Winzerlegende: Ein Opernfan macht Karriere

Michael Moosbrugger macht Aufsehen als Pächter und Frontmann von Schloss Gobelsburg

Text: Rudolf Knoll, Fotos: Regina Hügli, Michael Moosbrugger, Herbert Lehmann

  • Die Zisterziensermönche sind keine Kostverächter und wissen bei gelegentlichen Visiten durchaus zu schätzen, was ihnen Michael Moosbrugger kredenzt. Nur Jesus am Kreuz muss leer...

Er hätte eigentlich Hotelier werden sollen, wurde aber dann Chef eines österreichischen Traditionsweingutes im Kamptal, dem er in 25 Jahren zu einem Comeback als Spitzenbetrieb verhalf. Ideenreichtum, Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft sind die Tugenden von Michael Moosbrugger, Pächter und Frontmann von Schloss Gobelsburg im Eigentum des Zisterzienser-Stiftes Zwettl.

Vorsichtig steigen wir eine relativ steile Treppe hinab. Dann sind wir dank der Schlüsselgewalt des Hausherren in einem besonderen Wein-Heiligtum angelangt, das für Besucher nicht immer zugänglich gemacht wird. Ein grosser Kreuzgang mit Lichteinfall an der Decke lässt an ein Kloster denken. Am Ende eines langen Ganges sieht man eine sanft beleuchtete Jesus-Figur am Kreuz, die auch darauf hinweist, dass hier der christliche Glaube zuhause ist. Aber jede Menge stattlicher Holzfässer lassen erkennen, dass der Wein dennoch eine Hauptrolle spielt – wie schon vor hunderten von Jahren. 1740 übernahm der Orden der Zisterzienser in Zwettl das damals gerade umgebaute Schloss Gobelsburg bei Langenlois in desolatem Zustand, aber mit Reben, von einem verschuldeten Landadeligen. Dann war es lange Zeit still um das bereits 1074 erbaute Gebäude, das im Ersten und Zweiten Weltkrieg reichlich Schaden nahm. Erst ab 1958 wurde es unter Leitung von Pater Bertrand Baumann aus Zwettl, der alles renovierte und die Weingärten mit Fingerspitzengefühl nutzte, zu einem Weingut mit Reputation.

Als dieser einen Nachfolger suchte, wandte er sich an Topwinzer Willi Bründlmayer, der einen hoffnungsvollen jungen Mann, damals gerade 29 Jahre alt, kannte, dem er zutraute, das Weingut fit für die Zukunft zu machen: Michael Moosbrugger. Dieser erinnert sich noch genau an das erste Gespräch in Zwettl im Dezember 1995, den ersten Besuch von Gobelsburg am 30. Dezember und den Einzug noch ohne Familienanschluss ins Schloss am 15. Januar 1996 – ein Einzug in sehr kühle, ungeheizte Räume. In diesem kurzen Zeitraum wurde auch sein langfristiger Pachtvertrag unterschrieben.

Was Moosbrugger vorfand, waren gut 30 Hektar gepflegte Reben in guten und sehr guten Lagen. Aber er merkte schnell, dass das vorhandene Potenzial nicht ausgeschöpft wurde und ein Exportgeschäft praktisch nicht vorhanden war. Messwein war in jener Zeit der grosse Renner. Mit dem buhlte das Stiftsgut um Vertrauen bei den Konsumenten nach dem grossen Glykolskandal Jahre vorher. «Mir war klar, dass eine Umstrukturierung erfolgen musste», erinnert sich Moosbrugger an die Feststellung des damaligen Status quo. Er übernahm alle Mitarbeiter, freute sich, dass es einen grossen Altweinkeller gab, der Weine, deren Jahrgänge zurück bis zum Jahrgang 1947 reichten, beherbergte. Aus ihm konnte er später immer mal wieder schöpfen. Er arbeitete sich in die Geschichte des Hauses ein. Dabei faszinierten ihn auch Methoden, die in grauer
Vorzeit beim Weinausbau praktiziert wurden. Er studierte dafür sogar eine römische Kelteranlage an der Mosel.

