Wein & Handwerk: Wein Heimat Württemberg 1/2024
Die Kunst des Korbflechtens im Ländle: Tradition trifft auf Moderne
Text: Marina Eger, Fotos: Daniel Schneider

Korbflechten gehört zu den ältesten Handwerken der Welt, da es bereits in prähistorischen Gesellschaften verbreitet war. Menschen nutzten Materialien wie Gräser und Weiden, um Behälter für Transport und Lagerung herzustellen. Diese Technik bot praktische Lösungen für alltägliche Bedürfnisse.
Vor einigen Jahren war es so weit. Wo früher mit einem geflochtenen «Grädda» eingekauft wurde, tummelten sich auf einmal immer mehr moderne Carrybags. Auf dem Markt und in fast jedem Kofferraum fand man diese oftmals knallbunten Trendobjekte. Diese stoffüberzogenen Körbe mit Alugestell und klappbarem Henkel. Doch die traditionell geflochtenen Weidenkörbe lassen sich einfach nicht verdrängen. Zum Glück. Laut Korbflechterin Susanne Binder sind vor allem immer mehr jüngere Leute an hochwertigen Körben interessiert. Gerade auf den Wochenmärkten tummeln sich Menschen, denen es mehr um Nachhaltigkeit und Beständigkeit geht. Weg vom Plastikteil mit überschaubarer Lebensdauer und hin zum handgeflochtenen Rattankorb. Und auch ich bin natürlich unterwegs mit einem geflochtenen Fahrrad-Korb, den ich heiß und innig liebe.
Viele dieser Körbe landen auch nach langer Zeit wieder bei einer der drei talentierten Flecht-Künstlerinnen, die wir für diese Ausgabe besucht haben. Ein gebrochener Henkel oder eine angeknackste Weide ist ja schließlich noch lange kein Grund, einen so wertvollen Korb wegzuwerfen. Vor allem hängen an vielen Flechtobjekten tolle Erinnerungen. Egal ob es sich um ein ganz besonderes Hochzeitsgeschenk handelt, welches das Paar über Jahre zu jedem gemeinsamen Einkauf begleitet. Oder um den bequemen Flechtsessel, der seine besten Zeiten schon hinter sich hat. Das alles ist kein Grund für übereilte Neuanschaffungen. Liebevoll werden die «Patienten» repariert und so zu neuem Leben erweckt.
Zum Glück gibt es bei uns im Ländle immer noch jede Menge talentierte Flechtkünstler, die diesen Beruf mit Leidenschaft ausfüllen. Doch leider wollen immer weniger Menschen das älteste Handwerk der Welt als Ausbildungsberuf lernen. Obwohl es sich um ein immaterielles Kulturerbe handelt. Das Experten-Komitee der deutschen UNESCO-Kommission würdigte im Dezember 2016 das Flechthandwerk als «lebendige, weltweit verbreitete Handwerkstechnik mit innovativen und kreativen Aspekten». Die vielseitige Anwendung des Handwerks sowohl in professionell-institutionalisierten als auch künstlerisch-kreativen Kreisen sei geradezu bemer-kenswert. Aber leider auch nicht besonders gut bezahlt. Rechnet man einen von Hand in Deutschland geflochtenen Korb mal um, kommt man auf einen ziemlich geringen Stundensatz – das schreckt den Nachwuchs natürlich ab. Aus diesem Grund haben alle drei Korbflechterinnen auch erst einmal ganz «vernünftige» Berufe gelernt und ausgeübt. Bis sich die Leidenschaft für das Flechten von Weidenobjekten dann doch durchgesetzt hat. Denn ein Leben ohne eingeweichte Weiden und kreative Flechttechniken ist für sie einfach undenkbar.
TIPP 1

Oldtimer-Korbflechterin aus Heudorf
Von der Arzthelferin zur Automobil-Zulieferin. Diesen Karriereweg hat Susanne Binder aus Heudorf beschritten. Moment mal, ist sie nicht eigentlich professionelle Korbmacherin? Richtig. Aber eines ihrer spektakulärsten Projekte war es tatsächlich, einen Oldtimer «umzuflechten». Für einen Hanomag «Kommissbrot» aus dem Jahr 1924 – oder das, was anfangs von diesem Auto übrig war – hat sie die Karosserie aus den Seitentrieben der Rattanpflanze geflochten. Über 60 Stunden hat sie damit verbracht. Zum Einsatz kamen nicht die üblichen Weiden, sondern Boondoot aus Südostasien. Dieses Geflecht ist robust und hat einen natürlichen Glanz. Wenn sie nicht gerade Auto-Geflecht herstellt, dann sind es auch mal Körbe für Fischadler oder Hundekörbe für das Lastenfahrrad. Aber größtenteils auch «normale» Körbe, die auf vielen Märkten im Ländle verkauft werden. Darum kümmert sich vor allem der Gatte. Und auch die Kinder helfen fleißig mit. Die waren mit ein Grund, eine Karriere als Korbflechterin einzuschlagen. «Ich wollte einen ganzen Stall davon», lacht Susanne Binder. Und das ist selbständig besser zu managen als als Angestellte. So machte sie mit 24 eine Ausbildung bei einem Korbflechter in der Vulkaneifel. Mit dem sie auch nach über 20 Jahren noch eng verbunden ist und auch weiterhin bei gemeinsamen Projekten zusammenarbeitet. Vor allem auf dem Ravensburger Markt ist der Korbstand von Familie Binder nicht mehr wegzudenken. 17 Jahre sind sie nun da – und die Körbe sind immer begehrter. Weg vom Plastik, hin zum bleibenden Transportmittel. Das freut Susanne Binder sehr, die auch heute, nach über 20 Jahren, für ihren Beruf als Korbmacherin brennt.

