Wein & Kulinarik: Wein Heimat Württemberg 2/2022

Prickelnder Kick fürs Appetithäpple!

Text und Fotos: Ulrike Palmer

Bloß nicht so vornehm. Ein Glas Sprudler in der einen und eine handliche Vorspeise in der anderen Hand, das geht auch ohne viel Aufwand und Gedöns. Feine Vorspeisen, Hors d’œuvre oder Tapas sind inzwischen in aller Munde und auf jede Küche anwendbar. Also natürlich auch auf die schwäbische. Und dazu gibt es richtig spannende Sekte aus Württemberg ins Glas.

Kommt von d’r Alb ’ra und macht sich stadtfein

Highlight!

Den cremigen Kräuter-Frischkäse-Dip kann man selbst herstellen: Man braucht Naturjoghurt, eine Schüssel, ein Sieb und ein feines Tuch. Den Joghurt in das mit dem Tuch ausgelegte Sieb geben. Und dann die Schwerkraft arbeiten lassen. Die Molke tropft in die Schüssel. Zurück bleibt ein cremiger Quark. Mit Sahne oder Öl, frischen Kräutern, gehackten Frühlingszwiebeln und abgeriebener Zitrone verfeinern. Fertig ist der Kräuter-Frischkäse-Dip.

Gemeint ist die Leisa, die schwäbische Alblinse. Als wichtiger Eiweißlieferant, der bis Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Schwäbischen Alb angebaut wurde, war die genügsame Linse über Jahrhunderte für viele Kleinbauern ein bedeutendes Grundnahrungsmittel. Und damit lässt sich auf Augenhöhe mit einem feinen prickelnden Getränk in den Abend starten? Nichts leichter als das. Mit Alblinsen-Falafel, sprich würzigen Linsenbällchen. Dazu gibt es einen Kräuter-Frischkäse-Dip. Würze und Schärfe treffen cremiges Kräuteraroma. Die Linsen einweichen und kochen, bis sie leicht breiig werden. Was dem Schwaben schwer fallen dürfte, aber es muss sein, es braucht verkochte Linsen. Für die Optik ein paar Linsen etwas früher abschöpfen, am Schluss zur Masse geben. Zusammen mit Mehl, Eiern und Semmelbröseln einen Teig mischen und würzen. Natürlich gehört Chili dazu, aber auch Koriander, etwas Curry und für die Wärme eine Prise Zimt. Von Hand oder mit Teelöffeln formt man kleine Bällchen, die in Butterschmalz knusprig gebraten werden. Und schon bewegt sich die etwas behäbige Alblinse aromatisch im spannenden Feld zwischen erdig und scharf. Da darf sich der Sekt gerne anstrengen. Die Alblinse ist inzwischen wieder richtig gefragt. Slow Food hat sie als Passagierin in die Arche des Geschmacks der vom Aussterben bedrohten Lebensmittel aufgenommen. Das Motto «Essen, um zu bewahren» hilft so der Alblinse, die aufwändig zu bearbeiten und nicht sehr ertragreich ist. Dafür aber höchst aromatisch-nussig – ein heimisches Superfood.

Der passende Sekt

Weinmanufaktur Untertürkheim eG

2019 Weisser Burgunder Sekt Extra Brut

12 Vol.-%

Unaufgeregte, fast schon geheimnisvolle Nase, ganz wenig Pfirsich, Reneklode, sehr klar. Dieselbe Klarheit auch im Mund, wieder gelbes Obst, saftig, großzügig. Ausgewogene Perlage, lebhaft, nicht aufdringlich. Blitzsauber im Abgang, anhaltend.

Preis: 14,90 Euro

www.weinmanufaktur.de


 

«Laubfrosch» oder «Herrgottsbscheißerle» 2.0

Highlight!

An der Quelle in Maulbronn gibt es eine Maultaschen-Manufaktur. Lena Kranidis ist die «Mama Lemonia». Sie verarbeitet die regionalen Zutaten zu feinen Füllungen – ohne Konservierungsstoffe. Neben der «Original Maulbronner Maultasche» gibt es auch die Veggie-Variante im Dinkelteig. Dazu viele Rezepte und Tipps. Wichtig: Maultaschen nie ins kochende Wasser legen, sondern nur sieden!
www.maulbronner-maultaschen.com

