Flugkünstler, Herz Dame und frischer Wind im Betrieb • Unique Wineries of the World – Deutschland

Weingut Nägelsförst

Text: Rudolf Knoll, Fotos: Volker May, z.V.g.

Nach gut einem Dutzend erfreulicher Proben war eine freche Frage fällig: «Habt ihr denn keinen Wein, den man kritisieren kann?» Alexander Schischek (Jahrgang 1957), Eigentümer des Weingutes Nägelsförst, stutzt, lacht und meint dann: «Vielleicht klappt das mit unserem alkoholfreien Sekt.» Klappte nicht. Denn auch an diesem weissen Sparkling gab es absolut nichts auszusetzen, ebenso an den raffinierten normalen Pricklern, bei denen der badische Versekter-Spezialist Herbert Reinecker Pate stand. Die Zusatzbezeichnung «Beryll» erklärte seine Tochter Stefanie: «Das ist eine Bezeichnung für Edelsteine. Wir meinen, das passt auf alle unsere perlenden Weine, also auch auf den Blanc de Blancs, Crémant Rosé und den Riesling.»

«Das Weingut ist für unsere Familie eine Herzens-
angelegenheit.»

Stefanie Schischek

Der Name Schischek ist noch relativ neu im von Reben und Schwarzwald flankierten, oberhalb von Varnhalt zu findenden Weingut, das eine lange Geschichte zurück bis ins 13. Jahrhundert vorweisen kann. Ursprünglich war es Hofgut der Cistercienserinnenabtei Lichtenthal in Baden- Baden, gehörte dann lange einer Familie Therstappen und wurde schliesslich 1993 an den Unternehmer Reinhard Strickler verkauft. Gut 20 Jahre später schaltete er eine spezialisierte Agentur ein, die ihm Käufer suchen sollte.

Es traf sich gut, dass es in Mittelfranken einen Mann gab, der einen weltweit erfolgreichen Betrieb gut verkauft hatte, bei einer Investment-Suche kein passendes Weingut in der Toskana fand und sich schlussendlich im Frühjahr 2016 für eine deutlich näher gelegene Alternative entschied, eben das Weingut Nägelsförst. Alexander Schischek stieg mit viel Begeisterung in diesen traditionsreichen Betrieb ein, merkte aber auch, dass Investitionen notwendig waren und die Stamm-Mannschaft Verstärkung brauchte. Dabei erkannte er, dass seine ursprüngliche Vorstellung von einer Regie aus der Distanz nicht umsetzbar war. So übernahm Tochter Stefanie die Geschäftsführung und er selbst fährt jede Woche von Fürth nach Baden-Baden. «Dann freue ich mich stets über das tolle, kreative Team, das hier wirkt.» Von der ambitionierten Kellermeisterin Annette Bähr musste er sich zwar inzwischen verabschieden (Nachfolge in Sicht). Aber der seit 2018 für den Aussenbetrieb verantwortliche Michael Lebert ist als vielseitiger Profi auch im Keller Zuhause. Vater und Tochter Schischek sind nicht nur hochzufrieden mit der Entwicklung. Stefanie drückt das so aus: «Das Weingut ist für uns längst eine Herzensangelegenheit.»

Vorgefunden haben die Eigentümer ein enormes Potenzial an sehr guten Lagen wie Klosterbergfelsen, Mauerberg, Stich den Buben sowie Engelsfelsen, die weitgehend nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet werden und vielschichtige, tiefgründige Weine liefern. Viel Wert wird inzwischen auch auf Nachhaltigkeit bei den Abläufen gelegt. Eine Besonderheit sind Zusatzbezeichnungen wie Vorfreude (Grauburgunder), Steinwurf (Riesling), Herz Dame (Pinot Noir), Flugkünstler (Sauvignon Blanc), die Geschmack und/oder Herkunft charakterisieren sollen. «Diese geschützten Bezeichnungen sind im Teamwork geboren», verrät Schischek. Er selbst steht auf «Vorfreude», während die Tochter bei «Rosengold» (Gewürztraminer) ins Schwärmen kommt.

Unsere Selektion

Chardonnay Umweg zum Glück 2019

Ein Aushängeschild der weissen Burgunder-Familie, die auch mit Weiss- und Grauburgunder beglückt. Umweg deshalb, weil dekantieren angeraten wird. Chardonnay mit viel Würze im Aroma und Geschmack; guter Biss, straff und komplex, herrliches Maul voll Wein.

Riesling Mauerheld 2019

Riesling ist mit 7 Hektar die Hauptsorte, verteilt auf Toplagen wie den terrassierten Neuweierer Mauerberg. Einladendes mineralisches Aroma, ein Hauch Pfirsich; im Geschmack Fortsetzung, dazu rassige Note, lang, vielschichtig; bringt auch Maulhelden zum Schweigen.

Pinot Noir Engelsstaub 2018

Seit 1344 wächst die Sorte auf den Fluren des Weingutes, hier im Bühlertaler Engelsfelsen. In der Nase Burgunder pur, kühle Mineralik, dazu Beeren, etwas Lakritze. Im Geschmack vielschichtig, sehr elegant und vornehm, fast zärtliche Anmutung und langer Abgang.