Gesellschaft

Geschwisterteams

Fotos: Régis Colombo / diapo.ch

Sie sind Geschwister und Geschäftspartner: Sechs Genfer Weingüter, in denen Familienbande und berufliche Zusammenarbeit eng miteinander verwoben sind, gewährten uns Einblick in ihren Alltag.

Domaine de la Planta

Jean-David und Frédéric Gaillard arbeiten seit Mai 2019 zusammen. Die in der Spezialpublikation 2019 vorgestellten Brüder – übrigens Zwillinge, auch wenn man es ihnen nicht unbedingt ansieht – konnten sich bei der Sélection des Vins de Genève 2018 zwei Spezialpreise sichern: den Prix de la Presse für den Esprit de Genève 2016 und den Prix Swiss Wine für den Azimut 2012. Damals übernahmen sie die Leitung eines Weinguts, das jahrelang von Bernard Bosseau geführt worden war. «Ich bin Weintechnologe EFZ und kam 2015 in den Betrieb zurück», erklärt Frédéric, der die Rebberge bewirtschaftet. Jean-David kümmert sich unterdessen um die Kellerarbeit, die Verwaltung und die Beziehung zu den Kunden. «Wir steckten unsere jeweiligen Verantwortungsbereiche gleich zu Beginn unserer Zusammenarbeit genau ab», betont er. «Damit war die Rollenverteilung von Anfang an klar. Darüber hinaus können wir uns weiterhin auf unseren Weintechnologen Alban Couillaud verlassen, der Domaine de la Planta seit 15 Jahren in- und auswendig kennt.» Als neues Ziel setzen sich die beiden Brüder nun den Ausbau des Direktverkaufs auf Märkten. «Wir konzentrieren uns verstärkt auf sehr kurze Lieferketten, denn es kommen immer weniger Leute direkt aufs Weingut, sei es wegen des Verkehrs oder weil sie einfach keine Zeit haben», erklären sie. «Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Genfer Weinhändler verstärkt lokalen Wein verkaufen. Wie dem auch sei, wir haben jedenfalls beschlossen, zu handeln und unseren Degustationskeller in die Stadt zu verlegen.» So sind die beiden Brüder nun auch auf den Märkten von Meyrin-Village und Carouge zu finden, wo sie mittwochs und donnerstags eine urbane Kundschaft bedienen, die sich hier nach der Arbeit am frühen Abend gerne noch bei einem Glas Wein trifft. «Diese Leute kennen sich ein wenig mit Wein aus und fachsimpeln gerne direkt mit dem Winzer. Einige Besucher, die Reben auf unserem Weingut gekauft haben, freuten sich, dass wir nun unmittelbar auf sie zukommen. Auch geschäftlich ist das durchaus von Vorteil, denn diese Kunden interessieren sich stark für unsere Premiumweine. Unsere Schaumweine zum Beispiel stossen auf eine vielversprechende Nachfrage.»

