Dossier Feuersturm

Buschfeuer plus anthropogener Cocktail

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 10. Januar 2020


AUSTRALIEN (Canberra) – Es sind nicht nur die Weinproduzenten, die teilweise ganze Weinberge und komplette Produktionsstätten verloren haben und jetzt vor dem Nichts stehen. Es trifft alle, die australische Gesellschaft, die globale Wirtschaft, auch uns hier in Europa, es trifft die ganze Menschheit. Die katastrophalen Buschbrände, die in weiten Teilen Australiens bisher wüteten, haben nicht nur einen enormen menschlichen und wirtschaftlichen Tribut gefordert, sondern auch der biologischen Vielfalt und den Funktionen des Ökosystems schwere Schläge versetzt. Die Buschfeuer in Down Under werden zu Recht als beispiellos beschrieben. Das volle Ausmaß der Verluste ist noch längst nicht klar. Wissenschaftler warnen bereits vor einem katastrophalen Aussterben von Tieren und Pflanzen, was sich über einen längeren Zeitraum hinziehen kann.

Australien ist eines von nur 17 „megadiversen“ Ländern. Dazu gehören unter anderen auch China, Indien, Brasilien und Südafrika. Ein Großteil des Artenreichtums in Down Under konzentriert sich auf Gebiete, die von den aktuellen Buschfeuern abgefackelt wurden. Während auch größere Säugetiere und Vögel einem erhöhten Aussterberisiko ausgesetzt sind, wird es für kleine, weniger mobile wirbellose Kreaturen, die den Großteil der tierischen Biodiversität ausmachen, noch schlimmer sein. So sind beispielsweise die Gondwana-Regenwälder von New South Wales und Queensland stark von den Bränden betroffen. Diese zum Weltnaturerbe gehörenden Wälder beherbergen eine reiche Vielfalt an Insekten und eine große Anzahl von Landschnecken, die zum Teil nur auf kleinen Flächen vorkommen.

Wer das Video eines angebrannten Koala-Jungen, das im Feuerwald irrt, in den sozialen Medien gesehen hat, der dürfte ahnen, was die Tiere im Feuersturm erlebten. Ein anderes Video zeigt, wie ein Feuerwehrmann seinen Wasservorrat mit einem Koala teilt. Beide Videos spiegeln den biologischen Gau in Down Under. Gerade Koalas, eines der Symbole Australiens, sind neben vielen anderen Kleintieren eine Art, die besonders betroffen ist. Anders als das weitere Symbol, die Kängurus, können sie vor einer nahenden Feuerwand nicht schnell genug fliehen. In den Wochen der anhaltenden Buschbrände sollen über „eine Milliarde Tiere verendet sein“, titeln australische Medien.

Rückblick zur Urzeittragödie

Die Menschen haben selten, wenn überhaupt, solche Brände gesehen, aber wir wissen, was Waldbrände anrichten können und zu einen Massenaussterben führen können. Erinnert sei an das Ereignis im Kreide-Paläogen. Damals, vor etwa 66 Millionen Jahren beendete ein Massensterben die Herrschaft der Dinosaurier (nur Vögel  und Kleingetier, das unter der Erde in Erdhöhlen lebte sowie Meerestiere, blieben teilweise verschont). Überlebt haben dieses Ereignis nur rund 25 Prozent der Arten unseres Planeten. Ausgelöst wurde das Massensterben durch einen zehn Kilometer breiten Asteroiden, der in den Golf von Mexiko einschlug und einen riesigen Krater in der Größe Tasmaniens sprengte. Dem Einschlag folgte ein nuklearer Winter, da die in die Atmosphäre geschleuderten feinen Partikel das Sonnenlicht jahrelang blockierten. Die ausgedehnte Dunkelheit mit einhergehender Kälte tötete die Ökosysteme von Pflanzen und Phytoplankton aufwärts.

