Zehn erstaunliche Entdeckungen aus einem 200 Jahre alten Weinkeller – Teil-II

14.10.2016 - arthur.wirtzfeld

UK (Bristol) – Weinkenner Charles Foley teilt mit uns eine Auswahl eines unglaublichen Fundes aus dem Keller der Familie Avery. Es ist eine expansive Sammlung erlesener Weine von Generationen von Weinliebhabern. In Teil-I – "Zehn erstaunliche Entdeckungen aus einem 200 Jahre alten Weinkeller" stellte Foley uns vor: 1945 – der größte Mouton den Mouton Rothschild jemals produziert hat // 1969 Romanée-Conti, Domain de la Romanée-Conti – Die Perle von Burgund // 1970 Cabernet Sauvignon Heitz Cellars, Marthas Vineyard, Napa Valley – Die Benchmark für Kalifornien // 1931 Vintage Port Quinta do Noval – ein aufregender Tropen // 1961 Pétrus – Schwarz wie eine ägyptische Nacht. Hier kommen die nächsten fünf außergewöhnlichen Raritäten:

 

1954 Magill Dry Red Bin 145A – Australiens früher Pionier Penfolds

Der legendäre Max Schubert war von 1951 bis 1975 Chef-Weinmacher der heute weltberühmten Penfolds Estate. Bemerkenswert war, dass, während Schubert die Produktion des Grange als reines Experiment begann, auch gleichzeitig andere Weine des Gutes zu blühen begannen. Die Entdeckung des Magill Dry Red Bin 145A im Weinkeller der Familie Avery lässt höchste Neugier aufkommen. Auf Nachfrage beim heutigen Chef-Weinmacher Peter Gago bestätigt dieser, dass über das winzige Vorkommen der 1950er Version der Penfolds Estate so gut wie nichts bekannt ist. Es scheint fast so, als ob der Magill Dry Red Bin 145A im Keller der Familie Avery ein Phantom ist.

Gago vermutet, dass Don Ditter als Nachfolger von Max Schubert, diesen Wein noch auf Lager im Hauptsitz von Penfolds in Sydney hatte. Dort hatte Ditter eine Reihe von Regalen mit den Buchstaben A, B und C gekennzeichnet und sehr geringe Mengen an Sonderabfüllungen gelagert. John Avery, ein Fan australischer Weine und verantwortlich für den Import einer Reihe von Australiens Weinmarken nach Großbritannien, muss wohl auf einer seiner vielen Reisen nach Down Under irgendwie diese Flasche in die Hände bekommen haben und so mag diese wohl in seinem Keller im Somerset gelandet sein. Sowas ist nur einmal passiert, ist sich Gago sicher.

1964 Musigny Vieilles Vignes, Domaine Comte Georges de Vogüé – Außergewöhnliche Reinheit, herausragende Klasse

Die Notiz vom bekannten Burgundexperten Remington Norman ist überschwänglich: "Der Musigny hat eine statutarische Struktur, patriarchal in seiner Gegenwart, autoritär und von einer außergewöhnlichen Reinheit, Energie und herausragender Klasse."

Die Domaine Comte Georges de Vogüé besitzt sieben Hektar Musigny Grand Cru. Für den Weinmacher François Millet sind die Reben männlich. Der Wein von ihren (seinen) Trauben vergleichbar mit einem "alten edlen Herrn". Der Musigny ist anspruchsvoll und ernst, punktet wie eine Metapher. Strarke Jahrgänge, dazu gehört der 1964er, tragen eine Robe an reichen Kirschen und Himbeeren, die wogend über warme Schokolade streichen mit einer Textur, die an Crème Brûlée erinnert.

Nur auf einer kleinen Fläche von 3,8 Hektar stehen Reben, die mit ihren Trauben diese Konsistenz und Tiefe in den Wein transferieren können. Selbstverständlich ist zudem, dass große Sorgfalt bei der Vinifizierung geboten ist. Für Remington Norman haben diese feinen alten Rebanlagen höchste Beachtung und sorgfältigste Behandlung, Selbstachtung und charmante Gewandtheit verdient.

1897 Château Lafite-Rothschild – Der Wein einer viktorianischen Ära

Nur etwas mehr als 70.000 Flaschen hat Château Lafite-Rothschild vom Jahrgang 1897 produziert – ein Bruchteil der Erträge eines normalen Jahrgangs vor und nachher. Weine dieses Jahrgangs waren schon Ende des 20. Jahrhunderts äußert selten.

Ein Wein dieses Jahrgangs wurde zuletzt von Michael Broadbent im Jahr 1976 verkostet. Kurz darauf ließ er einige Flaschen des 1897er aus den Kellern vom Caviar Kaspia Restaurant bei der renommierten Heublein Auktion in San Francisco versteigern. Broadbent erinnert sich träumerisch an eine sinnliche Flüssigkeit, duftend nach prallen, reifen Früchten begleitet von zimtigen Noten und Kaffee.

1945 Clos de Tart, Mommessin – Eine unsichtbare Grand Dame

Die kleine 7,53 Hektar große Parzelle in Morey-Saint-Denis wird beschrieben als "Grande Dame" der Côte de Nuits. Die Parzelle ist ungewöhnlich bepflanzt – von Nord nach Süd horizontal über den Hang, statt vertikal über den Bergrücken. Der Grund: Schutz des hier befindlichen schweren Bodens vor Erosion und günstiger Entwässerung. Weine dieser Lage haben eine feminine Art und verfügen über ein vollmundiges Rückgrat.

Im November 2009 veranstaltete die Familie Mommessin eine seltene wie bemerkensverte Verkostung einer Vertikale mit 56 Weinen. Der amerikanische Weinkritiker Allen Meadows war anwesend und notierte für den 1945er Jahrgang die eindrucksvollste Länge der gesamten Vertikalen. Und er nahm Kenntnis von der erdigen Komplexität und dem geschmeidig, intensiven, großen Körper des Weins dieses Jahrgangs.

Es ist ohne Frage ein seltenes Vergnügen, wenn, getrieben von großer Neugier, die Spinnweben dieser Flasche behutsam abgewischt und die Augen auf einem großartigen Wein ruhen, bevor die Grand Dame wieder in ihr dunkles, kühles Verlies zurückgelegt wird.

1969 Salon le Mesnil Blanc de Blancs – Ein Champagner für Kenner

Der Sohn eines Chauffeurs, Eugène Aimé Salon, verließ zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Champagne, um in Paris sein Glück zu versuchen. Schon kurz darauf, es war das Jahr 1905, kam er als reicher Mann zurück und kaufte in Le Mesnil einen Hektar Weinberg, bepflanzt mit Chardonnay und begann sofort Champagner zu produzieren. Sein Vermögen wuchs weiter und parallel auch das Interesse an seinem Champagner. In den späten 1920er Jahren wurde er zum Hauslieferant des berühmten Restaurant Maxim in Paris.

Während Champagner als Getränk der Großherzöge und Starlets zur Berühmtheit avancierte, interessierten sich zunehmend auch Weinkenner für den Champagner von Salon de Mesnil. Der spätere Champagner-Experte Colin Fenton bestätigte dem Champagner von Salon de Mesnil eine verlockende Qualität. Sein Aroma von gerösteten, reifen Walnüssen ist eher atypisch. Der Jahrgang 1969 zeichnet sich aus durch markante Frucht und einer scharfen Säure – beides gute Voraussetzungen für Langlebigkeit.