Madeira – eine wunderbare Renaissance

12.12.2016 - arthur.wirtzfeld

PORTUGAL (Madeira) – Es ist schon lange her, dass der nach der portugiesischen Insel Madeira benannte Likörwein populärer war als heute, vor allem in Nordamerika. Laut Überlieferung sollen die jubelnden Unterzeichner die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten im Jahr 1776 mit Madeira gefeiert haben. Und von George Washington, damals erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, ist überliefert, dass er jeden Abend bis zu fünf Gläser Madeira genoss. Dies kommt in etwa hin, denn sein in London weilender Agent schickte ihm jährlich 126 Gallonen des von ihm geliebten Likörweins, was etwa 477 Liter entspricht.

 

Gehen wir noch etwas zurück zum Anfang des 15. Jahrhunderts. Wir schreiben das Jahr 1419. Damals entdeckte der portugiesische Seemann und Navigator João Gonçalves Zarco die Insel im Atlantik, etwa 380 Seemeilen westlich von Marokko. Laut Aufzeichnungen wurden dann im Jahr 1453 erstmals Weinreben der Sorte Malvasia auf der Insel gepflanzt. Der Vinifikation der Weine auf der Insel verlief ähnlich wie beim Portwein. Durch Zugabe eines reinen Alkohols von 96 Prozent wurde der Gärprozess gestoppt. Und dann kam der Zufall ins Spiel. Kapitäne, die auf Madeira einen Zwischenstopp einlegten, beluden ihre Schiffe gerne mit gefüllten Weinfässern, um für die Reise nach Amerika genügend Ballast an Bord zuhaben. Als die Seeleute nach langer Reise bei der Ankunft den Wein probierten, stellten sie eine verbesserte Qualität fest. Fortan wurde der Transport des Madeira in die portugiesischen Überseeprovinzen gezielt organisiert, weil sich der "gereifte" Wein gut verkaufen ließ und die Winzer der Insel begannen mit einer längeren Lagerung zu experimentieren.

Die Reifung des Madeira während der Schiffsreisen Ende des 18. Jahrhunderts wird schon längst durch eine temperaturgesteuerte Lagerung ersetzt. Es gibt dabei zwei Herstellungsmethoden, die sich im Wesentlichen durch ihre Dauer unterscheiden. Die Estufagem-Methode bedingt eine mindestens dreimonatige Lagerung, wobei der Wein in Edelstahlbehältern durch ein Röhrensystem mit durchlaufend heißem Wasser auf 45 bis 50 °C erhitzt wird. Danach darf der Wein ruhen und kommt erst ab November des zweiten Jahres nach der Weinlese in den Handel. Die zweite Canteiro-Methode wird heute rein aus wirtschaftlichen Gründen nur noch selten angewendet. Hierbei wird der junge Wein in Holzfässern meist unter Wellblechdächern gelagert, wobei durch die Hitzeentwicklung sich ein natürlich karamelisierender Effekt einstellt. Diese Madeira dürfen frühestens am 1. Januar (drei Jahre nach der Weinlese) in den Handel kommen.

Beginnend mit dem Ende des 19. Jahrhunderts und über das 20. Jahrhundert hinweg sank der Absatz des Madeira. Wurden in den 1970er Jahren noch über fünf Millionen Liter verkauft, waren es zur Jahrtausendwende nur noch knapp vier Millionen und die Verkaufszahlen aus dem Jahr 2014 mit knapp 3,4 Millionen Liter belegen den anhaltenden Abwärtstrend. Heute erlebt der Madeira eine sanfte Renaissance, auch dank seiner außergewöhnlichen Langlebigkeit und seines intensiven Geschmacks. Somit scheint die Talsohle erreicht, denn gerade die junge Weingeneration wendet sich mehr und mehr dem Madeira zu.

Kommen wir zu den Rebsorten, der Basis für den Madeira – sieben an der Zahl – und ihren Geschmacksmerkmalen, die eine Auswahl erleichtern helfen: 

SERICAL: Die weiße Sorte Sercial wird nur in den höchsten Lagen der Insel kultiviert und verleiht dem Madeira einen trockenen Stil. Die Trauben reifen spät. Ihre Säure muss durch Alterung abgebaut werden. Daher verbringen die besten Sercial eine lange Zeit im Fass. Das Ergebnis ist ein sehr würziger Madeira, hervorragend zum mediterranen Aperitif mit Oliven, Sardellen, Nüssen oder zu leichten Käsesorten.

