Der lange Weg zur Harmonie

Elena Pantaleoni

Text: ChristianEder, Fotos: z.V.g.

Elena Pantaleoni ist nicht nur unter Naturweinliebhabern eine Ikone, ihre Weine sind weltweit gesucht – vom lange mazerierten Malvasia Ageno über den noblen Macchiona bis zum Passito Vigna del Volta: Jede dieser Kreszenzen hat ihre eigene Persönlichkeit, ihre eigene Geschichte. Und Elena Pantaleoni hat sie uns bei unserem Besuch erzählt. 

Die Himbeeren sind reif, die Salatköpfe spriessen, die Bohnen ranken, ein paar Enten watscheln über ein Stück Wiese, irgendwo gackern Hühner. In Elena Pantaleonis Gemüsegarten gedeiht in diesen Frühsommertagen alles ganz prächtig. Sehr zur Freude der Besitzerin, die mit sichtlicher Genugtuung über ihr Reich blickt. Dazu gehören auch die Reben, die sich nur ein paar Meter hinter den Himbeersträuchern den Hang entlangziehen. Auf der anderen Seite, hinter der Kellerei, erhebt sich die Villa mit dem charakteristischen Turm, die auch die Etiketten von La Stoppa ziert: Der ehemalige Wachturm ist der Rest einer Burg, deren Ruinen noch neben der Villa aus dem 19. Jahrhundert zu sehen sind.

Wichtiger Teil ihrer Philosophie sei, meint Elena bei unserem Spaziergang durch den Garten und die Rebberge, in einem gesunden Umfeld zu leben und die regionalen Traditionen zu pflegen. Dazu gehöre auch die Pflege der heimischen Rebsorten. Denn vorgefunden hatte sie 1991, als für sie nach dem frühen Tod ihres Vaters das Abenteuer Weinbau begann, vor allem internationale Varietäten: Diese Rebsorten wurden vom Gründer des Gutes, dem Anwalt Giancarlo Ageno, vor rund hundert Jahren gepflanzt und auch noch von ihrem Vater gepflegt. Ageno produzierte daraus Weine mit eigenwilligen Namen wie Bordò, Bordò Bianco oder Pinò.

Aber auch wenn sie anfangs versuchte, das Beste aus den fremden Trauben herauszuholen, «die Qualität kam dem Ideal nicht gleich, das Klima, der Boden, das passte nicht zusammen », erinnert sie sich. «Erst langsam entdeckte ich, dass Pinot Nero, Merlot, Chardonnay und Sauvignon nicht zum Charakter dieser Landschaft, dieses Gutes passten.» Bis auf Merlot wurde in den 1990er Jahren alles sukzessive eliminiert. «Damit begann der grosse Wandel », sagt Elena, «damals wurde der Grundstein für das Gut La Stoppa von heute gelegt, auch wenn es noch ein langer Weg war.» Dabei waren die Weine schon damals gut: der Pino Nero, der von 1987 bis 1997 produziert wurde, sogar hervorragend.

«Aber die Verwendung von Merlot und Co. war eine Kopfgeburt ohne Bezug zum Terroir», gibt Elena zu: «Wir können hier im Norden Italiens nicht die gleichen Weine machen, die man 600 Kilometer weiter entfernt produziert, da fehlt nicht nur die Typizität, sondern auch das passende Klima.»

Eine Alternative war aber schnell gefunden: Als 1995 der Sauvignon eingestellt wurde, wurde zum ersten Mal der Passito aus Malvasia di Candia produziert – eine Rebsorte, die eine lange Geschichte in der Emilia hat und ebenfalls schon von Giancarlo Ageno ausgepflanzt wurde. Und das war der Beginn des Paradigmenwechsels auf La Stoppa, der wie gute Dinge viel Weile brauchte.