Etwas arg strapaziert ist das schwäbischste aller Gerichte, die Maultasche. Da geht aber noch mehr. Zum Beispiel Maultaschen-Sticks. Die Teigtasche wird dazu in Streifen geschnitten, bekommt eine knusprige Hülle. Fertig ist die Vorspeise. Dazu eignen sich Gemüse- oder Fleisch-Maultaschen. Einfach in fingerdicke Streifen schneiden, in Mehl, verquirltem Ei und in Semmelbröseln wenden. Ausbacken und auf Zahnstocher spießen. Dazu passt eine süß-scharfe Sauce, etwa ein Mango-Chutney. Kleiner Tipp: Semmelbrösel einfach selbst herstellen. Altes Weißbrot klein hacken, ein Drittel etwas gröber mahlen. So wird die Panade knuspriger. Übrigens: Die schwäbische Maultasche ist seit 2009 von der EU in ihrer Herkunftsbezeichnung geschützt, mindestens eine der Produktionsstufen muss im Herkunftsgebiet stattfinden. Über ihren Ursprung gibt es diverse Deutungen. Zum einen soll sie ihren Weg von China über die Seidenstraße nach Arabien und Sizilien bis in den Norden gefunden haben. Eine zweite Erklärung hat christlichen Ursprung und ist eine nicht belegte Legende. Sie ist so augenzwinkernd schwäbisch, dass sie wahr sein könnte. Zisterziensermönche im Kloster Maulbronn sollen die Maultasche in der Fastenzeit erfunden haben. In dieser Zeit war Fleisch verboten, die kreativen Mönche versteckten es einfach unter dem Gemüse in Teigtaschen. Der Name «Herrgottsbescheisserle» war geboren. Übrigens: Die Bezeichnung «Laubfrosch» kommt von den Spinatblättern, die um die Fleischfüllung gewickelt werden. Schon kreativ, das schwäbische Nationalgericht.

Der passende Sekt

Heuchelberg Weingärtner eG

2019 Schwaigerner Grafenberg Riesling Brut

12 Vol.-%

In der Nase Orangenschale, auch Kaffee, komplex, vielschichtig. Zeigt Frische im Mund, ein deutlicher Zitronenzug auf der Zunge, fokussiert und animierend. Das wird von der vitalen Perlage noch verstärkt. Bleibt knackig bis ins erfrischende Finale.

Preis: 9,40 Euro

www.heuchelberg.de


 

Don’t call it Resteverwertung

Highlight!

Lebensmittel teilen statt wegwerfen ist das Motto im Foodsharing Café Raupe Immersatt in Stuttgart. Hier bekommen Lebensmittel im Fairteiler des Cafés eine zweite Chance. Auch bei den Schnippeldiscos von Slow Food Youth wird krummes Gemüse zu leckerem Essen auf Events verarbeitet. Seit 2017 gibt es den World Disco Soup Day, in 50 Ländern und auf 5 Kontinenten. Aus 20 Tonnen gerettetem Essen wurden 40'000 Mahlzeiten zubereitet.

Gibt’s auch was Süßes? Unbedingt braucht es auch ein Dessert! Weicher Teig, saftige Äpfel, gehackte Nüsse und ein Hauch Puderzucker das ist der Ofenschlupfer. Ein Nachtisch, der in vielen Familien von Jung bis Alt geliebt wird. Er eignet sichzur perfekten Weiterverwertung des heiß geliebten, aber doch zu schnell getrockneten Hefezopfs oder Weißbrots. Mit der Zubereitung im Schraubglas lässt sich das Dessert wieder verschließen und nach und nach auslöffeln. Damit ist der Ofenschlupfer auch fürs Picknick geeignet. Das Weißbrot kleinschneiden, mit warmer, gesüßter Milch einweichen, dann Eier und Zimt daruntermischen. Äpfel vierteln, entkernen, in kleine Stifte schneiden und dazugeben, Nüsse klein hacken, leicht anrösten und unterrühren. Die Masse in gebutterte Weck- oder Schraubgläser füllen und im Ofen backen. Etwas Puderzucker darüberstreuen und mit Zwetschgenröster oder Vanillesauce anrichten. Die schwäbische Küche pflegt einen sehr wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln – und das hat nichts mit der sprichwörtlichen Sparsamkeit zu tun! Viel zu wertvoll und zu aufwändig in der Zubereitung sind die Ausgangsprodukte, siehe Maultaschen oder von Hand geschabte Spätzle. Deshalb erfahren die Produkte am nächsten Tag eine delikate Weiterverwertung. Sei es der übriggebliebene Pfannkuchen, der in Streifen geschnitten eine feine Suppenbeilage ergibt, oder Spätzle, kleingeschnitten und knusprig gebraten, zusammen mit geschmelzten Zwiebeln, dem Geschmacksturbo schlechthin. Schwäbisches Soulfood. Less waste und lecker!

Der passende Sekt

Weingärtner Stromberg-Zabergäu eG

Grand Cremant Brut Nature

11 Vol.-%

In der Nase Butterscotch, bretonische Butterkekse, dazu Apfel, schöne Reifenoten. Auf der Zunge lebhaft, viele kleine Bläschen, vital. Eine Spur Karamell am Gaumen, leichter Schmelz, dabei knochentrocken. Ein wahrhaft edler Tischgeselle.

Preis: 19,00 Euro

www.wg-sz.de