Altwein-Experte im Interview über böse Weinfälscher

Uwe Bende über Vandermeulen-Fälschungen

Text: Carsten Henn und Claudia Stern; Fotos: Armin Faber

Uwe Bende hat viele Vandermeulen-Fälschungen aufgedeckt, wird von Kollegen um Expertisen für Altweine gebeten und ist ständig auf der Jagd nach alten Weinkellern. Aber mehr noch als Weinhändler ist er ein Weinfreak, dem es genauso viel Freude macht, einen einfachen 1991er Weissburgunder von Johner blind zu servieren wie einen grossen Châteauneuf-du-Pape zu entkorken.

Wann haben Sie Ihren ersten Wein getrunken?

Da war ich fünf oder sechs Jahre alt und ging auf mein erstes Bochumer Moselweinfest. Meine Zwillingsschwester und ich fanden das nicht so doll, bis unser Vater uns in ein kleines Gläschen etwas aus einer kleinen Flasche einschenkte. Der Wein kam von Arnold Fuhrmann aus Ellenz an der Mosel, eine Auslese oder sogar eine Beerenauslese. Später haben wir meinem Vater Weine aus dem Keller geklaut, mit zehn, elf, zwölf. Richtig los ging es während des Studiums. Meine Freundin und ich tranken gerne Wein, aber viel höher als Le Patron Weiss ging es nicht. Wenn nichts mehr da war, sind wir zur Tanke und haben neuen geholt. Dann habe ich in Supermärkten sämtliche Kollektionen gekauft, das Wein-Virus hatte mich gepackt. Der Weinhändler «Der kleine Franzose» in Bochum hat mich dann richtig drauf gebracht. Er holte eine Tafel Schokolade, oder eingetrockneten Kaffee und sagte «Riechen Sie mal daran und dann am Wein» – einen Monat später kaufte ich Premier Crus. Meine erste Faszination war Bordeaux, das war am einfachsten, Parker gab es schon. Ein einziges Weinbuch – «Parker Bordeaux» – und du weisst alles, mehr oder weniger.

Woher kommt die Sammelleidenschaft?

Die habe ich von meinem Vater, der wirklich alles gesammelt hat: Würfelzucker, Radios, Bierdeckel, Waffen, Streichholzschachteln, alles. Von Bochum aus bis nach Lüttich ist er auf die Trödelmärkte. Ich würde mich weder als Weinsammler noch als Weintrinker bezeichnen, sondern als Weinfreak. Händler bin ich nur aus der Not, weil ich mich mit nichts anderem beschäftigen möchte. Wenn ich tolle Weine kaufe, darf ich maximal die Hälfte behalten, der Rest wird weiterverkauft, sonst wird irgendwann das Wasser abgestellt. Ich habe viele grosse Weine probieren dürfen. Und viele gleichgesinnte Weinfreaks kennengelernt. Einen riesengrossen Wein ganz allein zu trinken ist Verschwendung, den muss man teilen, so dass jeder ein ordentliches Glas voll bekommt.

Altweine haben das Image, sehr teuer zu sein. Zu Recht?

Bei mir gibt es welche ab zehn Euro, deswegen ist da oftmals für viele etwas dabei. Aber man muss natürlich Geld übrighaben. Ich habe Kunden, die fahren ein 30 Jahre altes Auto, das fast auseinanderfällt, trinken aber die geilsten Weine. Altweine haben nichts mit Angeberei zu tun, dann trinkt man eher den 2016er Sassicaia. Oder Sachen mit hohen Parker-Punkten.

Wie würden Sie Ihre Rolle in der Altwein-Szene beschreiben?

Ich habe eine kleine Nische gefunden. Ich hole die Weine nicht von grossen Auktionen, eher von kleineren Sachen und von Kontakten im Ausland, die Partien sind in der Regel kleiner. An riesige Keller komme ich selten ran. Die Chargen verkaufe ich sofort, ich lagere so gut wie nichts. Das Geld, das ich dadurch spare, gebe ich in Form von günstigen Preisen an die Kunden weiter.

Wie hat sich der Altweinmarkt in den letzten Jahren verändert?

Je mehr sich das Internet ausbreitet, desto schwieriger wird es, an alte Weine zu kommen. Auch kleine Auktionshäuser, die sich kaum mit Wein auskennen, holen sich immer häufiger Experten. Manchmal hat man Glück, wie hier bei dem 1872er Assmanshäuser, davon habe ich noch 16 Flaschen, das waren mal 22, die ich in Belgien gekauft habe. Eine Villa in Brüssel, die über 25 Jahre nicht zugänglich gewesen war, dann wurde alles entrümpelt.

