Erste Klasse hin und zurück

Pressac

Die Reproduktion des Pressac-Etiketts, das Jean-François Quenin präsentiert, ist fast hundert Jahre alt. «Premier Cru Saint-Émilion» steht da zu lesen. Nicht ganz offiziell zwar, aber verdient.

Jean-François Quenin sagt es schmunzelnd und mit einem Augenzwinkern: «Natürlich bewerbe auch ich mich um den Titel eines Premier Crus bei der eben lancierten Neuklassierung, selbst wenn meine Chancen gering sind.» Eigentlich hat er das ja auch gar nicht nötig. In unserem Herzen – und Gaumen – ist Pressac längst ein Premier Cru. Auf dem Etikett war Pressac das schon vor hundert Jahren, lange bevor es eine offizielle Klassierung in Saint-Émilion gab – sie wurde erst 1955 geschaffen.

Wenn Pressac heute wenigstens inoffiziell zur allerersten Sahne in Saint-Émilion gehört, hat das Gut dies vor allem seinem rührigen Besitzer zu verdanken. Jean-François Quenin hat Pressac 1997 übernommen und fast alles umgekrempelt und generalüberholt. 90 Prozent der Reben wurden ersetzt, das aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammende Schloss wurde nach alten Plänen renoviert, neue Keller wurden erstellt und vieles andere mehr. Doch Pressac ist auch ein Weingut mit erstklassigen Böden in herrlicher Lage, ein echtes Weinschloss ganz oben auf einem ganz mit Reben bestandenen Hügel, ein Weingut mit ellenlanger Geschichte.

«Natürlich bewerbe auch ich mich um den Titel eines Premiers Crus bei der eben lancierten Neuklassierung, selbst wenn meine Chancen gering sind.»

Jean-François Quenin

«Wir haben Akten bis zurück ins 15. Jahrhundert durchgeblättert und genau studiert. Schon damals wurde hier Weinbau betrieben», erzählt der Schlossherr. Richtig, 1453 wurde hier nach der Schlacht von Castillon die Kapitulation der englischen Armee unterzeichnet, die dem Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich ein Ende machte. 1730 wurde Pressac vom aus Cahors stammenden Edelmann Vassal de Montviel übernommen. Er pflanzte eine Sorte aus der Heimat an, den Auxerrois, heute Malbec genannt, der als «Noir de Pressac» Karriere machte und bis zur Reblauskrise die wichtigste Qualitätssorte der rechtsufrigen Anbaugebiete war.

Pressac ist ein ganz besonderer Wein. Potent, vollmundig, gut strukturiert, aber immer saftig und knackig. Er ist mit grosser Präzision gemacht, reift unendlich lang und entwickelt dann grosse aromatische Komplexität, wie heute die Jahrgänge 2001 oder 2002 illustrieren, die ihren Zenit noch lange nicht überschritten haben. Das ist, wie erwähnt, erst einmal den hervorragenden Böden in Hanglage zu verdanken, die, weil das Bestellen zu mühsam war, brach lagen, bevor Jean-François das Gut übernahm. Um auch die steilsten Parzellen zu bepflanzen, mussten fünf Hektar aufwendig terrassiert werden. Doch Pressac soll noch besser, noch präziser werden. Die beiden eben fertiggestellten Gärkeller mit zwölf kleineren Tanks ermöglichen künftig das parzellengetrennte Einmaischen der Ernte.