Eine Winzerlegende, weil er dem portugiesischem Wein zu einem modernen Gesicht verhalf

João Portugal Ramos ist der Wein-Architekt des Alentejo

Text: André Dominé, Fotos: z.V.g.

Wenn man nur eine einzige Person nennen wollte, die dem portugiesischen Wein half, sein neues, modernes Gesicht zu finden, dann ist es João Portugal Ramos. In nur wenigen Jahren gab er praktisch überall im Lande dazu die Anstösse. Dann wurde er selbst Winzer: für die nächste Generation. 

João Portugal Ramos freut sich: «Als ich hier ankam, hatte der Alentejo nur einen Anteil von drei Prozent am portugiesischen Weinmarkt und jetzt sind es 40 Prozent.» Ein weiter Weg in kurzer Zeit. Zwar kann der Alentejo auf über 2000 Jahre Weingeschichte zurückblicken, doch Reblaus, Weltkrieg und Diktator Salazar, der die Bauern zum Weizenanbau zwang, beseitigten die Rebfelder bis auf wenige Hanglagen. Die Kehrtwende wurde ab 1980 eingeleitet, als die EU mit ersten Subventionen Neuanpflanzungen förderte. Im selben Jahr nahm der damals 27 Jahre alte Önologe seinen ersten Job im Ribatejo an, um im drauffolgenden ins Alentejo zu wechseln.

Das Gut Vila Santa an der Estrada Nacional 4 kurz vor Estremoz ist nicht zu verfehlen. Mit seinen weissgetünchten Gebäuden und den im typischen Ocker gehaltenen Fensterumrandungen sieht es aus, als würde es seit mindestens 200 Jahren hier stehen. Es sind gerade mal 15. Kaum habe ich am Empfang vorgesprochen, kommt eine sportlich gekleidete Frau lächelnd auf mich zu: «Ich bin Teresa, Joãos Frau. Kommen Sie mit, wir schauen, wo wir ihn finden.» Im ältesten Keller stossen wir auf Tochter Filipa, fürs Marketing verantwortlich. Da kommt auch schon der Chef und grüsst auf Deutsch. Später erzählt er, dass er acht Jahre auf die deutsche Schule in Lissabon ging. «Auf der Pro-Wein geht mir das Deutsch am dritten Tag recht leidlich über die Lippen», scherzt er.



«Man braucht viel Passion, um Wein zu machen, aber letztendlich muss man ihn verkaufen.»

Wir fahren ein paar Minuten zum Wohnhaus. Es steht auf einem kleinen Hügel mit Blick auf Estremoz mit seiner stattlichen, in eine Pousada verwandelten Burg. Beim Kaffee auf der Terrasse höre ich, dass seine Grossmutter mütterlicherseits ein Weingut in Alenquer bei Lissabon besessen hatte. Das regte ihn an, Landwirtschaft zu studieren, obwohl er väterlicherseits aus einer Architektenfamilie stammt. Im dritten Jahr am Instituto Superior de Agronomia musste er sich zwischen Landbau und Industrie entscheiden. Er wählte letztere und lernte, wie man Wein, Olivenöl, Brot und Milch macht. Zwei Jahre an der nationalen Weinbaustation in Dois Portos schärften sein Weinwissen. 

Vom Weinberater zum Winzer

«Der Alentejo war die erste portugiesische Weinregion, die mit einem neuen Weinstil begann: mit fruchtigeren, zugänglicheren, freundlicheren Weinen. Natürlich hatten wir schon immer Wein in Portugal. Aber früher wurde er vermutlich zu spät abgefüllt, die Frucht war nicht so vorrangig, die Tannine waren rau und zu trocken, ausserdem hatten sie ein schwieriges Finale. Wenig ansprechend für Weinverbraucher. Man muss die Frucht herausstellen, um die Leute zum Weintrinken zu bringen. Wein ist ein Getränk, das Freude bereiten soll.»