Wie hat sich der Altweinmarkt in den letzten Jahren verändert?

Je mehr sich das Internet ausbreitet, desto schwieriger wird es, an alte Weine zu kommen. Auch kleine Auktionshäuser, die sich kaum mit Wein auskennen, holen sich immer häufiger Experten. Manchmal hat man Glück, wie hier bei dem 1872er Assmanshäuser, davon habe ich noch 16 Flaschen, das waren mal 22, die ich in Belgien gekauft habe. Eine Villa in Brüssel, die über 25 Jahre nicht zugänglich gewesen war, dann wurde alles entrümpelt.

Gibt es einen Kauf, an den Sie sich noch besonders erinnern?

Ich habe mal eine Charge ersteigert, die nur als Vosne-Romanée deklariert war. Das Auktionshaus wusste nicht, welchen Schatz es da hatte! Ganz klein, wirklich mini, stand oben auf den Etiketten DRC, es waren die Jahrgänge 1934 und 1935. Tête de Cuvée, La Tâche und eine Flasche ohne weitere Bezeichnung, das war dann Romanée-Conti von Romanée-Conti.

Was wird bei Ihnen denn am meisten nachgefragt?

Bordeaux und Burgunder. Die Jungweinpreise für Burgunder sind vor vielen Jahren abgegangen, mittlerweile auch für reife, alte Burgunder, und das Ende ist noch nicht gekommen. Es sind ja immer nur ein paar Fässer, die ein Winzer dort von einem grossen Wein macht. Oder Rayas, Coche-Dury, Gantenbein, Keller, überall dasselbe Prinzip, kleine Allokationen für Privatkunden, ab Hof zum Teil gar nicht so teuer, dann zum dreifachen Preis auf dem Markt.

Was würden Sie den VINUM-Lesern raten, an Altwein zu kaufen?

Deutsche reife Weine, also milde. Die bekommt man für ’n Appel und ’n Ei, und sie können gut reifen. Es gibt auch ganz, ganz viele günstige Weine aus Bordeaux und dem Burgund, die Rhône rauf und runter, wobei die Nordrhône eher teuer ist. Aus grossen Jahren sollte man Händlerabfüllungen im Burgund kaufen, da gibt es richtig tolle Sachen zum kleinen Preis.

Und wenn sie Wein als Investition erwerben möchten?

Wer mit Wein Geld verdienen will, braucht einen langen Atem, vor allem wenn er das Pech hat, zu hohen Preisen einzukaufen. Es steigen quasi nur Top-Burgunder wie DRC. Eine sichere Bank sind 100-Parker-Punkte in Bordeaux vor den Jahrgängen 2009 und 2010, da hat es so viele 100-Punkte-Weine wie nie zuvor gegeben. Ein guter Freund hat anderthalb Millionen investiert, Grossformate von Top-Bordeaux, die lassen sich in der ganzen Welt immer wieder verkaufen, sind aber fast nur Spekulationsobjekte, denn die macht keiner auf.

Gibt es einen grossen Wein, den Sie noch nie getrunken haben?

Der 1945er Mouton fehlt mir noch!

Und der grösste, den Sie je getrunken haben?

Ein 1915er La Romanée, bei einer Probe bei Achim Becker. Bordeaux-Weine können perfekt und grossartig sein, aber das Allergrösste ist ein genialer Burgunder. Der 1915er war damals hundert Jahre alt. Ich habe das Glück gehabt, viele tolle Weine zu trinken, aber den hab' ich noch genau auf der Zunge. Die grösste Eleganz an Wein, die man sich vorstellen kann: Himbeere, Erdbeere, etwas Kräuter, Trüffel, Tabak, absolut rund, weich, charmantes Tannin, dabei wunderbare Süsse, nicht aufdringlich, sondern genau in der Balance, die Säure stützte das. Ist Minimum eine Minute im Mund geblieben, mit der ganzen puren Eleganz.

Welches ist denn der grösste Wein der Welt?

