Hotspot in kühlen Höhen

Völs am Schlern

Text: Ursula Geiger, Foto: Alex Filz

Im September ist es auf der Seiser Alm, übrigens die grösste Hochalm Europas, besonders schön. Hinter dem Schlern-Plateau taucht die sinkende Sonne die Rosengartengruppe in mystisches Rot und nach einer ausgedehnten Wanderung zwicken durstige Kehlen und leere Mägen. Die «Gostner Schwaige» auf 1930 Höhenmetern lockt zum Einkehrschwung. Hier verwöhnt Franz Mulser seine Gäste mit Spezialitäten vom Simmenthaler Rind, Knödeln und Kaiserschmarren. Um den Elektrolyt-Haushalt wieder in Ordnung zu bringen, könnte man eine Apfelschorle trinken. Besser ist ein Glas Weisswein, gekeltert unten im Tal aus der Sorte Kerner. Der erfrischend säurebetonte Gaumen ist animierend, die Aromatik zart fruchtbetont.

«Was die Völser Winzer in den letzten Jahren geleistet haben, hat Vorbildfunktion für viele kleinere Regionen. Noch mancher weisse Fleck auf der Wein-Landkarte könnte sich so zum Hotspot entwickeln.»

Ursula Geiger,
Wein-Autorin

Die Trauben für dieses Frischewunder wachsen in Völs am Schlern. Das Städtchen gehört zur Region Eisacktal, der nördlichsten Weinregion Italiens, die mit einer Rebfläche von 439Hektar rund acht Prozent der Gesamtrebfläche Südtirols ausmacht. Bis vor einigen Jahren war die Berggemeinde, deren Gebiet in 300 bis 2500 Höhenmeter liegt, ein weisser Fleck auf der Weinlandkarte. Die Rebberge wurden im Nebenerwerb bewirtschaftet, die Trauben an die Genossenschaften im Eisacktal und in Bozen verkauft. «Das war nicht immer so», erzählt Stephan Pramstrahler, Spitzenkoch und Winzer. «Bis vor hundert Jahren produzierten die Bauern in den tieferliegenden Weilern der Gemeinde Obst und Wein für die Streusiedlungen auf dem Hochplateau, wo hauptsächlich Getreide angebaut wurde. In den 1920ern wurde die Völser Strasse gebaut. Die schnelle Verbindung nach Bozen und Meran kurbelte den Handel mit Weinen aus dem Etschtal an.» 2007 kaufte Pramstrahler den Grottnerhof in Völser Ried, renovierte das fast verfallene Anwesen, widmete sich den dazugehörenden Rebflächen und brachte diese auf Vordermann. Eine der steilsten und höchstgelegenen Parzellen war bereits mit Wald überwuchert. Ins Rollen brachte Markus Prackwieser vom Gumphof die Qualitätsrevolution unterhalb des Schlerns. Sein Vater setzte in den 1950ern schon verstärkt auf den Weinbau und begann, Vernatsch selbst zu keltern. Rund 40Jahre später probierte Markus, welche Sorten sich denn noch eignen würden. Burgundersorten und Sauvignon Blanc funktionierten gut und 1999 kelterte er seinen ersten Sauvignon Blanc. Heute werden auf dem Gumphof auf fünf Hektar Reben angebaut. Teils wurden dafür Obstflächen gerodet und mit Reben bepflanzt, teils wurden alte Flächen wieder aufbereitet. 2019 kam eine Neuanlage auf 800 Meter Höhe dazu.

