Chinas langer Marsch zur gehobenen Weinkultur - Teil-V: Die Erwartungen

19.12.2014 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Yantai) - Das Potenzial des chinesischen Weinmarktes ist unzweifelhaft groß – dem stehen aber bis heute die Trinkgewohnheiten der Chinesen entgegen. Somit gibt es im Vergleich zur Bevölkerungszahl wenige Konsumenten für Wein. Doch seit Anfang dieses Jahrhunderts ändert sich dieser Zustand – die Zahl der Weinkonsumenten wächst stetig. Was den Chinesen aber trotz wachsendem Weinkonsum immer noch fehlt, ist Weinkultur.

 

Dies erkannten auch die Betreiber von Château Changyu, denen es nicht mehr ausreichte, ihren Wein zu bewerben, um ihn populär zu machen. Weit vorausdenkend legt die Changyu Pioneer Wine Company großen Wert auf die Verbreitung der Kultur des Weines sowie eine vorbildliche Weinbereitung im Weinberg und im Keller.

Vor diesem Hintergrund eröffnete 1992 als Informations- und Begegnungsstätte Chinas erstes Wein-Kultur-Museum namens Changyu in Yantai, das dann 2002 umgebaut und erweitert wurde. Im Wesentlichen wird im Museum die Geschichte der ältesten Weinkellerei Chinas erzählt. Ende des 19. Jahrhunderts, genauer gesagt in 1892, gründete der chinesische Geschäftsmann Zhang Bishi in Yantai (ostchinesische Provinz Shandong) eine Weinbrennerei und nannte sie Changyu. Den Anstoß gerade hier zu investieren gaben ihm französische Freunde, die Zhang Bishi auf das Klima, auf die Bodenbeschaffenheit und die sonnige Lage der Küstenstadt mit der schützenden Bergkette als idealer Ort für Rebkulturen und Weinpro­duktion aufmerksam machten. Zhang Bishi war ein Qualitätsmensch, der von Anfang an hochwerte Alkoholika produzieren wollte. Erste Erfolge feierte die Kellerei mit damals schon internationalen Kontakten als deren Produkte im Jahr 1915 bei der Panama Pacific Ausstellung in San Francisco mit Ehrenurkunden und Goldmedaillen ausgezeichnet wurden. Bis heute hat sich Changyu zu einer international anerkannten Marke entwickelt, deren Wermut, Brände und Weine, darunter auch Rotweine französischer Prägung aber auch Rieslinge und Chardonnay, von Weinliebhabern auf der ganzen Welt beachtet werden.

Beim Umbau des Wein-Kultur-Museums in 2002 erbaute die Changyu Pioneer Wine Company parallel und in Kooperation mit der französischen Groupe Castel das imposante Weingut Château Changyu & Castel in Yantai unmittelbar am Ufer des Golfs von Bohai. Weingut und Hotelbetrieb bieten den Besuchern Einblick in alle Abläufe der Weinbereitung, es werden Degustationen abgehalten und spezielle Seminare angeboten während man sich gleichzeitig in mediterranem Küstenambiente erholen kann. Changyu & Castel verfolgt dabei das vorrangige Ziel, die Weinkultur durch unmittelbaren Anschauungs­unterricht zu verbreiten und gleichzeitig die eigenen Weine populärer zu machen wie auch deren Absatz zu steigern.

Eingebettet zwischen dem blauen Wasser des Golfs und der weitläufigen Bergkette entlang der Nordküste bei Shandong, gilt Yantai als die einzige Weinstadt in Asien, die auch von der OIV als solche anerkannt ist. Hier ist die Changyu Pioneer Wine Company der größte Produzent und gehört zu den Top-500 Unternehmen in China. Neben Château Changyu & Castel haben sich weit über 100 Weingüter rund um Yantai angesiedelt. Unter ihnen sind auch solche Schwergewichte chinesischer Weinindustrie wie Jinding, Great Wall und Great Dragon. Alle zusammen schafften sie zuletzt nach Angaben des dortigen Weinbüros eine Jahresproduktion von 14,85 Millionen Liter Wein – dies entspricht knapp 30 Prozent der gesamten Weinproduktion in China. 