Der passende Wein
Fellbacher Weingärtner eG, Fellbach
2022 Fellbacher Lämmler Chardonnay «P» trocken Barrique
Weicher, sehr intensiver Duft, erinnert an Melone, Butter und Nüsse, unterlegt mit Vanille und feinen Röstaromen.
Preis: 21,50 Euro
TIPP 2

Innovative Flechtkunst aus dem Ermstal
Wer mit Flechtmeisterin Monika Frischknecht in den Urlaub fährt, kann was erleben. Natürlich gibt es jede Menge Sightseeing. Schöne Orte werden erkundet und kulinarische Highlights genossen. Aber eines ist klar: Zum Erkunden einer Urlaubsdestination gehört für Moni selbstverständlich auch, die ansässigen Korbflechter zu besuchen. Egal ob auf den Azoren oder auf Sizilien, es werden nicht nur geflochtene Urlaubsmitbringsel erworben. Moni liebt es, neue und unbekannte Flechttechniken sowie die Arbeitsweise zu erkunden. Und manchmal auch vor Ort zu flechten. So auch auf Sizilien, wo sie spontan an einem Flechtkurs teilgenommen hat. Und «aufgeflogen» ist. Der sizilianische Flechtmeister hat ihr Können sofort erkannt – sie würde «besser flechten als alle Kursteilnehmer zusammen». Dass sie dafür ein Talent hat, war früh klar. Trotzdem arbeitete sie erst einmal in einem Büro-Job. Bis sie mit 29 doch die Ausbildung macht und die Meisterschule mit Auszeichnung abschließt. Heute baut sie ihre eigenen Weiden im Biosphärengebiet an und gibt Flechtwissen in vielen Kursen weiter. Vom VHS-Abend bis zum Flechtwochenende im schönen Lautertal begeistert sie Teilnehmer aus nah und fern mit ihrem Können. Und mit ihren äusserst kreativen Ideen. Das Spektrum an Flechtwerken ist einfach riesig. Und sie begleitet den Kreislauf eines ganzen Lebens. Von der Babywiege bis zum Sarg reicht das Spektrum. Ein geflochtener Sarg? Ja, der ist ein Projekt mit einem befreundeten Bestatter. Komplett geflochten aus Weide mit Holz. Und natürlich frei von Chemie und völlig abbaubar. Für diese kreative Idee bekam Moni Frischknecht völlig zurecht einen Innovationspreis.

Der passende Wein
Weinkellerei Hohenlohe eG, Bretzfeld-Adolzfurt
2020 Cabernet-Dorsa «DUNKELGRAF» trocken
Ein sehr gehaltvoller, vielschichtiger Rotwein mit intensiver Farbe, dezenter Frucht und eleganter Geschmeidigkeit.
Preis: 8,40 Euro
TIPP 3

Kunstvolle FlechtDeko aus Mittelstadt
Claudia Lauxmann steht neben einem riesigen Schwingkorb aus Weidengeflecht. Der hat seine besten Zeiten definitiv schon hinter sich. Es gibt jede Menge Moos. Auch die Weiden sind schon ziemlich porös und so gar nicht mehr taufrisch. Das stabile Gestell ist jedoch einwandfrei. Und schon jetzt leuchten die Augen der begeisterten Korbflechterin, die dem betagten Hängesessel neues Leben einhauchen wird. Man merkt förmlich, dass sie schon exakt vor Augen hat, wie das gute Stück mal aussehen wird. Wie sie dafür die gewässerte Weide ganz exakt führen wird, so dass ein akkurat geflochtenes Ergebnis entsteht. Und genau das macht ihre Flechtkunst aus.
Die Auswahl an Weiden in verschiedensten Stärken und Farben in ihrem Fundus ist groß. Einen Teil davon baut sie sogar selbst an – bei diesen Weiden bleibt die Farbe auch nach dem mehrwöchigen Einweichen noch bestehen. So vielfältig die Flechtweiden-Auswahl ist, ist auch ihr Portfolio. Über das Peter-und-Paul-Fest in ihrer Heimatstadt Bretten kam sie zum «ältesten Handwerk der Welt». Und von den ersten Schwingkörben entwickelte sich ihr Handwerk immer weiter. Heute sind viele Deko-Objekte wie Libellen oder Engel dabei. Aber auch maßgefertigte Weiden-Sichtschutzelemente für den Garten. Dazu kombiniert Claudia Lauxmann ihre zweite Leidenschaft für das Töpfern mit ihrer Flechtkunst und schafft ganz besondere Objekte. So besonders wie der 30 Jahre alte Weidenkorb, den sie kürzlich instand gesetzt hat. Das war mal ein ganz besonderes Hochzeitsgeschenk. Und so ein geschichtsträchtiges Stück wird von Claudia liebevoll mit viel Herzblut restauriert – so dass er noch viele weitere Ehejahre hält.

Der passende Wein
Collegium Wirtemberg e.G.
Riesling mit Traminer trocken
Strahlendes Gelb und grüne Reflexe leuchten im Glas. Florale Blüten- und Rosenaromen sowie Zitrus, Litschi, Apfel und Quitte. Säurebetonter Riesling und aromatischer Traminer, der zu weiteren Schlücken einlädt.
Preis: 8,50 Euro