Hohe Lagen, eine Hangneigung zwischen 50 und 70 Prozent und kühlere Temperaturen als beispielsweise im Bozner Talkessel bestimmen das Klima in den Völser Rebbergen. Die Ora, der warme Wind vom Gardasee, weht hier vom Vormittag bis hinein in den späten Nachmittag, durchlüftet die Rebzeilen und sorgt für Wärme, auch wenn die Sonne einmal nicht scheinen sollte. Die warme Luft steigt an den Felswänden des Schlerns hoch, kühlt ab und braust dann als kalter Fallwind wieder hinunter ins Tal. Die Temperaturunterschiede sind gross und die Trauben reifen langsamer. Die Ernte beginnt selten vor Mitte September. Auch in Völs dominiert Porphyr, das Südtiroler Paradegestein der Böden, doch in der Höhe sind die Böden dank den Hinterlassenschaften des Schlern-Gletschers kalkhaltiger und somit ideal für elegante Weine aus Burgundersorten. Das Engagement von Markus Prackwieser und Stephan Pramstrahler ist exemplarisch für die Entwicklung in Völs am Schlern. Heute werden von den Völser Winzern rund 42 Hektar Rebfläche bewirtschaftet. Mit 80 Prozent überwiegen die weissen Rebsorten. An der Spitze stehen Sauvignon Blanc und Weissburgunder, gefolgt von Müller-Thurgau und Kerner. Apropos Kerner: Die nach dem Dichter und Säufer Justinus Kerner benannte Neuzüchtung (Trollinger x Riesling) aus Württemberg zeigt am Fusse des Schlerns, was sie kann. Trocken ausgebaut liefert sie subtile, elegante Weissweine mit präziser Säure.

TIPPS

Bessererhof – Otmar Mair
Südtirol DOC Eisacktaler Kerner 2019

16.5 Punkte | 2020 bis 2022

Geerntet wird der Kerner Anfang Oktober, die Maische mazeriert acht Stunden in der Presse. Sechs Monate reift der Wein auf der Feinhefe im Stahltank. Zartes, florales Bouquet, Duft nach frischer Birne, reifen Mirabellen und würzigen Kräutern. Gleitet geschmeidig und in frische Säure gepackt über die Zunge, feine Hefenoten krönen das Finale. Der Begleiter im Altweibersommer.

www.bessererhof.it

Prackfolerhof – Patrick Planer
Südtirol DOC Sauvignon Blanc 2019

18 Punkte | 2022 bis 2028

Geringe Erträge (rund 56 hl/ha) und Terroir sind hier prägend. Die Rebstöcke stehen auf 550 bis 650Metern auf Quarzporphyrböden mit hohem Magnesiumanteil. Die mineralische Struktur am Gaumen verleiht Tiefe und Grip, die Noten von exotischen Früchten sind verführerisch leise, die saftige Säure verleitet zum dritten Glas, auch wenn sich der Wein in zwei Jahren noch komplexer zeigen wird. Sancerre aus dem Eisacktal!

www.prackfolerhof.it

Gumphof – Markus Prackwieser
Südtirol DOC Weissburgunder Praesulis 2019

17 Punkte | 2020 bis 2025

Am Fusse des Schlernmassivs wachsen die Trauben auf kalkhaltigen Moränen und festem Quarzporphyrböden. Gelesen wird Ende September, vergoren zu zwei
Dritteln im Stahltank, der Rest in Tonneaux. Die Frucht ist glasklar, neben Kernobst zeigt sich Ananas und eine feine Zitrusnote. Elegant mit langgestrecktem Säurenerv.

www.gumphof.it

Wassererhof – Christoph & Andreas Mock
Südtirol DOC Grauburgunder 2018

17 Punkte | 2021 bis 2026

Der Wein lagert acht Monate auf der Hefe. Christoph Mock legt zwei Drittel des Grauburgunders in Tonneaux und ein Drittel in Edelstahl. Der Holzeinsatz stützt die kräftige Frucht mit feiner Würze. Mit 13,5Vol.-% ein Völser Leichtgewicht, doch ausgestattet mit Tiefe und muskulöser Substanz.

www.wassererhof.com

Grottnerhof – Stephan Pramstrahler
Südtirol DOC Blauburgunder Corax 2017

Punkte 16.5 | 2020 bis 2024

Reifendes Rubin. Präzise Nase mit Noten von kleinen, reifen Waldbeeren, verpackt in eine feine, herb-würzige Aromatik. Seidiges Tannin am Gaumen, elegante Frucht und schöne Länge. Zu Schlutzkrapfen und Knödeln ein Gedicht.

www.grottner.it

 

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