Kochen und essen zu Cuvées aus dem Alentejo

Alentejo: Schwarzes Schwein, helles Brot, Olivenöl – und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: gettyimages / buddyb76

Für Viele beginnt und endet Portugal am Mittelmeer – womit sie die Weite des wildromantischen Landes jenseits des Tejo-Flusses keine zwei Autostunden nördlich verpassen, die wogenden Felder, Korkeichen, Olivenbäume, Zitrusfruchthaine – und Weinberge.

Der Himmel über den Weinbergen ist von maritimer Bewegtheit, mit Sonnenuntergängen in Goldpink, Hellblau, Grausilber, knorrige Bäume und Reben darin wie Scherenschnitte. Dies ist keine liebliche Landschaft, sondern eine raue, mächtige, stolze, beinahe trotzige. Das komplexe historische Schichtenwerk Portugals lässt sich kaum besser erleben als im ländlich geprägten Alentejo, das sich über ein Drittel der Fläche des Landes nach Norden zieht. 
Burgen und bewehrte Orte mit strahlend weiss getünchten Häusern erzählen von vergangenen Zeiten. Iberer, Kelten, Phönizier, Römer, Germanen, Mauren, Burgunder, Habsburger, Franzosen und Briten haben ebenso ihre Spuren hinterlassen wie die Konflikte zwischen Christen und Muslimen. Die Erinnerungen an Kolonialreich und Handelsweltmacht sind immer noch vielfach spürbar, und der alte Reichtum hat die Kultur genauso geprägt wie Erdbeben und Verwüstung, Staatsbankrott, Revolution und Militärdiktatur, Grossgrundbesitzer und Verstaatlichung. 

Der Wein war immer Teil des Auf und Ab, mal beinahe verschwunden und dann doch wieder aufblühend, in tiefer Verwurzelung mit der Vergangenheit und stillem Selbstvertrauen in die Zukunft. Das Einfache, Schlichte steht hier immer neben dem ganz Grossen – in der Küche, im Glas, im Leben allgemein. Und so sitzen die Winzer abends im Neonlicht der Cafés, essen Petiscar, Kleinigkeiten wie Kichererbsen mit Bacalhau, Oktopus mit roter Paprika, Bohnen und Zwiebeln, Rührei mit grünem Spargel und selbstverständlich Chorizo, Lomo und Presunto, wie der luftgetrocknete Schinken der schwarzen Schweine hier heisst… und der Duft der wilden Kräuter zieht durch die Stille der Nacht. 

Vor einer Generation sind die Schäfer noch ihren Herden gefolgt, haben die Milch euterwarm verarbeitet, heute gibt es moderne Käsereien. Das Ergebnis hat sich wie bei den Weinen kaum geändert. Trotz beträchtlicher Investitionen während der letzten Jahrzehnte wird die Tradition hochgehalten und in Form der Talhas, der grossen Tonamphoren aus römischen, vielleicht auch schon Phönizier-Zeiten, wiederbelebt. Die Weine verleugnen weder sommerliche Hitze noch Dürre, sondern bringen mithilfe autochthoner Sorten (von denen es in ganz Portugal, aber besonders im Alentejo ausgesprochen viele gibt) selbst in einfacher und sehr erschwinglicher Qualität vergnügliche Trinkbarkeit ins Glas. Sie auf dem Teller zu begleiten ist ebenso vergnüglich: ganz einfach und doch mit den bestmöglichen Zutaten. Im «neuen Alentejo» ist der Aufbruch in die Moderne zugleich Rückbesinnung – und das ist ein grossartiges Motto für die eigene Küche.

Alentejo ist aber auch…

Eine Fülle von Rebsorten, bei denen jede für sich allein entdeckt werden sollte! Neben den Cuvées werden auch reinsortige Weine abgefüllt, die die teils sehr unterschiedlichen Charakteristiken zum Ausdruck bringen. Neben den hier aufgeführten einheimischen gibt es eine breite Palette an internationalen Sorten.

Bei den weissen ist der Roupeiro am seltensten solo zu finden, doch wenn er ganz jung ist, zeigt er verführerische Lindenblüten- und Melonenaromen. Häufiger trifft man auf Arinto, den manche auch als den Riesling des Alentejo bezeichnen, weil er selbst in trockenen, heissen Sommern säurebetonte, mineralische und frische Weine hervorbringt. Antão Vaz hingegen steckt voller saftiger, tropischer Fruchtaromen, schlägt die Brücke nach Süden und ist doch ausgewogen. Verdelho wiederum greift im Glas die Kräuter des Alentejo auf, hat Muskeln und Frische.

Bei den roten Sorten ist zuallererst Alicante Bouschet zu nennen, die Grenache-Kreuzung aus dem Languedoc, die im Alentejo ihr zweites Zuhause gefunden hat und wunderbar weiche und doch straffe, fruchtbetonte Weine mit Kakao- und Olivennoten ermöglicht. Die aus dem Douro vertraute Touriga Nacional zeichnet sich hier im Süden durch Veilchen-, Zitrusfrucht- und Rauchnoten aus und wirkt eher sanft, Trincadeira hingegen bringt Zimt, Nelken und Tabak sowie eine gute Säurestruktur ins Glas. Aragonêz schliesslich, der im Douro Tinta Roriz und in Spanien Tempranillo heisst, ist voller Kraft und Frucht und doch nie wuchtig.

Doch halt! Um den Alentejo im Glas wirklich ganz zu verstehen, gehören dazu die seit 2011 mit einer eigenen DOC geschützten Vinhos de Talha, die Weine aus den Ton-Amphoren. Ihre Tanninstruktur ist deutlich anders, ein wenig herber, und daher vielleicht noch näher an der wilden Schönheit dieser Landschaft. Und als sei das nicht alles schon mehr als genug, gibt es darüber hinaus die wahrhaft gluschtige Vielfalt der Vinhos Licoros zu entdecken, der Süssweine, in allen Farben und aus vielen Sorten, spät gelesen, aufgespritet, spritzig jung oder balsamisch und lange im Holz gereift.

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