Winzerlegende Geppetti macht Weine mit dem Goût der Maremma

Elisabetta Geppetti produziert auf der Fattoria Le Pupille seit fast 40 Jahren Weine

Text: Christian Eder, Fotos: z.V.g.

Einst war die Maremma im Südwesten der Toskana malariaverseuchtes Sumpfgebiet. Heute erstreckt sich entlang der Berge, an deren Ausläufern schon die Etrusker nach Metallen geschürft haben, eine Landschaft, in der sich Wälder, Getreidefelder, Olivenhaine und Weinberge abwechseln. Elisabetta Geppetti blickt stolz auf dieses, «ihr» Land: Hier, auf der Fattoria Le Pupille, produziert sie seit fast 40 Jahren Weine – Weine mit dem Goût der Maremma.

Weinbau war in der Maremma bis vor 30, 40 Jahren nur Teil der landwirtschaftlichen Mischwirtschaft. So war es auch bei Elisabetta Geppettis Grossvater: Er hatte gerade mal eineinhalb Hektar Weingärten und kelterte dort die Trauben für den Hauswein, den Elisabetta schon als kleines Mädchen kannte. Hier, in der Maremma, verbrachte sie oft ihre Sommerferien und verliebte sich dabei – nicht zuletzt in die Landschaft und den Weinbau, erzählt sie.

Wir stehen gerade im Rebberg oberhalb von Elisabettas Kellerei Le Pupille bei Istia d’Ombrone. Elisabettas Sohn Ettore, der sich als Önologe um die Weine kümmert, hat uns mit dem Geländewagen in eine Panoramaposition gebracht, wo man den Betrieb und die weite Ebene bis zu den Bergen im Hintergrund überblickt. Die fruchtbare Landschaft ist trotz der Italien überziehenden Trockenheit bemerkenswert grün. Abgesehen von Wäldern mit Korkeichen, findet man hier ebenso ausgedehnte Getreidefelder, Weiden, Olivenhaine und natürlich Reben. Hier gedeiht auch die wichtigste Traube der Toskana: Sangiovese, Basis von Elisabettas Toscana IGT Poggio Valente und ihrer Morellino-di-Scansano-DOCG-Weine. Ein grosser Teil von Elisabettas Zuneigung gehört allerdings auch den französischen Trauben. «Und das schon lange», schwärmt sie. «Es begann, als ich mein erstes Glas Champagner trinken durfte und später das Burgund und Bordeaux entdeckte.»

Eine neue Welt eröffnete sich

Schon in den 1970er Jahren produzierte ihr Schwiegervater Alfredo Gentili auf seinem Gut Pereta – das noch heute den Kern von Le Pupille bildet – einen Rosso und einen Bianco di Pereta. Der Rosso – ein Sangiovese – wurde 1978 mit der Schaffung der Ursprungsbezeichnung einer der ersten in Flaschen gefüllten Morellino di Scansano DOCG. Seit den 1980er Jahren wurde Alfredo – Fredi genannt – von der Önologenlegende Giacomo Tachis unterstützt. Und für die junge Elisabetta, die neben dem Kunstgeschichtsstudium auch selbst im Weingut arbeitete, wurde Tachis so etwas wie ein Ziehvater: «Tachis und Fredi haben mir eine neue Welt eröffnet», erinnert sie sich, «im Keller, aber vor allem in den Rebbergen, wo ich noch immer am liebsten bin. Und wir haben damals schon experimentiert: 1983 haben wir auf Pereta bereits Sangiovese für Morellino mit etwas Cabernet verschnitten.» Tachis’ Leidenschaft für die Bordelaiser Varietät stiess bei Elisabetta auf fruchtbaren Boden: «Als der wundervolle Jahrgang 1985 kam, in dem leider mein Schwiegervater Fredi starb, pflanzten wir – angespornt durch die Ergebnisse beim Morellino – vier Hektar mit Cabernet, Merlot und Alicante.»