www.domainedelaplanta.ch


Domaine des Faunes

Frédéric, Jahrgang 1977, und sein fünf Jahre jüngerer Bruder Ludovic arbeiten seit Mitte der 2000er Jahre auf dem Familienweingut. «Ich bin Maschinenbauingenieur und arbeitete eine Zeit lang in der Informatik, bevor ich in Changins umschulte und 2005 auf das Weingut zurückkam », erklärt der Ältere der Brüder. Auch Ludovic kam erst auf dem Umweg des Maschinenbaus wieder zum Rebbau zurück. «Als unser Vater 2009 viel zu früh starb, mussten wir den Betrieb unter relativ schwierigen Bedingungen übernehmen», erinnert er sich. «Heute bewirtschaften wir 20 Hektar Rebfläche, auf denen wir 17 verschiedene Rebsorten anbauen. Jede Sorte hat ihren eigenen Rhythmus, weshalb wir unsere Arbeit sehr gut organisieren müssen und viel Zeit im Rebberg verbringen.» Frédéric, der sich um die Weinbereitung und den Vertrieb kümmert, erkennt nun, dass die Diversifizierung ihre Grenze erreicht hat: «Muscat und Gewürztraminer waren früher sehr gefragt, sind mittlerweile jedoch vollkommen aus der Mode gekommen. Ganz gleich, ob trocken oder mit Restsüsse, diese aromatischen Weissweine lassen sich heute nur schwer verkaufen.» Die beiden vermarkten ihren Wein hauptsächlich in Flaschen und müssen sich permanent Neues einfallen lassen, um ihre Kunden zu binden und neue Kunden zu gewinnen. «Die Deutschschweiz war ein wichtiger Markt, der heute leider stark rückläufig ist», bedauert Frédéric Mistral. «Viele Weinhändler haben einfach keine Lust, Weine aus der Romandie zu verkaufen. Das liegt zum einen natürlich an der Sprachbarriere, aber auch daran, dass unsere Weine nicht sehr bekannt sind und geringere Margen abwerfen als ausländische Weine. Zum Glück wird das geringe Interesse jenseits der Saane durch die lokale Nachfrage ausgeglichen. So ziehen etwa die Genfer Restaurants gut mit. Sie kennen und schätzen die Qualität unserer lokalen Weine, die dort bei den Verbrauchern durchaus gefragt sind.» Die beiden Brüder haben ein festes Standbein in der Gastronomie, pflegen aber auch ihre umfangreiche private Kundschaft. «Allerdings verkaufen wir heute nicht mehr dieselben Mengen», stellt Frédéric amüsiert fest. «Mein Grossvater hatte nur Zwölferkartons, mein Vater dann Sechserkartons, und wir mussten uns sogar Spezialverpackungen für nur zwei Flaschen besorgen.»

www.les-faunes.ch


Chateau de Laconnex

Familie Dethurens ist seit mehreren Generationen in Laconnex ansässig, doch kommerziell betrieben wird Château de Laconnex erst seit Kurzem. «Wir bewirtschaften etwa hundert Hektar Ackerland und zehn Hektar Rebberge», erklärt Maxime. «Mit der Weinerzeugung und dem Verkauf in Flaschen begannen wir 1990.» Der 35-Jährige, für den es «nichts Schöneres gibt, als im Freien zu arbeiten und im Rhythmus der Jahreszeiten zu leben», schloss 2008 seine Ausbildung zum Winzer EFZ ab und kehrte nach Praktikaaufenthalten in Südafrika und Genf auf das Familiengut zurück. Lucie, zwei Jahre jünger, ging zunächst auf die Handelsschule, liess sich dann in Changins zur Önologin ausbilden und sammel- te anschliessend Berufserfahrung in Argentinien, Kanada und Frankreich. 2013 stieg dann auch sie in das Unternehmen ein, das ihr Vater und ihr Onkel bereits gut etabliert hatten. «Es braucht etwas Zeit, bis man den Wert eines solchen Traditionsbetriebes wirklich zu schätzen weiss und sich bewusst macht, wie schön es doch ist, die Familiengeschichte fortzuschreiben», gesteht sie. Vater Hubert wird dieses Jahr zum letzten Mal in den offiziellen Papieren erwähnt. Nächstes Jahr geht er in Pension und übergibt den beiden die Zügel eines Unternehmens, das der Zukunft zuversichtlich entgegensehen kann. «Wir haben erst kürzlich eine neue Kelleranlage fertiggestellt», erklärt Maxime. «Im Weinjahr 2019 war alles noch in Bau. Da ging es manchmal ziemlich sportlich zu, doch letztendlich haben wir das gut gemeistert », fügt Lucie hinzu. Das Gebäude, das wie eine Kathedrale anmutet, wurde «vollständig von Unternehmen aus der Umgebung errichtet», wie Maxime betont. Und es ist kellertechnisch bestens ausgestattet. Auch ein Degustationsraum mit herrlichem Blick auf den Salève wurde eingerichtet. «Unser Degustationskeller war sehr klein und unpraktisch, was den Verkauf ab Hof nicht gerade förderte», führt Lucie aus. «In den neuen Räumlichkeiten können wir sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen angemessen empfangen und so unser weintouristisches Angebot ausbauen.»