Er begann genau zur richtigen Zeit, frischen Wind in die portugiesische Weinwelt zu bringen. Wenn er damals an Messen teilnahm, standen die Profis Schlange, um seine Weine zu probieren. In der Folge hagelte es Angebote, zunächst von der grössten Kooperative des Alentejo und einem Projekt in Estremoz. So zog er 1988 dorthin und gründete die Beraterfirma Consulvinus, die bis Mitte der 1990er Jahre 25 bedeutende Kunden gewann. Nun nicht nur im Alentejo, sondern auch in Tejo, Setúbal, Dão, Beiras und Lissabon

Überall kreierte João moderne, attraktive Weine, gab neue Impulse und wurde mit Auszeichnungen überschüttet. In Estremoz kaufte er das Grundstück mit dem jetzigen Wohnhaus (damals Büros) und einem fünf Hektar grossen brachliegenden Hang. Obwohl er nicht vorhatte, Winzer zu werden, bepflanzte er ihn 1989 mit Reben. «Anfang 1993 begann ich mich zu fragen, warum ich nicht ein neues Leben als Weinerzeuger beginnen und damit etwas für die nächste Generation aufbauen sollte. Wenn man seinen eigenen Wein macht, muss man sich aber auch um den Verkauf kümmern. Deshalb beschloss ich, sobald ich meine eigene Kellerei haben würde, mein Berater-Business aufzugeben. Dann hörte ich auf. Mit einer Menge Risiken vor mir und viel Kopfschmerzen.»

Marmorbecken für Topweine

Winzer João steuert den Volvo auf den Burgberg zu. Von nordwestlicher Seite führt ein geteerter Weg zur Porta de Évora und über ihre schmale Zugbrücke zu einer der Bastionen. Hier oben bläst der Wind heftig. Doch der Blick lohnt sich. Nicht nur in die Weite, sondern zu Füssen der Festung auf die Weinberge, die hier die Ruine der Kapelle des Lazarus umgeben. Um den Burgberg herrscht Bauverbot. Als João erfuhr, dass dort Land angeboten wurde, konnte er nicht widerstehen. Inzwischen hat er hier 25 Hektar Weinberge bestockt. «Sehen Sie dort, wie der Boden die Farbe wechselt», weist mich Filipa auf einen fernen Zipfel hin. Weiss leuchtender kalkreicher Marmorboden, die Vinha de São Lázaro, eine ihrer besten Lagen. Unterhalb der Burg treffen wir schliesslich auf Sohn João Maria und das ganze Team, das dabei ist, Reben in den roten Boden zu setzen. Ein neuer Weingarten mit Aragonez, wie man hier Tempranillo nennt.

Zurück zur Adega Vila Santa, wo João 1997 die erste Kellerei errichtete. Stolz zeigt mir der Hausherr den vor drei Jahren eingerichteten Kellerraum mit sechs grossen niedrigen Maischebecken aus dem weissen Marmor von Estremoz, den typischen Lagares. «Wir benutzen die Lagares für unsere Topweine», erklärt er. In der Regel kombiniert er die intensive Extraktion ohne Alkohol in den Becken mit traditionellen Maischestandzeiten in Edelstahltanks und anschliessender Reife in Eichenfässern. Die grossen Weine würde er nur in besonders guten Jahrgängen herausbringen. «Um ein erfolgreicher portugiesischer Weinerzeuger zu sein, muss man ein gewisses Volumen haben. Man kann nicht nur Weine mit hoher Qualität erzeugen. Es gibt französische und kalifornische Winzer, die ein schönes Leben mit 15 oder 20 Hektar Reben führen können. Das ist in Portugal unmöglich. Aber ich glaube an die Zukunft und daran, dass wir portugiesischen Winzer die uns zustehende Position in der Weinwelt erreichen werden. Das braucht Zeit. Doch wir sind nahe dran.»