Wachsende Rebfläche, steigender Export

So nach und nach brachte Moosbrugger Schloss Gobelsburg wieder voran und knüpfte an den bedeutenden Ruf von einst an. Die Rebfläche wuchs auf 80 Hektar. Zwei Drittel des Ertrags gehen heute in den Export, der im Team intensiv beackert wird. Will man ihn erreichen, ist er vielleicht gerade in Dänemark unterwegs, besucht Kunden in Kopenhagen und Aarhus. Dann geht es nach Italien, und er präsentiert seine Weine in Verona. Zwischendrin darf es noch ein Abstecher zu einem Riesling-Meeting im Rheingau sein. Und kaum ist er wieder auf dem Schlossgut, wartet schon ein amerikanischer Kunde. Daneben geniesst er es, dass wieder ganz normale Weinfreunde das Weingut besuchen und hoffen, dass sie einen Termin für eine Führung durch den Keller bekommen, inzwischen ein begehrtes Objekt. Denn die letzten Jahre wurden auch damit verbracht, die Heimstatt der Weine zu erweitern und sie neu zu konzipieren.

Als im Herbst 2021 zu mehreren Eröffnungsfeiern geladen wurde, staunten die Gäste auch über die Fässer auf Rädern. «Wir haben mal überlegt, ob wir uns auf Stahltanks konzentrieren sollen, mit denen sich die Temperatur beim Ausbau exakt steuern lässt», erzählt er. «Stahltanks gibt es weiterhin. Aber ansonsten sind wir den Fässern treu geblieben. Durch die Rollen können wir sie je nach Art des Weines problemlos in Bereiche der optimalen Temperatur bringen, sogar ins Freie. Das ist wie bei einer lockeren, liberalen Kindererziehung, durch die sich der Nachwuchs zu Persönlichkeiten entwickeln kann.» Hinzu kommt, dass durch die gepflegten Fässer (Holz aus dem nahen Manhartsberg) ein klassischer Kellercharakter gewahrt bleibt.



Privat verhalf ihm ein Hobby zum Familienglück. 1997 hielt er eine Weinverkostung in einem Hotel in Wien und erzählte nebenbei, dass er ein eifriger Operngänger sei. «Ein Mann, der gern in die Oper geht, gibt es das wirklich?», staunte eine junge, aus der Hotelbranche kommende Dame namens Eva, die selbst für klassische Musik bis hin zu Wagner zu haben war. Zwei Jahre später wurde geheiratet. Bald darauf stellten sich die Kinder Johannes (2000), Anna (2001) und Maria-Luise (2004) ein, so dass das Stiftsweingut inzwischen auch ein Familienweingut ist, in dem Eva zuständig für Veranstaltungen ist und in das irgendwann mal Johannes, derzeit in Geisenheim auf der Studienbank, intensiver einsteigen soll. Für Musik bleibt trotz Familienpflege und dem Engagement für Wein immer noch Zeit. Salzburg, Bayreuth, Grafenegg sind Ziele von Eva und Michael Moosbrugger. Er selbst spielt fast jeden Tag zum Abschalten mindestens eine Stunde Klavier, «nur für den Hausgebrauch etwas Bach, Chopin, Haydn, kaum Mozart.»

«Wenn ich vom Beruf abschalten will, setze ich mich ans Klavier und spiele klassische Musik.»

Beim Wein ist «Michi» (die österreichische Koseform für Michael) immer zu Experimenten aufgelegt und lässt sich auf spezielle Erziehungen für Grünen Veltliner, der in Gobelsburg die Hauptsorte ist, ein. Manchmal bleibt der Wein lang, dann wieder nur kurz auf der Hefe, oder er wird mehrfach umgezogen. Es gibt Cuvées aus drei verschiedenen Jahrgängen und – begünstigt durch die reifen Jahrgänge im Archiv – auch in kleiner Auflage mit bis zu zehn Jahrgängen. In einem 2021 kreierten Jubiläumswein (850 Jahre Weinbau) wurden reife Weine aus der Schatzkammer mit frischeren Jahrgängen cuvéetiert. Die 7000 Flaschen waren trotz eines Preises von 120 Euro schnell ausverkauft. Mit Blick auf die Zukunft und den Klimawandel ist man in kleinen Basisweingärten auf der Suche nach neuen, resistenten Sorten. «Auf diesem Feld waren schon die Zisterzienser erfolgreich», meint Moosbrugger.