VERDELHO: Die ebenfalls weiße Sorte Verdelho wird vorwiegend auf der Nordseite der Insel angebaut. Hier herrscht ein kühleres Klima und die Trauben reifen später. Der Verdelho, im Geschmack runder als der Sercial, ist eher halbtrocken mit Anklängen von Rauch, Kaffee, Schokolade, oftmals gekennzeichnet mit Aromen von Nüssen und Trockenfrüchten. Passt bestens zu Desserts.

BOAL: Eine weitere weiße Sorte, der Boal, bringt überraschend dunkle, bernsteinfarbene, aromatische Madeira hervor, die sich überwiegend halbsüß präsentieren. Die Reben sind vorwiegend im Süden der Insel in niedrigen Lagen angebaut. Ihre Trauben spendieren dem Madeira Aromen von Rosinen und Mandeln. Ein schöner Begleiter zu würzigem, süßem Gebäck.

MALMSEY: Auch der Malmsey ist eine weiße Rebsorte für die süßeste Art eines Madeira. Die Reben werden überall auf der Insel, meist in niederen Lagen, immer nahe am Meer, angebaut. Ein Madeira aus Malmsey ist stets dunkel, reichhaltig und konzentriert – Aromen von Kaffee und Karamell dominieren. Die Produktion ist traditionell klein, auch deshalb ist ein Malmsey sehr begehrt. Ein Malmsey empfiehlt sich zum Solo-Genuss.

TINTA NEGRO MOLE: Eine nicht so edle aber vielfältige Sorte ist der Tinta Negra Mole, aus der traditionell mehr als die Hälfte aller Madeira produziert werden. Obwohl die Geschmacksrichtungen trocken, halbtrocken, halbsüß und süß aus der Tinta Negra Mole eine hohe Variabilität aufweisen und zuweilen auch durchaus annehmbare Qualität erreicht werden kann, ist diese Sorte letztlich für den Qualitäts- und Imageverlust des Madeira, spätestens im 20. Jahrhundert, verantwortlich.

TERRANTEZ: Eine weiße Rebsorte, die höchste Qualität in den Madeira bringen kann. Ein Terrantez kann trocken, halbtrocken und süß ausgebaut werden. Er rangiert zwischen dem Verdelho und Boal. Seine Aromen sind eine duftende Balance zwischen trocken und süß, im Geschmack üppiger als der Sercial. Der Anbau dieser Sorte ist heute sehr klein und alte, gereifte Madeira aus Terrantez sind daher sehr schwer zu finden.

BASTARDO: Die rote Rebsorte Bastardo ist weniger ertragreich und zudem anfällig für Krankheiten. Der Bastardo wurde in noch kleineren Mengen produziert als der Terrantez, der Anbau ist heute praktisch auf null gesunken. Alte, gereifte Bastardo noch von Anfang des 20. Jahrhunderts präsentieren sich im Glas mahagonifarbig, sind zwar nicht so reich an Aromen wie ein Terrantez, aber trotzdem intensiv und sehr selten, damit bei Kennern sehr geschätzt.

Der Name Madeira ist seit dem Jahr 2011 geschützt unter DOP (Denominação de Origem Protegida – portugiesische Herkunftsbezeichnung). Der mit Weinbrand aufgespritete (mit Alkohol angereicherte) Wein verfügt je nach Sorte über einen Alkoholgehalt von 17 bis 22 Volumenprozent. Durch seinen Entstehungsprozess ist ein Madeira teiloxidiert, eine sonst in der Weinwelt unerwünschte Geschmacksrichtung. Kenner raten einen Madeira, abgesehen von einem dunklen, kühlen Ambiente mit eher hoher Luftfeuchtigkeit, möglichst stehend zu lagern, denn der minimale Gasaustausch lässt ihn besser reifen und bewahrt den gewollt oxidierten Geschmack.