www.chateaudelaconnex.ch


Domaine des Esserts

Sylvain und Damien Ramu betreiben dieses Gut (13,5 Hektar Weinbau, 30 Hektar Ackerland) bereits in achter Generation. «Unser Vater war immer dagegen, dass der Betrieb von mehr als einem seiner Kinder bewirtschaftet wird, denn er befürchtete Geschwisterstreit», erklärt Sylvain Ramu, der nach seiner Ausbildung zum Winzer EFZ in Marcelin 2011 auf den Familienbetrieb zurückkehrte. Deshalb war viel Überzeugungsarbeit nötig, als Damien sich 2019 mit seinem Bruder zusammenschliessen wollte. «Nach meiner Grundausbildung in der Hotellerie und Gastronomie ging ich auf die Hotelschule. Ich bringe also eine völlig andere Berufserfahrung mit als mein Bruder. So konnte ich unsere Eltern davon überzeugen, dass wir zusammenarbeiten können, ohne uns ins Gehege zu kommen.» Die beiden Partner planen, die Chancen zu nutzen, die der Weintourismus bietet, und ihr Angebot zu diversifizieren. «Der Degustationsraum wurde umgebaut und bietet jetzt auch für Gruppen Platz. Noch dazu ist das Dörfchen Essertine ein wahres Idyll und von Genf mit dem Bus oder dem Auto in nur 20 Minuten zu erreichen», erläutert Damien. «Bereits unsere Eltern setzten verstärkt auf den Flaschenverkauf. Unsere Mutter Réjane machte das Weingut auf vielen Märkten bekannt, die heute unser Hauptabsatzkanal sind», bekräftigt Sylvain. «Wir stellten fest, dass persönliche Nähe und Qualität heute ganz wesentliche Faktoren sind. Deshalb erscheint es uns wichtig, dass die Kunden zu uns aufs Weingut kommen, wo wir ihnen zeigen können, wie und vom wem der Wein erzeugt wird, den sie trinken.» Für Unternehmen halten die Brüder ein Teambuilding-Konzept rund um die Gestaltung eines «selbstgemachten» Weins bereit. Vertrauen fördern, lautet die Devise. «Wir bieten mehr als einen Degustationskurs», verdeutlicht Sylvain. «Die Teilnehmer experimentieren mit Assemblagen und kreieren ihren eigenen Wein. Am Ende des Workshops nimmt jeder eine Flasche seines ganz persönlichen Weins mit nach Hause.»