Nicht von allen geliebte Klassifikation

Nicht nur Freunde gemacht hat sich Michael Moosbrugger mit seiner Tätigkeit als Vorsitzender der Vereinigung Österreicher Traditionsweingüter (ÖTW), die nach dem Vorbild des deutschen Verbandes der Prädikatsweingüter (VDP) in den Regionen Kamptal, Kremstal, Traisental, Wagram, Wien und Carnuntum besondere Lagen der Mitglieder klassifiziert, vorläufig aber nur als Erste Lage und noch nicht als Grosse Lage wie das deutsche Gegenstück. Viele Funktionäre sind dagegen, weil sie eine Benachteiligung des sonstigen Weinbaus befürchten. Andererseits wird in Österreich schon überlegt, ob man eine Klassifizierung nicht staatlich regeln kann. «Bei den Diskussionen haben wir konstruktiv mitgearbeitet», erzählt «Michi».

«Aber wir bleiben mit unserem 1992 gegründeten Verein auf jeden Fall offen für andere Regionen. Gerade haben wir drei Betriebe aufgenommen. Die Thermenregion wird kommen, in zwei Jahren wohl auch das Weinviertel. Wir hoffen, dass wir dann statt über 70 etwa hundert Mitglieder haben, sehen uns aber nicht als Elite-Club, sondern als Werbegemeinschaft mit gemeinsamen Ideen.»

Hohes Niveau

Das Sortiment von Schloss Gobelsburg ist nicht riesig. Doch war die Auswahl für die Empfehlungen eine Qual der Wahl, weil sich die Kollektion auf hohem Niveau bewegt.


Grüner Veltliner Kamptal DAC 2021

16.5 Punkte | 2022 bis 2028

Unterschiedliche Bereiche und Rieden sind die Herkünfte dieses Gebietsweines, der für ein Einstiegsgewächs ein beachtliches Niveau hat. Zartes, sortentypisches Pfefferl im Aroma; sanfter Druck im Geschmack, herrlich knackig, würzig, anregend. Grossartig zu einer feinen Käseplatte.

Grüner Veltliner Ried Lamm ÖTW 1. Lage 2020

18 Punkte | 2022 bis 2032

Die Ried Lamm hat einen Ruf wie Donnerhall und fiel 2020 nicht so mächtig wie früher aus, dafür sehr elegant im Geschmack, mit fester Struktur, Tiefgang, etwas stahlig und auch rassig. Kräuterwürzige Noten verwöhnen die Nase.

Riesling Ried Heiligenstein ÖTW 1. Lage 2020

18 Punkte | 2022 bis 2035

Terrassen prägen das Bild der weit über das Kamptal hinaus berühmten Lage, die für Riesling pur steht. Feine mineralische Elemente im Aroma. Am Gaumen elegant, vornehm, tanzt verspielt auf der Zunge, toller Nerv, bleibt im Abgang eine halbe Ewigkeit da.

Tradition Heritage Historische Weinbereitung

19 Punkte | 2022 bis 2032

Grüner Veltliner und Riesling aus den Jahrgängen 2016, 2017 und 2018 bilden die Basis für diesen aussergewöhnlichen Wein, der sich vornehm, vielschichtig und feingliedrig präsentiert. Beim Genuss kommt Ehrfurcht auf! 29 Euro muten preiswert an. Passt zu kräftig gewürztem Fleisch.

Pinot Noir Reserve 2019

18 Punkte | 2022 bis 2032

Zweigelt, St. Laurent und Merlot geraten gut, aber es ist der Pinot, der das rote Aushängeschild von Schloss Gobelsburg ist. Klassische, kühle Cassis im Aroma; am Gaumen feingliedrig, geschmeidig, raffinierte Elemente, lang im Abgang, tolles Potenzial. Zu rosa gebratener Kalbsroulade.

Blanc de Blanc Brut

17 Punkte | 2022 bis 2028

Handgerüttelter Sekt, stets betont herb, gehört zu den absoluten Gobelsburger Spezialitäten. Der Vintage 2010 ist der Star, aber auch die normale Version macht viel Freude: lebhafte, feine Perlage; sanfter Druck, rassig, viel Schliff und anregend. Perfekt zu Austern.

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