Heimkommen bei bedeutenden Nordpfälzer Weinen • Unique Wineries of the World – Deutschland

Weingut Neiss

Text: Rudolf Knoll, Fotos: z.V.g.

Gerade hatte Axel Neiss mit einigen gut gereiften Rotweinen aufgezeigt, wie stabil bei ihm Spätburgunder ausfällt. Dann spielte er noch einen weissen Trumpf aus: Riesling 2007 aus der Lage Burgweg mit einer unglaublichen Frische und stattlichen Komplexität. «Ich habe davon leider nur noch ein paar Flaschen im Keller», bedauert der Pfälzer Winzer. «Doch ansonsten haben wir reichlich reife Tropfen im gut gefüllten Archiv.» Um zu ihnen zu gelangen, muss man bei der Anfahrt einen Ort nach dem anderen mit der Silbe «heim» am Ende durchqueren. So richtig heimgekommen ist man als Liebhaber erstklassiger Weine freilich erst mitten in der Hauptstrasse in dem unbekannten 990-Einwohner-Ort Kindenheim im nördlichen Teil der Pfalz.

«Ich fühle mich manchmal wie ein Gewinner, der im Verborgenen blüht.»

Axel Neiss

«Das kühle Klima, das hier vorherrscht, tut unseren Weinen gut, der Kalkstein im Boden ist wichtig für mineralische Finesse», hat Neiss, 49, in den 25 Jahren erfahren, in denen er in sechster Generation das Weingut leitet und es mit der Zeit von 15 auf stattliche 45 Hektar erweiterte. Er gab nach der Rückkehr von einem Praktikum in Argentinien von Anfang an Gas und setzte voll auf Qualität. «Schon vor rund 20 Jahren war ich beim Deutschen Rotweinpreis auf dem Treppchen», erinnert er sich. Seitdem war er mehrfach bei VINUM-Wettbewerben in Rot und Weiss ganz oben vertreten und wird aktuell im Weinführer mit vier Sternen für eine gleichmässig sehr gute Kollektion belohnt.

Auch international bekommen seine Weine oft Noten ab 90 Punkten aufwärts. Aber national vermisst er noch etwas den richtigen Durchbruch. «Ich fühle mich manchmal wie ein Hidden Champion», vergleicht er. «Ein Gewinner mit Top-Platzierungen, doch eher im Verborgenen, nur im Export richtig bekannt.» Das liegt vermutlich am Standort: Kindenheim ist weit weg von den renommierten Pfälzer Weinorten. Die Fluren, in denen sich Neiss mit Akribie tummelt und die er naturnah bewirtschaftet, hätten zwar teilweise das Potenzial für ein Grosses Gewächs, sind aber kaum bekannt.

Der gut ausgebildete Geisenheim-Absolvent Axel geht trotzdem unverzagt seinen Weg, bei dem ihn Gattin Katja und seit 2014 Kellermeister Hendrik Bitsch begleiten. In den Reben sind viel Handarbeit und selektive Ernte angesagt. Er hat ein überschaubares Sortenspektrum, in dem Riesling die Hauptsorte ist. Chardonnay und Weissburgunder sind schon in der Basis ansehnlich. Gleiches gilt auch für die Weine, die unter dem pfiffigen Wortspiel «That’s Neiss» offeriert werden. Die weisse Cuvée aus Chardonnay, Weissund Grauburgunder ist ein Wein, der einfach Spass macht. Bei Rot sind neben dem erstklassigen Spätburgunder Cabernet Franc und Frühburgunder Aushängeschilder. Hin und wieder schenkt ihm die Natur Edelsüsses mit Beerenauslese (Rieslaner) und Trockenbeere (Riesling). Und weil er in seinen Ausbildungsjahren auch in der Champagne war, darf ein raffinierter, pfeffrig anmutender Blanc de Blancs Brut (Chardonnay pur, gereift in Stahl und Holz) nicht im Sortiment fehlen. «Vorbild ist erstklassiger Champagner», meint Axel. Recht hat er.

Unsere Selektion

Riesling Burgweg 2018

Feine Grapefruit und Zitrusfrucht im Aroma; delikate Würze im Geschmack, stattliche Länge, noch sehr jugendlich, bedeutendes Potenzial. Stammt von rund 50 Jahre alten, knorrigen Reben, die noch Vater Ludi Neiss pflanzte. Etwa 30 Prozent reiften in gebrauchten Barriques.

Spätburgunder Glockenspiel Réserve 2016

Bei diesem Wein aus der Lage Vogelsang hört man beim Genuss fast die Glocken klingen. Feine, animierende Cassis im Duft; geschmeidig, vielschichtig, sehr nobel und lang im Abgang. Nach 18 Monaten in Barriques unfiltriert gefüllt, mit anschliessender langer Flaschenreife.

Chardonnay Schlossberg 2019

Nüsse und ein feiner Hauch Mandeln in der Nase; komplex, enorme Dichte, viel Temperament; gekonnter Ausbau im Holz, unfiltriert gefüllt. Lässt an bedeutenden Burgunder denken, der auf diesem Niveau aber deutlich mehr als 18,50 Euro kostet.