Tor zur Adèche

AOP Côtes du Vivarais

  • Reblandschaft auf dem stark kalkhaltigen «Plateau des Gras».
  • Echte Felsenfestung: Saint-Montan, Weingemeinde der Côtes du Vivarais.

Wer das eigentliche Rhônetal verlässt und der Ardèche entlang ins Hinterland vordringt, entdeckt eine weitere besondere Ecke. Mineralität scheint hier vorgegeben. Das gilt auch für die Weine des südlichen Teils der Ardèche, die seit 1999 unter der Flagge «Côtes du Vivarais» segeln.

Ist Frankreich zum Weinland par excellence geworden, weil hier gleich mehrere grosse Flüsse auf ihrem Weg vom Gebirge zum Meer Täler und Terroirs aufgeschüttet haben? So ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Rhône, Garonne oder Loire haben das allerdings nicht allein geschafft. Sie konnten auf die Hilfe guter Handlanger zählen, Drôme, Ardèche, Gard und wie die Zuflüsse alle heissen.

Und wenn wir schon beim Frage-Antwort-Spiel sind: Entstanden die bekanntesten Anbaugebiete nicht gerade da, wo Wein sich auf sicherem Wasserweg am bequemsten in den nächsten grossen Hafen transportieren liess oder in die grossen Städte mit ihren vielen durstigen Kehlen? Hatten (und haben bis heute) nicht Weingebiete das Nachsehen, die zwar an sich von ausgezeichneten klimatischen und geologischen Bedingungen profitieren, aber an einem Fluss lagen, der nicht so leicht zu befahren war?

Nehmen wir die Ardèche als Beispiel, die sich, aus dem Zentralmassiv kommend, malerisch durch enge Schluchten drängt, an denen Kanufahrer ihre helle Freude haben, und schliesslich gezähmt in die Rhône plätschert. Wein wurde im südlichen Teil des Tales, etwa zwischen Aubenas und Saint-Martin, schon in der Antike angebaut. Was nicht vor Ort getrunken wurde, wurde ab dem Mittelalter bis Ende des 19. Jahrhunderts in bauchigen Schläuchen per Maultiertransport auf verschlungenen Wegen Richtung Zentralmassiv geschleppt, wo Durst ebenfalls kein Fremdwort war.

Böse Zungen behaupteten zwar, dass der Wein nur als Ballast diene, damit die «Muletiers» den Weg in die Berge nicht ohne Fracht antreten mussten, dass die Ware, die sie aus dem Gévaudan oder der Lozère zurück ins Flachland brachten, wertvoller war als die «sauren Weine» der Ardèche. Am zweifelhaften Ruf änderte auch die Aussage des Agronomen Olivier de Serres (1539 bis 1619) nichts, der meinte, die Weine des Vivarais, seiner Heimat, seien so preziös wie delikat. Erst ab den 1960er Jahren gab es mehr Lob für die Ardèche-Weine, nicht zuletzt dank der zwölf Genossenschaftskellereien, die sich zum Verbund «les Vignerons d’Ardèchois» zusammengeschlossen haben, dem 1000 Winzerfamilien angehören. Sie sind für einen Grossteil der Produktion der insgesamt 7500 Hektar Rebfläche zuständig, die seit 2009 als IGP Ardèche abgefüllt wird. Die besten Terroirs der südlichen Ardèche, weniger als 500 Hektar, erhielten 1999 verdientermassen die AOC Côtes du Vivarais zugesprochen.

Geniessen in vollen Zügen

Das Vivarais ist eine ganz besondere Gegend. Auch hier scheint wie so oft im ländlichen Frankreich die Zeit stehen zu bleiben. Wer nicht nur (aber auch) wegen des Weins in die Rhône fährt, sollte im neuen Bahnhof von Tournon in Saint-Jean-de-Muzols (gegenüber von Tain-l‘Hemitage) das Auto stehen lassen und in den «kleinen Zug des Vivarais» steigen (www.trainardeche.fr). Zwei altehrwürdige Dampflokomotiven ziehen mutig mit grossen und kleinen Kindern gefüllte Waggons durch die Schluchten des Doux nach Lamastre und zurück. In der Hauptsaison gibt es sogar «Soirées du Sommelier» mit Verkostung von Rhôneweinen.

Wem das zu lange dauert, der kann direkt einen Teil des eigentlichen Anbaugebietes durchqueren, indem er von Saint-Marcel über Bidon, Saint-Rémèze und Larnas nach Saint-Montan kurvt. Im pittoresken Dorf angekommen, das buchstäblich an einem Felsen festzukleben scheint, versteht man plötzlich, was es mit der Mineralität auf sich hat, die den Weinen des Vivarais ihren besonderen Ausdruck verleiht. Denn auf diesem Hochplateau rund 250 Meter über Meer entstehen unter Einfluss des kühlenden Bergwinds keine schwerblütigen Brocken, sondern überraschend ausgewogene, sogar filigrane, geschmeidige Rotweine mit hohem Fruchtgehalt, die schon jung ausgezeichnet munden, und erfrischende Rosés und Weisse aus den klassischen Sorten des Südens.