser verkauft als heute."

Und Martin Lam, Berater für den Onlinehandel meint: "Die Einführung des Gran Selezione an der Spitze der Pyramide des Chianti hat der Marke nicht ausgedehnt, wie Kritiker meinen, sondern hat ihr gut getan. Dadurch wurden die darunter klassifizierten Chianti aufgewertet. Was der Chianti meiner Meinung nach braucht ist ein besseres Verständnis für die unterschiedlichen Teilregionen des Anbaugebietes und das Wissen um die dortigen Produzenten."

Es bleibt die Frage: Was meinen Sie, liebe Leser. Was ist Ihre Meinung oder Erfahrung?

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