Die junge Winzerin traf die Entscheidung, die ihr Leben bis heute prägt: Sie beendete ihr Studium und begann sich Fulltime um das Weingut zu kümmern. Mit der Fattoria Le Pupille wurde sie die Pionierin eines neuen, modernen Weinbaus an der toskanischen Küste. Mit Unterstützung von Tachis wurde auf dem neuen Rebberg der Saffredi – der Name eine Hommage an ihren verstorbenen Schwiegervater – aus der Taufe gehoben: 1987 wurden die ersten 3000 Flaschen dieses Toskaners mit Bordelaiser Seele produziert. Bis heute sei ihr Erstgeborener, der Saffredi, auch ihr «vino del cuore», sagt Elisabetta später bei der gemeinsamen Degustation in der Kellerei: ein Rotwein, den sie gewollt, den sie kreiert und an dem sie viel gearbeitet hat.

Der Saffredi vom heute 14 Hektar grossen Rebberg spiegelt auch die sanft wechselnden Philosophien im Weingut Fattoria Le Pupille wider: Cabernet Sauvignon und Merlot wurden anfangs noch von etwas Alicante ergänzt. Dann kam Christian Le Sommer – ehemaliger Önologe von Château Laffite – als Berater und Elisabetta setzte ab 2004 auf Syrah statt auf Alicante. Und unter der Ägide des italienischen Weinmachers Luca d’Attoma wurde ab 2012 statt Syrah Petit Verdot verwendet. Im Jahrgang 2019 verbinden sich 70 Prozent Cabernet Sauvignon, 26 Prozent Merlot und 4 Prozent Petit Verdot zu einem homogenen Ganzen. Mit dem Saffredi schuf Elisabetta allerdings auch einen der ersten Supertuscans – und das ausserhalb des Chianti oder Bolgheri – und war mit dafür verantwortlich, dass die Maremma als Weinbauregion bekannt wurde.

Einzigartige Weinlegenden

Das war aber noch nicht genug. Einige Jahre später schuf sie noch eine weitere Weinlegende, diesmal mit toskanischer Seele: 1997 bildete ein Rebberg auf 280 Metern Meereshöhe mit sandigen Böden und felsigem Untergrund, von den Brisen des Tyrrhenischen Meeres umweht, die Basis des Poggio Valente, eines Sangiovese, der anfangs noch mit einem Hauch Merlot ergänzt wurde. Bis 2014 erschien er als Morellino di Scansano DOCG, seitdem ist er als reinsortiger Sangiovese ein Toscana IGT.

Mit dem ersten offiziellen Jahrgang 2015 entsprang ein Syrah in purezza einer langen Experimentierphase: Der Le Pupille wird zum Teil in 500-Liter-Amphoren, zum Teil in offenen Holzfässern vergoren. Elisabetta Geppetti: «In den Zeiten des Klimawandels wird Syrah an der Küste immer interessanter, mit diesem Wein wollen wir sein Potenzial ausloten.»

Da fehlte nur noch ein weisses Mosaiksteinchen im Portfolio: In der Lage Vignacci wurden schon seit Jahren die Trauben für den Poggio Argentato gelesen, eines stahlgereiften weissen Blends. Elisabettas Augenmerk fiel dabei auf Petit Manseng: «In den richtigen Lagen – wie in der Gascogne – eine grossartige Traube», meint sie. So wurde probiert und experimentiert, bis sie mit dem Jahrgang 2014 den ersten Piemme mit präsentieren konnte: Eine Abkürzung für einen reinsortigen Petit Manseng. «Das war der bislang letzte Traum, den ich mir erfüllt habe», sagt sie und nimmt einen Schluck des Piemme 2019, des aktuellen Jahrgangs, den sie als ungewöhnlichsten Wein ihres Portfolios sogar noch nach den Rotweinen zur Verkostung ausschenkt. Der Piemme sei auch ein gelungenes Ergebnis ihrer Philosophie, elegante Weine mit dem Goût de Maremma zu kreieren, meint Elisabetta: «Ich wollte immer grosse Weine produzieren, und ich wollte das in der Maremma tun, die mit meiner Geschichte verbunden ist, wo ich mich mit dem Land austauschen kann.»

«Ich wollte immer grosse Weine produzieren, und ich wollte das hier machen, in der Maremma.»

