Big John in der burgenländischen Puszta • Unique Wineries of the World – Österreich

Weingut Scheiblhofer, Andau

Fotos: z.V.g.

Neben dem Entree, in dem sich Besucher per Verkostung einen ersten Eindruck von den Scheiblhofer-Weinen verschaffen können, beginnt das Reich des Weinmachers und Chefs des Hauses, Erich Scheiblhofer (Jahrgang 1978). Von hier aus kann man einen kleinen Gewaltmarsch durch mehrere Hallen mit etlichen Stahltanks, grossen Holzfässern, einem Veranstaltungsbereich mit vielen kleinen Eichenfässern als Wandschmuck und schliesslich einem gewaltigen Bau mit knapp 4000 (!) übereinander gestapelten Barriques starten. Aber vorher bleibt Erich Scheiblhofer noch stehen und verweist auf zwei betagte Holzfässer und einen Kunststofftank, die ihm viel bedeuten. «Damit hat mein Vater Johann neben dem Anbau von Zuckerrüben und Mais mit dem Weinbau begonnen.» 1983 startete der damals 34-jährige Senior mit 25 Hektar Reben in flachem Gelände auf den Fluren des 2300-Einwohner-Ortes im Osten des Neusiedlersees nahe der Grenze zu Ungarn mit der Flaschenabfüllung. Er wollte das günstige Klima in der «burgenländischen Puszta» nutzen und sah sich schnell bestätigt, als er bei seiner ersten Prämierung mit sechs Weinen sechsmal Gold einheimste.

«Wir sind stolz auf unsere Spitze, ebenso aber auf unsere einfacher anmutenden Weine.»

Erich Scheiblhofer

Der Betrieb entwickelte sich langsam positiv, so dass es später möglich war, Junior Erich zur Weiterbildung nach Australien und Kalifornien zu schicken. 1999 kam er 21-jährig zurück in die Heimat. Dass ihn der amerikanische Weinbau und dessen Marketing geprägt haben, ist heute noch an der Deklaration diverser Weine erkennbar. Es gibt The Legends, The Shiraz, The Cabernet Franc, The Merlot, The Peak of Glory, The Great Bustard und The Chardonnay (aber ebenso bei etlichen Sorten auch eine übliche Bezeichnung). Und es gibt einen Wein, der nach einer Anlaufzeit das Weingut richtig berühmt machte: Erich taufte eine 1997er rote Cuvée von Vater Johann, gewissermassen ihm zu Ehren, Big John.

Zuerst irritierte der Name, später wurde er für die Kundschaft zu einem Garanten für Topqualität. Er begleitete ein sensationelles Wachstum eines tüchtigen Familienunternehmens, in dem Erich Scheiblhofer auf Teamwork Wert legt und seinen Mitarbeitern Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen gibt, so beim Neubau eines 118-Zimmer-Wellness-Resorts, das noch im November 2021 eröffnet werden soll. «Bei Gegenstimmen hätte ich die Finger davongelassen.» 1,5 Millionen Flaschen werden jährlich abgefüllt (120 000 entfallen auf den Big John, auf Rotweine 70 Prozent). Möglich wird diese Menge durch stets unter Kontrolle befindliche Zukäufe bis ins Mittelburgenland hinein. Und auch dadurch, dass die Inhalte der über 30 verschiedenen Weine durchgängig qualitativ gut bis sehr gut sind, selbst die preiswerten roten und weissen Sortenweine Charakter zeigen – viel Wein für wenig Geld. «Wir wollten eigentlich nie so gross werden», schmunzelt Erich Scheiblhofer. «Aber es hat sich einfach so entwickelt.» Ehrungen gab es schon einige, so für die konsequente nachhaltige Bewirtschaftung und als «Weingut des Jahres».

Unsere Selektion

Big John 2019

Legendäre Cuvée aus Zweigelt (60 Prozent), Cabernet Sauvignon und Pinot Noir, mit gekonntem, zurückhaltendem Holzeinsatz. Waldbeeren im Aroma; im Geschmack sanfte, raffinierte Frucht, feinmaschig, zarte Würze, sehr elegant, viel Ausdauer im Abgang.

Praittenbrunn 2015

Das qualitative Aushängeschild des Weingutes, mit Trauben vom Leithaberg, zweimal 16 Monate im neuen Holz gereift. Kommt nur in optimalen Jahren in die Flasche. Kühle Note im Aroma, etwas Cassis; sehr elegant, viel Spiel, mineralische Tiefe, reife, angenehme Tannine.

Welschriesling 2020

Ein weisser Einsteiger-Wein (5,90 Euro) von einer Sorte, die im Burgenland eher für Süssweine geschätzt wird, die aber auch in herber Version auftrumpfen kann. Angenehme Würze in der Nase und im Geschmack; straff, gutes Säurespiel, anregend, hoher Spassfaktor.