Auf hundert Jahre gebracht ist wahrscheinlich Château Latour der beste und beständigste Spitzenwein der Welt, aber für mich ist es Château Musar. Der ist einfach ein Chamäleon, er kann burgundisch wie ein Rhônewein oder bordeauxmässig sein, von Jahrgang zu Jahrgang ist das sehr unterschiedlich. Es gab mal eine Blindprobe mit absoluten Cracks wie Achim Becker und René Gabriel, die tippten auf Pomerol, Burgunder – es war alles Musar.

Um bei Superlativen zu bleiben: Welches ist der älteste Wein in Ihrem Besitz?

Ein 1727er Rüdesheimer Apostelwein. Er stammt aus Füllungen in den 1960er und 1970er Jahren. Dass er so lange im Fass war, hat ihn vor der Oxidation geschützt. Er ist hochfein, hat viele gedörrte Früchte im Bouquet und ist reich an tertiären Aromen, zum Beispiel Karamell. Hat sich im Glas über viele Stunden positiv entwickelt. Das war für mich die grösste Überraschung.

Ihr Keller ist voll mit grossartigen, wertvollen Weinen. Haben Sie keine Angst vor Diebstahl?

Ich wohne mitten im Dorf, wenn hier nachts irgendwas nicht stimmig sein sollte, kämen meine Nachbarn mit der Schrotflinte raus und würden den Einbrechern sagen, sie sollen alles zurückschleppen – aber ein Sicherheitssystem besteht trotzdem. Man müsste sich ausserdem schon sehr gut bei Wein auskennen und viel schleppen. Tunnel bauen geht auch nicht, unter meinem Haus ist Fels!

Fälschungen sind bei Altweinen ein grosses Thema. Was sind die meistgefälschten Weine der Welt?

1945er Mouton, 1947er Cheval Blanc, 1947er Pétrus und alles von Henri Jayer, bei dem sind sicher 80 Prozent der Flaschen auf dem Markt gefälscht. Viele dieser Weine konnte man Anfang der 1990er noch kaufen. Aber nachdem Hardy Rodenstock Parker einlud und er etliche Weine mit hohen Punkten versah, ging es hoch mit den Preisen und den Fälschungen. Und nichts ist leichter, als eine Händlerabfüllung zu fälschen, zum Beispiel 1947er Pétrus, da gibt es so viele unterschiedliche Händler, die keine Infos auf Kork oder Kapsel hatten. Da braucht man sich nur um die Etiketten zu kümmern. Im Guide Hachette steht drin, wie man die dann aufklebt: mit Milch, 3,5% Fett. Da gibt es keine Kleberückstände, da kommt nichts durch, es gibt auch keine Farbveränderungen.

Was passiert, wenn Sie ein Lot kaufen und da ist ein gefälschter Wein dabei?

Wenn es irgendwie geht, gebe ich den zurück. In England sind die Auktionshäuser alle absolut fair, die nehmen oxidierte Weine zurück und jede bewiesene Fälschung. In Frankreich, vor allem in Paris, finden die es grundsätzlich unverschämt, wenn ihnen ein Deutscher erzählt, eine Flasche sei oxidiert oder gefälscht – und er ist noch nicht mal Master of Wine. Da hab ich schon so viel Zirkus gehabt! In Belgien ist es auch schwierig. In Deutschland ist man einsichtig, verkauft es beim nächsten Mal aber wieder weiter. Man kann eine Fälschung natürlich chemisch ermitteln, das ist aber sehr teuer. Früher konnte man nur grob auf vor und nach Tschernobyl sowie auf vor und nach den Weltkriegen datieren. Heute geht das viel genauer. Und was Etiketten betrifft: Mit 3-D-Druckern kann man fast alles fälschen, selbst alte Bücher. Sogar schon ein Werk von Galileo Galilei. Und das alles hat mit Kavaliersdelikt nichts zu tun, das ist schlicht und ergreifend Betrug. Mich regen auch die ganzen kleinen Fälschungen auf, wenn auf dem Etikett ein Jahrgang weggeknibbelt wird. Das finde ich unerträglich! Wenn ich sowas sehe, mache ich es meist öffentlich, auch auf die Gefahr hin, auf dünnes Eis zu gehen.

Merken Altwein-Experten denn nicht, wenn sie eine Fälschung im Glas haben?

Wenn die Flasche seriös aussieht und das Etikett auch, dann hat man einfach keinen Zweifel, was man trinkt, und trinkt genau das dann auch, das Gehirn ist da sehr stark. Manchmal wird billigster Wein für Fälschungen verwendet, und sie kommen damit durch, weil viele gar nicht wissen, wie das Original schmeckt.

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