Muntere Perlen aus Die

AOPs des Diois

  • Das Tal der Drôme ist von besonderer landschaftlicher Schönheit. In Orten wie Die oder Pontaix scheint die Zeit stehengeblieben.

Im Tal des Rhônezuflusses Drôme liegen Rebberge, die zu den höchsten Europas gehören. Sie reichen bis auf 700 Meter über Meer. Die eigentliche Spezialität der Kleinstadt Die ist die auf alte Art erzeugte, schäumende Clairette de Die. Doch das Drômetal ist auch die Heimat rarer Stillweine von besonderer Fruchtigkeit und Frische.

Eigentlich wollte ich da schon lange hin. Doch Umwege brauchen Zeit, und Berge machen mich seit meiner kurzen Zeit als Gebirgsfüsilier nervös. Ich bin dann eher zufällig mitten in der zweiten Welle der «Crise sanitaire» da gelandet, wie die leidige Coviderei hierzulande prüde genannt wird. Unten im Tal der Rhône, in Tain, Valance, Avignon, lief alles maskiert herum. Hier oben im Vercors war davon nichts zu sehen. Merke: Selbst Weltuntergänge und ansteckende Krankheiten kommen nicht ungeschoren am 52 Meter hohe Wehrturm vorbei, der über Crest thront, das Drômetal bewacht und unerwünschte Eindringlinge stoppt. Auch ich duckte mich unwillkürlich hinter dem Steuerrad und passierte Crest in sicherer Entfernung.

In Die, der Kapitale des Tales, fand ich nur mit Mühe, viel Zureden und stolzem Schmiergeld ein ziemlich schäbiges Zimmer. Alle Restaurants, die ohnehin nicht eben dicht gesät sind (die zahlreichen Drômetouristen hausen wohl im Zelt und leben von Luft und Liebe), waren hoffnungslos überfüllt, selbst die einfachste Pizzeria, und die nächsten Tage musste ich mich aus der Tüte verpflegen. Irgendwie kam ich mir vor wie einer von Boccaccios Helden, die aufs Land flohen, um der Pest zu entgehen, und die Wartezeit mit dem Erzählen frivoler Geschichten verkürzten. Geblieben bin ich trotzdem viel länger, als ich eigentlich wollte, nicht wegen einschlägiger Geschichten, sondern für ausgiebige, ausufernde Fotojagd, habe dafür gar meine Abneigung gegen Berge überwunden, was schon was heissen will, mir gutes Schuhwerk besorgt und einen Wanderstock, den ich allerdings rasch am Wegrand liegen liess, weil er mir beim Knipsen hehrer Panoramen dauernd in die Wege kam.

Das Tal der Drôme trägt einen Übernamen: Biovallée nennen es Einheimische stolz. Ein Drittel der Landwirtschaftsfläche wird nach biologischen Richtlinien bestellt, Winzer schreiben sich in Kurse ein, um zu lernen, wie man Brutkästen für Vögel und Fledermäuse zimmert, Rebparzellen werden begrünt, und ganz Mutige stellen gar Versuche mit Schafherden als natürliche Unkrautvertilger an. Auch wenn man sich darüber mokieren kann: Im Tal der Drôme ist die Welt noch in Ordnung. Dörfer wie Pontaix oder Saillans oder Barsac schmecken nach alten Zeiten, im verblichenen und gerade darum so romantischen Die scheint der Strassenfeger direkt einem Jacques-Tati-Film entsprungen, und nur die PS-starken Schlitten belgischer Touristen, die mit Digitalantennen versehene Wohnwagen, die aussehen wie schlecht rasierte Igel, die sich durch enge Gassen schleppen, passen nicht so recht ins Bild.

Wein aus den höchsten Lagen Europas

Ah ja, der Wein. Fast hätte ich die wichtigste Nebensache der Welt vergessen. Da ist einmal die Clairette de Die, ein munterer Sprudler aus Muskateller und Clairette mit Restsüsse und nur sieben Prozent Alkohol, der eigentlich längst dem Prosecco den Rang ablaufen müsste, würden Franzosen mehr von PR verstehen. Ich ziehe dieses ulkige, fruchtige, archaische Getränk sogar dem trockenen Crémant de Die aus Clairette vor, ergänzt durch Muskateller und Aligoté, der mir einfach zu ernsthaft ist. Doch die Weinberge von Die, die 200 bis 700 Meter in die Höhe reichen und damit zu den höchsten Lagen Europas zählen, ergeben noch andere, rare Spezialitäten: den herbtrockenen Weisswein Coteaux de Die aus Clairette, den lebhaften roten Chatillôn-en-Diois aus Gamay, Pinot Noir und Syrah, dessen Rosé Variante sowie den weissen Chatillôn-en-Diois aus Chardonnay und Aligoté.

Auf der Suche nach Die-Weinen wird man wohl zuerst einmal an die Tore der sehr zuverlässig arbeitenden Genossenschaftskellerei Jaillance klopfen. Ausgezeichnete Chatillon produziert auch das zum Handelshaus Monge Granon gehörende Clos de Beylière in SaintRoman kurz vor Chatillon.