Seine Leidenschaft gilt dem Alentejo. «Der Alentejo macht ein Drittel von Portugal aus. Er geht von der Atlantikküste bis an die spanische Grenze und von Portalegre 250 Kilometer nach Süden. Man hat unterschiedlichste Ausrichtungen und Terroirs, atlantische und kontinentale Einflüsse, Schiefer, Kalk, Granit. Hier kann man Myriaden unterschiedlicher Weinstile erzeugen. Leicht zu trinkende Weine mit viel Frucht, aber auch solche, die lange und gut reifen.» Schon als Junge verliebte João sich in die Region, als seine beiden Grossväter ihn dorthin zur Rebhuhnjagd mitnahmen.
Auch wenn João Portugal Ramos auf seinen inzwischen vier Weingütern insgesamt 140 Leute beschäftigt, führt er einen Familienbetrieb. Wir probieren die Weine im geräumigen Esssaal. Als die Mittagszeit naht, stellen sich Frau Teresa, Tochter und Schwiegertochter mit den Enkelkindern ein. Wenig später kommt Sohn João Maria dazu, begleitet vom Rebspezialisten Professor José Ramón Lissarrague aus Madrid, der die Familie seit langem berät. Als Hauptgericht gibt es raffiniert mit Whisky und Sojasauce abgeschmeckte, lange geschmorte Rebhühner, vom letzten Jagdausflug von Vater und Sohn. Dazu öffnet João seinen Lieblingswein Marquês de Borba Reserva. Ein perfekter Zusammenklang zwischen dem delikaten, würzigen Wildgeflügel und dem verschmolzenen, komplexen, lange nachklingenden, im Finale frischen Rotwein. Jahrgang 1999! Ein Höhepunkt des Alentejo.


Verlangen nach Herkunft

Mit Markenweinen, allen voran Marquès de Borba Colheita, hat João Portugal Ramos die Welt erobert. Er kreiert Weine mit höchstem Anspruch von besonderen Terroirs.

Quinta da Viçosa,
Alentejo DOC 2019

17.5 Punkte | 2022 bis 2030

Trincadeira und Syrah von Kalkböden der Bio-Quinta, zwölf Monate in neuen Fässern ausgebaut. In der Nase Veilchen, Tinte, Pfeffer, Mokka, rote Früchte sowie Humus und Pilze. Konzentriert am Gaumen, feinkörnige Tannine, maskulin, lebendiges Finale. 

Vinha de São Lázaro,
Alentejo DOC 2017

18 Punkte | 2022 bis 2032

Sortenreine Touriga Nacional von Kalkboden, zwölf Monate in neuer Eiche. Sehr intensiv, reife Blaubeeren und Kirschen, süsse Lakritz, feine Gewürze. Sehr saftiger Ansatz, schöne Fruchtsüsse, mineralische Spannung, integrierte Würze, sehr lang.

Marquês de Borba Reserva,
Alentejo DOC 2017

18 Punkte | 2022 bis 2034

Cuvée aus Trincadeira, Aragonez, Alicante Bouschet und Cabernet Sauvignon von Schieferböden, 18 Monate gereift. Joãos Lieblingswein, enorm dicht, doch differenziert mit viel Würz- und Röstnoten, schwarzer Frucht, superber Struktur. Viel Potenzial.

João Portugal Ramos,
Estremus Alentejo DOC 2017

18.5 Punkte | 2022 bis 2032

Lage unterhalb der Burg, Mischsatz von Trincadeira und Alicante Bouschet, Ausbau 18 Monate. Hochkonzentriert, verschmilzt verführerisch Cassis und Brombeeren, Gewürze, Kakao, Unterholz. Grandiose Textur, fleischig, spannend, erdig, ausdauernd. 1953 Flaschen.

Quinta Foz de Arouce,
Vinhas Velhas de Santa Maria
2015

18 Punkte | 2022 bis 2030

Von 80 Jahre alten Baga-Reben auf Schiefer, 14 Monate in Eiche gereift. Faszinierend vielschichtig, balsamisch, Backobst, Bitterschokolade, Lorbeer, Leder und Unterholz. Superedle Tannine, alte Möbel, Laub und Tabak. Aristokratisch.

Duorum,
O. Leucura DO Douro 2015

18.5 Punkte | 2022 bis 2033

Nach dem raren Trauersteinschmätzer benannt. Von sehr alten Reben im Mischsatz, Touriga Nacional und Franca, 18 Monate Ausbau. Sehr dicht, schwarze Früchte und Gewürze. Samtig, tiefgründig, schiefrig-mineralisch, Kraft und Zukunft. 6404 Flaschen.

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