Eine Etappe war die Aufgabe der Ursprungsbezeichnung Gutturnio (in der Provinz Piacenza für Weine aus Barbera und Bonarda – so der lokale Name der Rebsorte Croatina – vorgesehen, seit 2010 DOC), die La Stoppa 2009 plötzlich ohne einen Wein für den lokalen Markt dastehen liess. «Aber das war nicht, was wir wollten: Wir wollten Weine mit Persönlichkeit, mit einer klaren Identität.» Der heutige Trebbiolo, der Einstiegswein von La Stoppa, entwickelte sich aber schnell zu einem passenden Ersatz.

Das Ziel der Reise zeichnete sich schon ab: raus aus den Ursprungsbezeichnungen, nur mehr territoriale Weine unter dem Brand La Stoppa produzieren. Davon gibt es inzwischen fünf: den frischen stahlgereiften Trebbiolo aus Barbera und Bonarda, den charaktervollen Macchiona, ebenfalls aus Barbera und Bonarda, aber in Holz ausgebaut, den Barbera Camporomano (von der gleichnamigen Lage), den trockenen, lange mazerierten Malvasia Ageno und den Passito Vigna del Volta – benannt nach Signor Volta, der den gleichnamigen Rebberg jahrelang gepflegt hat. Dazu kommt – als kleine Reminiszenz an die Vergangenheit – der Riostoppa, ein Blend aus Merlot und dem Rest verbliebener Bordelaiser Trauben.

«Wir suchen Harmonie in den Weinen. Dafür ist die Zeit unsere Alliierte.»

Eine zweite wichtige Entscheidung hat Elena ebenfalls erst getroffen, als sie mehr Erfahrung hatte: «Die Weine wurden immer zu früh auf den Markt gebracht: Heute wird gewartet, bis sie reif sind.» Weine aus jüngeren, wärmeren Jahrgängen erscheinen zum Teil Jahre vor gereiften Weinen aus kühlen Jahren: «Die Jahrgänge 2012 und 2013 des Macchiona sind bereits ausverkauft, 2010, 2009, 2006 und 2002 hingegen aktuell am Markt.» Elena glaubt, dass ihre Weine diese Zeit auch benötigen: «Sie zeigen sich zu Beginn oft mit flüchtiger Säure, haben viel Alkohol und brauchen vor allem Zeit, um ihre Harmonie zu finden.» Sie greift in den Boden und führt eine Handvoll trockener Erde zutage: «Der Untergrund ist karg und besteht zum Teil aus Lehm, was den Weinen ihren hohen Säuregehalt verleiht. Die Säure ist das Rückgrat und gibt all unseren Weinen Lagerpotenzial. » Bei einigen Weinen ist die Barbera, die keine malolaktische Gärung durchmacht, ein wichtiger Säure-Faktor. Das Ergebnis sind immer «‹vini eleganti›, aber trotzdem mit Struktur, Alkohol und Länge», betont Elena: «Wir suchen Harmonie. Kein Bestandteil des Ganzen sollte dominieren. Und dafür ist die Zeit unsere Alliierte.»

Viele junge Weinliebhaber haben Praktika bei ihr absolviert, manche später sogar damit begonnen, selbst Weine zu produzieren. Auch Elenas alter Weggefährte, ihr Kellermeister Giulio Armani, der bereits ihrem Vater zur Seite stand und der heute noch eine Säule von La Stoppa ist, hat bereits seit 2005 sein eigenes Weingut, Denavolo, nur eine Viertelstunde von La Stoppa entfernt. Dort produziert er auf einem gänzlich unterschiedlichen Terroir ebenfalls elegante, aber weniger körperbetonte Weine als Elena.

Verkauft werden sie im eigenen Weinshop am Gut La Stoppa, gemeinsam mit anderen ausgewählten Weinen von kleinen Produzenten, meist aus der Nachbarschaft. Sogar chilenische Weine findet man im Regal: Seit der Pandemie kümmert sich Elena um den 90 Hektar grossen Familienbesitz in Chile, der 1999 erworben wurde und den bislang ihre Mutter bewirtschaftete. Aktuell verkauft sie dort nur die Trauben, aber bis vor wenigen Jahren wurde auch abgefüllt.