domainedesesserts.ch


Domaine Les Perrieres

Mit hundert Hektar Rebfläche, davon 15 Hektar Eigenland, bewirtschaftet die Familie Rochais eines der grössten privaten Rebgüter der Schweiz. «Unsere Eltern haben uns nicht gedrängt, im Familienbetrieb mitzuarbeiten», erklärt Sandrine, die Älteste von vier Geschwistern. Sie selbst machte eine Ausbildung zur Gärtnerin, bevor sie auf den Rebbau umschwenkte. Im Jahr 2000 kehrte sie auf das Rebgut zurück. Drei Jahre später folgte Fabian, der sich in jungen Jahren auf den Maschinenbau verlegt hatte. Und 2018 übernahm Frédéric nach seinem Abschluss an der Hotelfachschule Lausanne schliesslich die Verantwortung für den Verkauf, die Verwaltung und die Kommunikation: «Wir haben alle unterschiedliche Laufbahnen eingeschlagen, was sich letztlich für Domaine Les Perrières als Vorteil erweist. Wir ergänzen uns, jeder hat eine seinen Kompetenzen entsprechende Aufgabe gefunden und hat seinen eigenen Verantwortungsbereich», stellt er mit glänzenden Augen fest. Frédéric Rochais vergisst dabei nicht seinen Bruder Emmanuel zu erwähnen, der heute in Japan wohnt, «wo er das Rebgut vertritt, ohne jedoch in das Tagesgeschäft des Unternehmens eingebunden zu sein». Domaine Les Perrières exportiert nicht nur ins Land der aufgehenden Sonne, sondern auch nach Deutschland, Grossbritannien und Kanada. Kernzielgruppe sind und bleiben Genf und das Genfer Umland, doch natürlich wird auch der übrige Schweizer Markt proaktiv erschlossen: Divinum, Expovina und die Berner Weinmesse sind für Domaine Les Perrières wichtige Termine. «Die Kunden wollen Authentizität und Tradition und kommen gerne auch mal selbst aufs Rebgut», fährt Frédéric Rochais fort. «Dank der Grösse unseres Betriebs können wir sechs Tage in der Woche zu den üblichen Geschäftszeiten öffnen. Das heisst, wir sind in der Lage, sowohl einzelne Besucher als auch Reisegruppen zu begrüssen. Letztere stellen übrigens ein Potenzial dar, das wir noch weiter ausschöpfen möchten.» Ein weiteres Anliegen der Geschwister ist es, Weine mit hervorragendem Preis-Leistungs- Verhältnis zu erzeugen. Mit 15 Goldmedaillen bei regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerben scheinen sie diese Challenge 2019 ziemlich erfolgreich gemeistert zu haben.

www.lesperrieres.ch


Domaine des Curiade

Domaine des Curiades in Lully ist das Paradebeispiel für einen Familienbetrieb. 1909 von Jules Dupraz gegründet, ging es von ihm auf Louis, dann auf Pierre und schliesslich auf dessen Söhne Jacques und Christophe über. Tochter Fabienne erhielt zum Ausgleich das an das Haus angrenzende Restaurant. 14 Hektar eigene und 11 Hektar gepachtete Reben, 13 Rebsorten, 26 verschiedene Weine, hundert Prozent Flaschenabfüllung – die beiden Brüder können zu Recht stolz auf ihren Betrieb sein. «Wir gehörten im Kanton Genf zu den ersten Weingütern, die ihren Wein in Flaschen verkauften», bemerkt Xavier, der die fünfte Generation vertritt. «Deshalb sind wir auch schon sehr lange in vielen Restaurants überall im Kanton fester Bestandteil auf der Weinkarte.» Der Changins-Absolvent arbeitete zunächst in der Horlogerie, bevor er sich 2012 mit seinem Vater, seinem Onkel und seinem Bruder Antoine zusammenschloss. Ausgestattet mit einem Abschluss als Landmaschinenmechaniker EFZ und einem eidgenössischen Fachausweis für Weinbau, arbeitet Xavier bereits seit 2011 im Familienbetrieb mit. Zu dem Vierergespann dürfte später noch ein Cousin stossen, sobald Jacques und Christophe ernsthaft erwägen, in Pension zu gehen. Antoine Dupraz ist zuversichtlich, dass der Betrieb auch weiterhin auf Erfolgskurs segelt und mit 26 Weinen «alle Nachfragen befriedigen kann». Neben den traditionellen sortenreinen Weinen, die meist in der klassischen Version (Tankausbau) oder als Premium-Cuvée aus der Barrique angeboten werden, führt die Kellerei auch originelle Spezialitäten wie den Rosé Prestige aus Garanoir-Trauben und die Cuvée des Trois Ours, eine Art Genfer «Amarone» aus getrockneten roten Trauben, der eineinhalb Jahre in der Barrique reift. Nicht zu vergessen die «Naturweine » L’Authentique und L’Absolu, die ganz ohne Schwefel und vollkommen ungefiltert in die Flasche kommen. L’Authentique ist ein Gamay-Wein aus dem Eichenfass, L’Absolu wird zu 80 Prozent aus Gamaret-Trauben gekeltert und reift ebenfalls in 228-Liter-Fässern.

www.domaine-des-curiades.ch