"Kommunitarismus des Geschmacks" und Rückkehr zu Cos d’Estournel

05.02.2016 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Beginnen wir mit einem Kompliment - ein Abonnent meiner Weinnotizen schrieb mir: "Ich bin seit 15 Jahren ein treuer Leser Ihrer Weinnotizen und habe die beiden Salon de Outsiders in Paris besucht. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen zu danken, weil ich einen Großteil meiner geschätzten Weine aufgrund Ihrer Verkostungen kennenlernen durfte. Die markante Genauigkeit ihrer Notizen, die ich mit meinen eigenen Eindrücken vergleichen konnte sowie die Ausführungen in Ihrem Buch, versetzten mich in die Lage, meine eigenen Proben auf Basis der von Ihnen definierten Gaumen-Analyse zu entwickeln. Dies bot mir einen klaren Vorzug für mein DUAD-Studium  (Anm. d. Red.: Universitätsdiplom für Weinverkostungen), in dem paradoxerweise diese Analyseart vernachlässigt wird. Beste Grüße, S.D."

 

Im Januar 2015 veröffentliche ich eine vergleichende Studie anhand von im Handel erworbener Flaschen der beiden historisch klassifizierten Saint-Emilion Grand Cru Classés A, Château Ausonne und Château Cheval Blanc sowie der Château Angélus und Pavie, die seit 2012 ebenfalls diese Klassifikation tragen. Mit den Châteaux Ausone, Cheval Blanc und Angélus konnte ich meine Ergebnisse bei Gelegenheit besprechen. Dagegen verweigerte mir die Pressesprecherin von Château Pavie die Teilnahme an der En-Primeur 2014. Meine Frage warum beantwortetet sie wie folgt: "Wenn Jean-Marc Quarin meine Weine nicht mag, mache ich mir auch nicht die Mühe ihn zu begrüßen." Eindeutiger kann die Aussage nicht sein, wenn Weinkritiker offensichtlich für Werbezwecke benutzt werden …

Lassen Sie mich darlegen: Der Hauptgrund, warum ich mir die Weine für Studien nicht direkt bei den Gütern besorge oder dort durchführe, ist immer wieder der Versuch, meine Ergebnisse zu manipulieren. Außerdem glaube ich nicht, dass die Förderung eines "Kommunitarismus des Geschmacks", die Konsumenten dahin führt, mehr Wein zu trinken oder die Erzeuger in die Lager versetzt, höhere Preise zu verlangen. In der Tat stehe ich auf der anderen Seite. Ich bin für Offenheit und führe die Debatte darüber, was unter Qualität und Geschmack eines Weines zu verstehen ist. Dabei ist man schon mal Feind und dann wieder Freund - aber so ist das Leben.

Die schönste Versöhnung des Jahres 2015 hatte ich mit Château Cos d’Estournel: In einer früheren Notiz meines Weinführers schrieb ich im Jahr 2011 über eine Reihe von Zwischenfällen und Unterschieden im Geschmack - ich verlor damals das Vertrauen in die Arbeit von Cos d’Estournel. Deshalb besuchte ich das Château fortan auch nicht mehr für Proben. Alles begann schon in 1997, wo die En-Primeur positiv schmeckte, aber ein Jahr später zeigten die Weine markant grünen Pfeffer, was die Kontroverse auslöste.

Im Jahr 2013 nahm ich mit Freunden an einer Vertikalverkostung von Cos d’Estournel in der Schweiz teil, die vom Direktor des Gutes, der auch Mitglied der Familie des Eigners ist, geführt wurde. Im Gespräch wurde die Entwicklung der Weine des Jahrgangs 1997 besprochen, wobei der Direktor zugab, dass dieser Jahrgang von grünem Pfeffer dominiert war. Meine Leser lobten diese Einsicht des Erzeugers. Ich gab das Lob weiter an den Direktor, wobei er es so verstand, als wäre er ein Abonnent meiner Notizen. Er meinte: "Das Lob kommt nicht von uns." Diese Antwort nahm ich zum Anlass, mich wieder gegenüber Cos d’Estournel zu öffnen. Ich verkostete erneut den Jahrgang 2009 und 2010, alle Flaschen wie gewöhnlich im Handel gekauft. Mein positives Ergebnis übermittelte ich dem Direktor. Und so kehrte ich zurück zu Cos d’Estournel und nahm im April 2015 wieder an den En-Primeur des Gutes teil.