2023 steht nun allerdings erst einmal im Zeichen des 50-jährigen Jubiläums von La Stoppa, das Elena ausgiebig feiert: «Ich habe lange überlegt, aber am Ende habe ich mich entschieden zu teilen. Und zwar mit den engsten Freunden, darunter Arianna und Giusto Occhipinti oder Elisabetta Foradori, plus ein paar Dutzend Gästen. » Schauplatz von sieben «Kapiteln», über das ganze Jahr verteilt und noch bis Dezember, ist ihr «Ristorante agricolo Terre Rosse Antiche» gleich neben der Kellerei. Da wird dann gegessen und getrunken und es werden Geschichten aus dem vergangenen halben Jahrhundert erzählt. Open End inklusive.

Die Weine

Auf La Stoppa werden elegante, langlebige Weine gekeltert, die erst auf den Markt kommen, wenn sie ihre Harmonie erreicht haben.

Vino Rosso Trebbiolo 2021

16.5 Punkte | 2024 bis 2027

Der Einstiegswein der Kellerei, der zu Ostern in Flaschen gefü

llt wird: feinfruchtige Hagebuttennase, Nuancen von Schwarzen Johannisbeeren; der Auftakt frisch, durch die vife Säure geprägt, dann aber saftig und mit schönem Schliff.

Emilia IGT Macchiona 2006

18.5 Punkte | 2024 bis 2032

Je zur Hälfte Bonarda und Barbera, ein Jahr in grossem Holz, danach sehr lange in der Flasche gereift: duftet nach Steinobst und Johannisbeeren, viel Würze, dann Leder und Lakritze; komplexe Textur, die noch robusten Tannine sorgen für die Struktur, die pfiffige Säure sorgt für die Frische, das Finale anhaltend und geschliffen.

Emilia IGT Macchiona 2009

18 Punkte | 2024 bis 2031

Facettenreiches Parfum nach Blüten, roten Beeren, Gewürznoten, Leder und Tabak; geschliffener Auftakt, die pulsierende Säure belebt, dann präzise Evolution hin zu einem überraschend frischen Fruchtpotpourri mit balsamischen Nuancen. Passt zu Wildgerichten oder einem Brasato, aber auch zu gereiftem Käse.

Emilia IGT Barbera Camporomano 2012

17.5 Punkte | 2024 bis 2030

Fruchtiger Charakterwein, der auch die Eleganz dieser Rebsorte hervorhebt: betörender Duft nach roten Beeren, Kirschblüten, Gewürzen und Tabak; knackige Textur mit Geschmeidigkeit, die Säure sorgt für die beeindruckende Frische, der Ausklang ist lang und geschmeidig.

Vino Bianco Ageno 2020

19 Punkte | 2024 bis 2032

Der maischevergorene Wein aus Malvasia di Candia verströmt ein verführerisches Odeur nach hellem Obst, Orangenzesten, Tee und Salbei; im Mund sehr harmonisch, die Säure perfekt eingebunden, elegant und facettenreich im Abgang. Leckere mediterrane Kreszenz, die man solo geniessen sollte.

Vino da Uve Appasite Vino del Volta 2022

18 Punkte | 2024 bis 2034

Aus angetrockneten Trauben, spontan vergoren und über ein Jahr in Barriquefässern ausgebaut, vereint dieser Passito aus Malvasia anheimelnde Noten von Nüssen, Aprikosen, Blüten und Honig mit kerniger Säure, viel Schliff und einem ellenlangen Finale.

Gewinnspiel

VINUM verlost diesmal zwei ausgezeichnete, langlebige Flaschen Macchiona Emilia IGT 2006 vom Weingut La Stoppa – exklusiv signiert von der Winzerlegende Elena Pantaleoni.
Teilnahme unter:

www.vinum.eu/pantaleoni

Teilnahmeschluss: 22. November 2023

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