Nach neun Jahren Kampf gegen Thüringer Engstirnigkeit: Weingut zu Weimar verkauft komplette Rebfläche

02.06.2015 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Freyburg) - Das lange Hickhack hat ein Ende. Georg Prinz zur Lippe, auch Eigentümer des Weingutes Schloss Proschwitz in Sachsen, hat die Weinberge des Weingutes zu Weimar in Thüringen an die Agrargenossenschaft Gleina verkauft. 46 Hektar, davon 34 im Ertrag, wechselten damit den Besitzer. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. „Das zehnte Jahr war bei diesem Engagement für mich schon länger die Deadline“, bedauert der 58-jährige „Wein-Prinz“. „Ich wollte hier, wie in Sachsen, ein Weingut mit Kellerei aufbauen. Aber mehrere Erwerbs- und Entwicklungskonzepte für die Errichtung eines eigenständigen Betriebes in historischem Umfeld konnten nicht realisiert werden. Alle Projekte, die bis ins Detail bereits durchgeplant waren, wurden blockiert. Nach zehn Jahren harter Arbeit waren keine klaren Perspektiven erkennbar.“

 

Angesprochen fühlen dürfen sich vor allem die Kommunen Kromsdorf und Liebstedt, deren Haltung gegen den adeligen Winzer mit kleinkariert und engstirnig noch unzureichend beschrieben ist. Statt die Chance zu nutzen, mit einem Weingut auch in den Fokus von Touristen zu rücken und die Gewerbesteuereinnahmen deutlich zu steigern sowie Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen, wurden Lippe nur Hindernisse in den Weg gelegt. So etwas kannte er ursprünglich bei seinen sächsischen Anfängen ab 1991, als die Bevölkerung auch befürchtete, dass ihr der Adel alles wegnimmt. Jahre später waren diese Probleme überwunden und wurde seine Aufbauleistung allgemein anerkannt. 

Anders in Thüringen. Dass er dennoch über einen langen Zeitraum versuchte, einen vernünftigen Standort zu finden, war ohnehin erstaunlich. Aber er fühlte sich wohl im Wort, weil ihm 2006 der damalige Thüringer Landwirtschaftsminister Volker Sklenar (CDU) angetragen hatte, sich im Raum Weimar zu engagieren und mit seiner Qualitätsstrategie ein Weingut aufzubauen. 

„Es war für mich ein besonderer Reiz, das exzellente und bisher nur schlummernde Weinbau-Terroir wiederzubeleben und dem mitteldeutschen Weinbau eine weitere spannende authentische Facette hinzuzufügen“, blickt Georg Lippe zurück. Untersuchungen der Forschungsanstalt Geisenheim hatten ein gutes Potenzial für Weinbau belegt. Von der Aufrebung profitierten auch benachbarte Thüringer Weinbaubetriebe, denen neue Rebrechte zugestanden wurden. So konnten sie ihre Betriebe erweitern. Heute sind rund 110 Hektar in Thüringen bestockt, die dem Anbaugebiet Saale-Unstrut zugeschlagen sind. Kein Geheimnis ist es, dass Thüringer Winzer im Weingut zu Weimar eine unerwünschte Konkurrenz sahen und sich damit in die Abwehrstrategie der Gegner einreihten.

Diese Strategie bestand vor allem aus rechtlichen Winkelzügen und Beschimpfungen in der Öffentlichkeit und im Internet. Auf Hilfe aus der Politik konnte Lippe wohl schon länger nicht mehr zählen, erst recht nicht, als 2014 in Thüringen eine Rot-Rot-Grüne-Koalition mit einem Ministerpräsidenten aus den Reihen der Linken (Bodo Ramelow) installiert wurde. So drängte sich der Gedanke an einen Verkauf auf. Die Kostenfrage spielte dabei keine unwesentliche Rolle. Das Traubengut musste jeden Herbst in Kühltransportern von Thüringen nach Sachsen gefahren werden.  Das allein verschlang 30 000 bis 40 000 Euro, je nach Erntemenge (zuletzt wurden rund 200 000 Liter gefüllt).

Vor einigen Wochen hatte Georg Lippe ein interessantes Angebot auf dem Tisch liegen. Eine chinesische Gruppe wollte investieren. Hätte er eingeschlagen, wäre wohl ein neuer Proteststurm durch das Land gegangen. So entschloss er sich erst vor wenigen Tagen „trotz deutlich höherer Gebote“ für einen regionalen Partner, der in Thüringen gut verankert ist (und ihm teilweise auch nicht immer wohlgesonnen war). Die Agrargenossenschaft Gleina gehört zu den landwirtschaftlichen Giganten im deutschen Osten. Sie ist Nachfolger der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Gleina aus DDR-Zeiten, die 1991 mit einer weiteren LPG fusionierte. Heute gehören zu ihr 3200 Hektar Ackerland, 330 Hektar Wiesen, Hotels, eine Milchviehanlage und eine Schafzucht, dazu 155 Hektar Weinbau. Die Weinernte fließt komplett ab zum Freyburger Winzerverein. Mit der zusätzlichen Weinmarer Fläche wächst die Agrargenossenschaft auf etwas über 200 Hektar Rebland. 

Interessant ist der oberste Chef und Lippes Verhandlungspartner. Siegfried Boy kann man getrost als regional fast allmächtigen Multifunktionär bezeichnen. Der 59-Jährige ist nicht nur Geschäftsführer der Agrargenossenschaft sowie der beiden Freyburger Hotels Edelacker und Rebschule, sondern außerdem Vorstandsvorsitzender der Winzervereinigung Freyburg und seit 1993 Präsident des regionalen Weinbauverbandes. „Wir streben bei der Winzervereinigung schon lange eine Erweiterung unserer Rebfläche an, weil die Nachfrage nach Saale-Unstrut-Weinen konstant steigt“, ließ Boy als Erklärung für den Kauf wissen. In den letzten Jahren war es durch geringe Ernten schwer geworden, die Lieferpflichten gegenüber dem Handel zu erfüllen. Jetzt kommt gewissermaßen ein warmer Thüringer Weinregen über die Genossenschaft…

Lippe hofft, dass auch seine bisherigen zwölf Mitarbeiter inklusive des „ungemein fähigen Betriebsleiters Björn Probst“ davon profitieren. Vereinbart ist, dass alle Mitarbeiter übernommen werden. Der Verkäufer legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass er nur die Weinberge und nicht den Namen des Weingutes verkauft hat. Um den Verkauf der qualitativ guten Vorräte aus 2014 und 2013 muss er sich selbst kümmern; Restbestände werden von Gleina nicht übernommen.