Vom «Volkseigenen» zum Vorzeige-Weingut • Unique Wineries of the World – Deutschland

Staatsweingut Schloss Wackerbarth

Text: Rudolf Knoll, Fotos: Arvid Müller, z.V.g.

Wer ein Beispiel für vorbildliches staatliches Investment sucht, wird im sächsischen Radebeul bei Dresden fündig. In einem weitläufigen Gelände am Fuss sorgfältig gepflegter, terrassierter Weinberge befinden sich als harmonische Einheit ein barockes Schloss mit weiträumiger Gartenanlage, Restaurant und einer modernen, gläsernen Wein- und Sektmanufaktur, dazu eine sehr gut sortierte Vinothek. Alles zusammen gehört zu den Pflichtbesuchen bei einer Tour durch Sachsen, auch weil hier ein enorm abwechslungsreiches Programm geboten wird, von täglichen Führungen und Weinbergswanderungen bis hin zu zahlreichen Events oder privaten Feiern wie Hochzeiten – alles bewältigt von einem eingespielten, engagierten Team. Europas erstes Erlebnisweingut begeistert so jedes Jahr über 190 000 Gäste. «Willkommen im Reich der Sinne», ist der herzliche Gruss von Sonja Schilg. Die gebürtige Slowakin, die zuhause mit Weinbau gross wurde, ist seit Februar 2003 Chefin in einem Betrieb, der eine denkbar wechselvolle Geschichte erlebte.

«Unserer Vision eines Erlebnis-
weinguts sind viele Kollegen gefolgt.»

Sonja Schilg

Es begann mit August Christoph Graf von Wackerbarth, der das Anwesen zwischen 1727 und 1729 errichten liess und hier häufig Gastgeber für die hohe Politik jener Zeit war. Nach seinem Tod gab es mehrere Besitzerwechsel. In DDR-Zeiten firmierte der Betrieb als Volkseigenes Weingut, das hauptsächlich Tankgärsekt aus ausländischen Grundweinen erzeugte. Nach der Wende übernahm der Staat und ging auf Käufersuche. Aber Offerten für den angeschlagenen, defizitären Betrieb blieben aus, so dass man 1997 eine umfangreiche Sanierung beschloss, verbunden mit einer qualitativen Neuausrichtung. Diese nahm erst richtig Fahrt auf, als Sonja Schilg Chefin wurde und fast zeitgleich der aus einer Oberpfälzer Gastro-Familie stammende Geisenheim-Absolvent Jürgen Aumüller (Jahrgang 1974) als ambitionierter Jungönologe die Regie im Keller übernahm.

Damit begann eine sächsische Wein-Erfolgsgeschichte unter erschwerten Bedingungen. Denn neben der Ausrichtung auf Topqualität galt es auch, die jahrhundertealte steile und vielfach terrassierte Reblandschaft zu sanieren und fit für die Zukunft zu machen. In den rund 70 Hektar Direktzuganlagen und einem Teil der Terrassenweinberge ist dieses Ziel bereits geschafft. Der «Gault & Millau Weinguide» belohnte den Aufschwung des Traditionsgutes bereits 2007 mit dem Titel «Gutsverwalterin des Jahres» für Sonja Schilg.

Die Hinwendung zum umweltverträglichen und nachhaltigen Weinbau trug zur Komplexität der Weiss- und Rotweine bei. Riesling, die feinaromatischen Traminer und Scheurebe in trockener Version sind die weissen Aushängeschilder, der zarte Goldriesling ist eine sächsische Spezialität. Bei Rot imponieren Blaufränkisch und Frühburgunder. Furore macht die tüchtige Mannschaft ausserdem mit reichlich Sekt, deutlich geworden mit einer Auszeichnung als «Bester Sekterzeuger Deutschlands » beim Deutschen Sekt Award 2018 von VINUM für die beste Kollektion. Nicht zu vergessen: Wackerbarth ist seit jeher ein wichtiger Ausbildungsbetrieb für den sächsischen Winzer-Nachwuchs.

Unsere Selektion

Pinot Brut Nature 2016

Die durchgegorenen Grundweine aus Spätburgunder, Weiss- und Grauburgunder wurden sanft im Holz ausgebaut. Ergebnis nach über 30 Monaten Hefelager: zarte, temperamentvolle Perlage; betont herb, verspielt, schlanke Stilistik, feinmaschig und anregend.

Riesling Goldener Wagen «Protze» 2020

Mit 25 Prozent Flächenanteil ist Riesling mit Abstand die wichtigste Sorte im Betrieb. Die Flur Protze liefert Weine, die nicht protzig sind, sondern fein nach Mango und Pfirsich duften und sich auf der Zunge sehr elegant, saftig und feinmaschig präsentieren, mit erkennbarem Potenzial für etliche Jahre.

Blaufränkisch 2019

Klare, sortentypische Brombeere im Aroma, mineralisch unterlegt; im Geschmack jugendlich straff, würzig, mit sanftem Druck, gut ausgereifte Gerbstoffe geben dem Wein eine angenehme, ausgewogene Struktur mit stattlicher Länge. Wird mit den Jahren noch besser.