Der Vergleich mag gewagt sein, aber die globalen Brandkatastrophen, und gerade das Inferno in Australien, erinnern an die Urzeittragödie, in der gerade Flächenfeuer in globalem Ausmass zu weitreichenden Auslöschungen führte, wie aus Fossilienaufzeichnungen belegt ist, die das Leben auf der Erde völlig umgestaltet haben. Der Asteroid sprengte beim Einschlag flammende Trümmer über die Atmosphäre. Massive Rußablagerungen, die zu diesem Zeitpunkt in den Fossilienfunden gefunden wurden, lassen vermuten, dass die meisten Wälder der Erde in Rauch aufgegangen sind, obwohl diese katastrophalen Berechnungen lange Zeit umstritten blieben. Neuere Forschungen zeigen allerdings, dass die auf den Einschlag des Asteroiden folgenden globalen Waldbrände wahrscheinlich auch ein wichtiger Treiber für das Aussterben waren, zumindest für das Leben an Land. Durch die Ausrottung vieler Arten, und zwar sehr selektiv, haben die globalen Waldbrände (neben anderen Auswirkungen des Asteroideneinschlags) die Biosphäre der Erde völlig neu strukturiert.

 

Anthropogener Cocktail

Die jüngsten ausufernden Flächenbrände – die betroffenen Regionen sprechen von verheerenden Feuerwalzen (Australien, Amazonas, Kanada, Kalifornien, Sibirien) – sind eher regional als global und verbrannten weniger Landfläche als das bisher bekannte schlimmste Dinosaurier-Szenario. Aber der Verlust an Pflanzenmaterial, einhergehend mit dem Aussterben von Kreaturen, könnte gerade langfristig schwerwiegend sein. Fakt ist, dass unser Planet bereits die Hälfte seiner Waldbedeckung durch den Menschen verloren hat. Flächenbrände treffen so auf geschrumpfte Biodiversitätsrefugien, die gleichzeitig durch einen anthropogenen Cocktail aus Umweltverschmutzung, wild lebende Arten bedrohen und den Klimawandel anfeuern.

Die Uhrzeit-Katastrophe liefert starke, in Stein gemeißelte Beweise dafür, dass Feuerstürme auch bei großen Wirbeltieren mit großer Verbreitung und hoher Mobilität zu einer weitgehenden Ausrottung beitragen können. Sie zeigt auch, dass bestimmte Arten von Organismen die Hauptlast der Auswirkungen tragen werden. Ganze Zünfte an Arten könnten verschwinden, was die Funktion des Ökosystems stark beeinträchtigen würde. All dies gilt es sich bewusst zu machen.

Inferno im Klimawandel

Buschfeuer sind nicht nur in Australien, sondern auf allen Kontinenten wiederkehrende Naturereignisse, doch noch kamen diese Brände nicht in derartiger Häufigkeit und Heftigkeit vor, waren die Bedingungen noch nie so extrem. Und das hat seine Ursachen im Klimawandel, sagt und warnt die Wissenschaft unisono. Australiens Premierminister Scott Morrison, ein Verfechter der Energie aus Kohle, wird es zukünftig schwer haben, diese zu verteidigen. Auch Morrison kann es nicht mehr leugnen, dass die Durchschnittstemperatur in Australien mittlerweile ein Grad Celsius über dem langjährigen Mittel liegt. Neun der zehn heißesten Jahre, die Australien seit Beginn der nationalen Wettermessungen in 1910 erlebt hat, überzogen das Land seit 2005 mit Dürren und Bränden.

Australien leidet an einer endogenen Psychose, sagen die Journalisten Johannes Korge und Katherine Rydink. Ihr Beitrag im aktuellen Spiegel trifft den Punkt (Zitat): „Einerseits kann man die verstärkende Wirkung des Klimawandels auf regionale Phänomene an kaum einem anderen Ort besser beobachten als in Australien – selbst Klimaskeptiker können das nicht mehr beiseitewischen. Andererseits kann das Land nicht auf die Förderung klimaschädlicher Rohstoffe verzichten, wenn es das Fundament der eigenen Wirtschaft nicht zerstören will. Und so bleibt die Regierung auch weiterhin bei dem Argument, dass man die Kohle schließlich nur exportiere – und nicht bestimme, was damit passiere.“

Ich gehe davon aus, dass die australische Regierung, vor allem auch deren Premier Morrison, sich diese schizophrene Haltung nach dem jüngsten Brandinferno nicht länger mehr leisten kann. Denn schon vor den verheerenden Buschfeuern waren über 60 Prozent der Australier dafür, mehr und gezielt Maßnahmen zu ergreifen, um dem Klimawandel entgegenzutreten, umweltschonende Maßnahmen zu verstärken und einen Energiewandel herbeizuführen. Der internationale Druck, dem Klimawandel zu begegnen, tut sein Übriges. Es bleibt für zukünftige Generationen zu hoffen, dass wir es nicht vermasseln.

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