„Yantai ist das Touristenmekka für Weinliebhaber in China. Über eine Million Touristen besuchen jährlich die Châteaux mit zunehmender Tendenz. Ich hoffe, dass auch anderswo in China unserem Beispiel gefolgt wird“, erläutert Yi Fenghuang, Leiter des Yantai Trauben- und Weinbüros. Und Büroleiter Lin Chancai fügt hinzu „Wir bieten aktiven Tourismus, was bedeutet, dass die Besucher nicht nur die Weinkeller und Weinberge der Erzeuger sowie Verkostungen oder Vinotheken besuchen oder sich in Seminaren weiterbilden, sondern sie können auch bei der Ernte oder bei der Weinbereitung mitarbeiten, was sehr gerne und immer mehr in Anspruch genommen wird.“

Mein Fazit: China hat die heimische Weinproduktion und den eigenen Weinmarkt konzentriert im Fokus. Der jüngste Anstoß zum „Reset“ der Weinindustrie begründet sich auf der Anti-Korruptions-Kampagne der chinesischen Regierung – ein Glück für das Reich der Mitte. Was daraus folgt, wird die internationale Weinwelt „erschüttern“. Denn die Konsequenz mit der in China die Weingebiete und Böden eruiert, definiert und gefördert werden, wie Weinbergsarbeit und Weinbereitung mit gut ausgebildeten oder (noch) aus Europa eingeflogenen Oenologen vorangetrieben wird, wie bildungstechnisch der Konsument an Weinqualität herangeführt wird, ist phenomenal und auch beispielhaft. Allerdings wird sich auch in China die Spreu vom Weizen trennen. Ein Teil der Produzenten wird zweigleisig fahren, um Durchschnittsweine für den heimischen Konsumenten zu produzieren aber auch gleichzeitig international aufzutrumpfen. Ein weiterer Teil, darunter geniale Weinmacher mit Rebanlagen auf bestem Terroir und Global Player mit hohen Investitionen und bestem Personal, werden Weine kreieren, die mit internationalen Spitzengewächsen konkurrieren können. Und der Rest wird international unbedeutend bleiben, wie es auch in den klassischen Weinnationen der Fall ist. Wie dann zukünftig die Märkte auf die „neue“ Weinnation China reagieren werden wird spannend zu beobachten sein. 

 

DOSSIER: Chinas langer Marsch zur gehobenen Weinkultur

 

1 – XINJIANG UYGUR (Autonome Region der Uriguren) 

KLIMA: Sehr trockene Region mit reichlich Sonnenschein. Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht ist groß, was die Frucht der Trauben begünstigt. BODEN: Sandig. TRAUBEN: Cabernet Sauvignon (vorherrschend). EMPFEHLUNG: Trockene Rot- und Weißweine. Die Rotweine ähneln im Geschmack denen aus Argentinien.
 
2 – BERGMASSIV HELAN (Provinz Ningxia Hui)

KLIMA: Die Region verzeichnet durchschnittlich 3000 Stunden Sonnenschein pro Jahr mit relativ geringen Niederschlägen. BODEN: Kies. TRAUBEN: Cabernet Gernischt, Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay und Riesling. FAKTEN: Vormals kleine Erzeuger entwickelten sich durch gezielte Förderung zu großen Gütern mit internationalen Standards in der Produktion. Die Weinindustrie ist mittlerweile eine wirtschaftliche Säule der Region Ningxia Hui. EMPFEHLUNG: Die Weißweine der Region sind besser als die Roten. Auch hervorragende Schaumweine werden hier produziert.

3 – LÖSS-PLATEAU

KLIMA: Relativ trocken mit geringen Niederschlägen und reichlich Sonneneinstrahlung. BODEN: Sandiger Löss (Schluff). TRAUBEN: Cabernet Sauvignon (überwiegend). FAKTEN: Experten sagen, dass hier in guten Jahren die besten Weine Chinas produziert werden, die aber Zeit brauchen, um ihren Charakter voll auszubilden. EMPFEHLUNG: Trockene Cabernet Sauvignons.

4 – CHANGLI (Provinz Hebei)

KLIMA: Östlich von Changli von der Bohai-Bucht und im Norden vom Bergmassiv Yan begrenzt ähnelt das Klima dem von Bordeaux. Die Trauben erreichen hier durch vorherrschende günstige klimatische Verhältnisse ihre volle Reife - gelesen wird spät in der Saison. BODEN: Sand und Kies. TRAUBEN: Cabernet Sauvignon und Merlot. FAKTEN: Weinbau wird hier seit mehr als 300 Jahren betrieben. Der erste trockene Wein Chinas wurde hier in den 1980er Jahren produziert. EMPFEHLUNG: Trockene Cabernet Sauvignons.

5 – SHANDONG BANDAO (Halbinsel Provinz Shandong)

KLIMA: Der die Halbinsel Shandong umgebende Ozean (Gelbes Meer im Süden, Bohai-Bucht im Norden) sorgt für mittlere Temperaturen im Sommer. BODEN: Fruchtbare bräunliche Erde. TRAUBEN: Riesling, Ugni blanc (Trebbiano), Rkatsiteli (weiße Sorte aus Georgien) und die roten Sorten Cabernet Sauvignon und Carinena (Carignan). FAKTEN: Die Halbinsel ist die Geburtsstätte der modernen Weinindustrie Chinas. EMPFEHLUNG: Trockene Weißweine: Größter Erzeuger ist die Changyu Wine Company, gegründet in 1892 in Yantai. (Quelle: Forschungszentrum für Trauben und Wein der Universität für Landwirtschaft in Yantai)