Die Grande Dame der Maremma hat aber nicht nur einzigartige Weine geschaffen und eines der wichtigsten Weingüter der Toskana aufgebaut, sondern daneben auch fünf Kinder, die zum Teil bereits im Betrieb arbeiten, grossgezogen. Tochter Clara steht Elisabetta schon seit Jahren im Marketing und bei der Leitung des Gutes zur Seite, Sohn Ettore ist für Rebberg und Keller verantwortlich. Mutter und Kinder wollen sich dabei keinesfalls auf ihren Lorbeeren ausruhen: Neue Rebberge in besonderen Lagen kommen alle paar Jahr hinzu, oder es werden alte erneuert. 80 Hektar sind es inzwischen, 73 davon in Produktion.

Die Kellerei bei Istia d’Ombrone soll in Zukunft noch mehr für Hospitality genutzt werden, im Weintourismus sieht Elisabetta eine grosse Chance für ihre Heimatregion: «Man muss über unser Gebiet sprechen, den Gästen zeigen, wo und wie die Weine entstehen, nur dann haben wir weiterhin Erfolg.» Dieser Erfolg soll nämlich auch die nächste Generation begleiten: Clara wird bald Mamma, Elisabetta erstmals Nonna. «Noch fühle ich mich allerdings nicht so», meint die Herrin der Fattoria Le Pupille mit einem zarten Lächeln. Dann zwinkert sie verschmitzt: «Aber ich werde mich wohl daran gewöhnen.»


Die Weine

Sechs ihrer Favoriten hat Elisabetta Geppetti für uns ausgewählt, sechs Facetten der Maremma in Rosé, Weiss und Rot.

Toscana IGT Rosamati 2021

2023 bis 2025 | 16 Punkte

Als Rosé vinifizierter Syrah mit einladenden Kirsch-, Rosen- und Grapefruitnoten; am Gaumen saftig, vereint Eleganz und Charakter, endet lang auf frischen Fruchtnoten. Als Aperitif oder zu einem Risotto mit Meeresfrüchten.

Morellino di Scansano DOCG Riserva 2019

2023 bis 2027 | 17 Punkte

Ein Blend von 90% Sangiovese und 10% Cabernet Sauvignon: komplexe Blume nach Himbeeren und Veilchen, auch Orangenzesten und Lakritze; am Gaumen saftig, die Säure vif, die Tannine perfekt eingebunden, fruchtig-samtig das Finish. Elegant und mit Charakter.

Toscana IGT Poggio Valente 2019

2024 bis 2031 | 18 Punkte

Einzellagenwein aus Sangiovese, 18 Monate in Tonneaux ausgebaut: einnehmendes Bouquet mit Kirsch- und Rosennoten, Nuancen von Macchia und Tabak; am Gaumen präzise und vertikal, die engmaschigen Gerbstoffe und die Säure in Balance, der Ausklang ellenlang. Zu Pasta mit schwarzen Trüffeln.

Toscana IGT Le Pupille 2018

2024 bis 2030 | 18.5 Punkte

Syrah in purezza, zum Teil in 500-Liter-Amphoren, zum Teil in Holz vergoren und in Barriques ausgebaut: duftet verführerisch nach Waldbeeren und Pfeffer, Oregano und Lakritze; der Auftakt vollmundig und saftig, von der Säureader getragen, der Abgang würzig-mediterran und fruchtig.

Toscana IGT Saffredi 2019

2024 bis 2032 | 19 Punkte

Lagenwein aus 70% Cabernet Sauvignon, 26% Merlot und 4% Petit Verdot, 18 Monate in der Barrique ausgebaut: intensive Aromen nach Kirschen, Schwarzbeeren, Kaffee und Unterholz; am Gaumen überaus elegant mit engmaschigen Gerbstoffen, hat Druck und Fülle bis ins komplexe Finale.

Toscana IGT Bianco Piemme 2019

2024 bis 2030 | 18 Punkte

Petit Manseng, 16 Monate im Tonneau ausgebaut: vielschichtige Noten von Jasmin, weissen Pfirsichen und Rosmarin; harmonischer Bau mit Schliff, von der frischen Säure und einer salzigen Mineralität unterfüttert, im Finale Aromen von Zimt, Zitrus- und Trockenfrüchten. Alleine oder zu Foie Gras.

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