Wo raue Winde die Reben zart streicheln • Unique Wineries of the World – Deutschland

Weingut Braunewell

Text: Rudolf Knoll, Fotos: INES BARWIG FOTOGRAFIE

Opa Adam, 86, der bereits als 14-Jähriger im damaligen Gemischtbetrieb aktiv war, ist an diesem sonnigen Dezembertag mit seinem Sohn Axel, 61, gerade beim Rebschnitt, während dessen Gattin Ursula im Büro wirbelt. Enkel Christian, 35, bändigt im Keller den Jahrgang 2021, während sein grosser Bruder Stefan, 39, stolz die neue Vinothek erläutert, die fast drei Jahre lang, während ihrer Entstehung, sein Arbeitsplatz war. Jetzt hat man von hier einen prächtigen freien Blick auf die benachbarten Weinberge und kann das geniessen, was dieser klassische Familienbetrieb auf hohem Niveau zu bieten hat.

«Wir machen relativ viel», meint Christian mit Verweis auf ein breit gefächertes Sortiment, zu dem auch einige Orts- und Gutsweine sowie die Kollektion «Unser täglich» in Weiss und Rot gehören. «Aber wir wollen alles richtig gut machen.» Das tut das Brüderpaar in der Tat. Man profitiert dabei von einem besonderen Fleckchen Erde mit sehr guten klimatischen Verhältnissen im Selztal in der Nähe von Mainz. Hier wehen oft etwas kühle, raue Winde, aber die Reben kommen damit gut zurecht. Der reichliche Kalk im Boden regte schon Opa Adam an, auf Burgundersorten zu setzen. Sie sind neben Riesling und internationalen Varietäten Stärken des Hauses, angebaut in den Toplagen Klopp (Grauburgunder), Blume (Spätburgunder) und Teufelspfad (beides). Bemerkenswert ist auch eine alte Anlage mit Portugieser, deren Erträge nur in optimalen Jahrgängen wie 2018 solo verwertet werden. Das führte 2020 zum Rotweinpreis-Sieg in der Kategorie «Unterschätzte Sorten». Nicht zu vergessen ein bemerkenswerter Rosé, erzeugt auf Anregung des Essenheimer Unternehmers Frank Dinter. Die Cuvée mit Schwerpunkt Spätburgunder sowie St. Laurent und Merlot gilt seit dem Jahrgang 2014 als einer der besten Hellroten Deutschlands.

«Wir machen viel und wollen alles richtig gut machen.»

Christian Braunewell

Begonnen hat alles anno 1655, als ein François Breiniville von Villepot-Loraine in Nordwestfrankreich im Zug der Hugenottenverfolgung in Rheinhessen eine neue Heimat suchte. Er heiratete eine Bürgermeister-Witwe und wurde so in Essenheim sesshaft. Lange Zeit betrieb die Familie einen Gemischtbetrieb, ehe man sich langsam auf Wein konzentrierte.

Die letzten zehn Jahre, in der 14. Generation, ging die Entwicklung steil nach oben. Das hing auch mit optimalen Ausbildungsstationen für die Jugend zusammen: Stefan passte offenbar bei den Pfälzern Rebholz und Meßmer sehr gut auf. Christian ging bei Knipser und Wittmann in die Lehre und ergänzte diese Schule noch durch ein Praktikum bei den Rings-Brüdern. Beide studierten ausserdem auf der Wein-Hochschule Geisenheim.

Begleitet vom Bau der Vinothek erfolgte in den letzten Jahren auch eine Neuordnung des Weinkellers. Es wurde Platz geschaffen, um die vorherige Improvisation abzulösen. Die 500 Barriques und stattlichen grösseren Holzfässer sind übersichtlich untergebracht. «Alles, was rot ist, kommt ins Holz», verrät Christian. Die diversen, beachtlichen Sektvarianten (immerhin 15 Prozent der Produktion) haben einen eigenen Raum hinter dicken, kühlen Mauern gefunden. Zudem wurde ein Raritäten-Kabinett eingerichtet. Ältester Jahrgang ist der grosse 1971er.

Unsere Selektion

Riesling Granit «G700» 2020

Ein Granit-Ei aus Spanien machte aus einem hochwertigen Rohmaterial einen ungemein dichten, komplexen Riesling mit feiner Mineralik, eleganten Facetten und viel Tiefgang. Gibt es auch im spannenden Dreierpack mit dem gleichen Wein, aus Stahl und gebrauchten Barriques.

Grande Année 2015

Prickelnder, feinperliger Chardonnay pur, der 70 Monate auf der Hefe lag und erst vor kurzem degorgiert wurde. Bezaubert schon mit delikater Würze (Brioche) im Aroma. Auf der Zunge feiner Nerv, jugendliche Frische, vielschichtig und lang im Abgang. Würdiger Nachfolger des grandiosen 2013ers.

François 2017

Eine Referenz an die französische Familiengeschichte, aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc, ausgebaut in Barriques. Feiner Beerenduft, ein Hauch Mandeln, vielschichtig, feinmaschig und elegant, lang im Abgang. Eine Grande Réserve 2018 reift noch länger im Keller.